Laschet, Söder? Wer tritt für CDU und CSU an?
11. April 2021Wer für die beiden konservativen Schwesterparteien in Deutschland, die Union aus CDU und CSU, als Kanzlerkandidat aufgestellt wird, hat eigentlich immer gute Aussichten auf eine steile politische Karriere. In den knapp 72 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik hat 51 Jahre lang eine CDU-Kanzlerin oder ein CDU-Kanzler die Geschicke des Landes gelenkt. Auch jetzt liegt die Partei von Angela Merkel immer noch in den Umfragen vorn, etwa ein halbes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.
Die Corona-Pandemie bestimmt alles
Und doch ist alles anders als sonst. Die Pandemie und das zuletzt eher schlechte Management der Regierung ziehen auch die Konservativen in den Umfragen nach unten. Einige Abgeordnete mussten zurücktreten, nachdem sie sich bei der Beschaffung von Atemschutzmasken bereichert hatten.
Und vor allem: Nach 16 Jahren im Kanzleramt zieht sich Angela Merkel zurück. Sie tritt im Herbst nicht noch einmal an und hinterlässt eine orientierungslose Partei. Die bekam zuletzt in den Umfragen zwischen 26 und 28 Prozent an Zustimmung. Die Grünen sind ihr dicht auf den Fersen. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2017 erhielt das Lager von Merkel noch 32,9 Prozent der Stimmen. CDU und CSU regieren in einer Koalition mit den Sozialdemokraten (SPD).
Zwei Kandidaten aus den Bundesländern
Zwei Männer gelten als Favoriten für die Kanzlerkandidatur. Beide sind zur Zeit Ministerpräsidenten in ihren Bundesländern. Armin Laschet, seit Januar dieses Jahres Vorsitzender der CDU, ist Regierungschef im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen.
Markus Söder, Chef der bayerischen Schwesterpartei CSU, regiert Bayern. Eigentlich gilt die Faustformel: Wenn ein CDU-Vorsitzender die Kandidatur für sich beansprucht, kann ihn niemand hindern, denn die CDU gibt es in 15 Bundesländern, die CSU nur in Bayern. Aber im Jahr 2021 läuft die Kandidatur nicht automatisch auf Armin Laschet zu.
Söder mit dem klareren Pandemie-Kurs
Denn Markus Söder, der dynamische Ministerpräsident in Bayern, ist einer der Politiker, der in der Pandemie für einen halbwegs klaren Kurs steht. Stets stand und steht er an der Seite der Kanzlerin, die für möglichst harte Beschränkungen einsteht und eher skeptisch ist, was Lockerungen angeht. Und dabei noch immer, die Mehrheit der Deutschen hinter sich hat.
Wohl auch deshalb sagte Söder im "Zweiten Deutschen Fernsehen" (ZDF): "Nebenbei bemerkt: Alle setzen ja auf die Stimmen von Angela Merkel. Und wer die Stimmen von Angela Merkel möchte, der muss auch eine Politik machen, so, wie sie sie gemacht hat."
Laschet erst für Lockerungen, jetzt dagegen
Eine klare Spitze gegen Armin Laschet: Der gehörte nämlich, vor allem im Sommer 2020, zu den Befürwortern von Lockerungen in der Corona-Krise, was dann später, so sagen es jedenfalls viele Experten, für einem erneuten Anstieg der Infektionen sorgte.
Jetzt plädiert der neue CDU-Chef für einen harten, kurzen Lockdown, wie Söder und Merkel auch. Aber seine Sprunghaftigkeit hat seinem Image geschadet. Sogar Merkel persönlich kritisierte die Corona-Politik ihres Nachfolgers an der Parteispitze im ARD-Fernsehen und sagte wörtlich: "Das erfüllt mich nicht mit Freude."
In den Umfragen liegt Söder vorn
Die Menschen in Deutschland trauen wohl eher Söder das wichtigste politische Amt in Deutschland zu: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Mitte März wünschten sich 41 Prozent der Befragten, dass Söder die Union in den Bundestagswahlkampf führt, nur 14 Prozent sprachen sich für Laschet aus. Unter den Wählern der Union liegt Söder mit 63 zu 12 Prozent sogar noch deutlicher vorn.
Aufregung in der Unions-Fraktion
Das hat vor allem in der Bundestagsfraktion der Union von CDU und CSU für Aufregung gesorgt. Schneiden CDU und CSU im Herbst wirklich viel schlechter ab als zuletzt, sind die Mandate vieler der zur Zeit 245 konservativen Sitze im Parlament in Gefahr. Deshalb gilt in der Fraktion, bei aller Solidarität mit Laschet, immer mehr: Wir sind für Denjenigen, der die meisten Stimmen holt.
Ein brisanter Brief an die anderen Länder-Chefs
Markus Söder hat sich lange zurückgehalten, was seinen möglichen Wunsch angeht, Kanzler zu werden. Stets sprach er davon, seine Zukunft in Bayern zu sehen. Aber viele seiner jüngsten Aktionen sprechen eine andere Sprache: Etwa sein jüngster Brief an seine Ministerpräsidenten-Kolleginnen und Kollegen, in dem er dazu aufforderte, in der Corona-Politik jetzt endlich konsequent an einem Strang zu ziehen.
Besonders pikant: Söder schrieb den Brief zusammen mit dem Ministerpräsidenten von Baden- Württemberg, mit Winfried Kretschmann von den Grünen. Es ist ohnehin kein Geheimnis, dass Söder mit vielen Vertretern der Grünen gut kann, zuletzt hat er immer auch wieder für mehr Klimaschutz plädiert. Und eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl gilt als eine der wahrscheinlichsten Konstellationen.
Eine gemeinsame, gütliche Entscheidung? Immer unwahrscheinlicher.
Noch, so hört man etwa aus der Bundestagsfraktion der Union, hat Laschet einen leichten Vorsprung. Die Frage ist, wer überhaupt über die Kanzlerkandidatur entscheidet.
Dass sich Laschet und Söder gütlich einigen, wird immer unwahrscheinlicher, auch wenn Laschet noch Mitte der Woche sagte: "Markus Söder und ich werden den Parteipräsidien dazu einen Vorschlag machen. Wir werden nach dem Kriterium entscheiden, wer die größten Aussichten hat, in ganz Deutschland die Wahl zu gewinnen." Das ist im Moment ziemlich eindeutig Markus Söder.
Deutschland steht vor riesigen Herausforderungen
Sollte es noch einmal zur Kanzlerschaft reichen, stehen die Konservativen vor gewaltigen Herausforderungen. Nach 16 Jahren Merkel sind CDU und CSU programmatisch ausgehöhlt. Bundeskanzlerin Merkel hat den Ausstieg aus der Atomenergie vollzogen und die Wehrpflicht abgeschafft. Beides waren eigentlich konservative Kernelemente.
Längere Zeiten ihrer Kanzlerschaft verbrachte Merkel im Krisen-Modus: in der Euro-und Finanzkrise, in der Flüchtlingspolitik, seit gut einem Jahr in der Pandemie. Jetzt hat Deutschland große Defizite bei der Digitalisierung, kämpft gegen Rassismus und Polarisierung der Gesellschaft, muss beim Klimaschutz nachbessern. An diesem Wochenende sind Söder, Laschet und auch Merkel Gäste bei der Klausurtagung der Spitze der Unionsfraktion - eine gute Gelegenheit, für mehr Klarheit in der Frage der Kanzlerkandidatur zu sorgen.