Laser-Zwischenfall: China weist Schuld von sich
Veröffentlicht 9. Juli 2025Zuletzt aktualisiert 9. Juli 2025
Am vergangenen Freitag (04.07.2025) trafen sich der deutsche Außenminister Johann Wadephul und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi zum ersten Mal in Berlin. Sie schwärmten anschließend vom konstruktiven Dialog. Nun wurde bekannt, das sich zwei Tage davor ein militärischer Zwischenfall zwischen beiden Streitkräften über dem Roten Meer ereignet hatte.
So ernst, dass am Dienstag (08.07.2025) das Auswärtige Amt den chinesischen Botschafter einbestellte. Deutschland wirft China vor, dass eine chinesische Fregatte ein deutsches Aufklärungsflugzeug über dem Roten Meer mit einem Laser ins Visier genommen hat. "Die Gefährdung von deutschem Personal und die Störung des Einsatzes sind vollkommen inakzeptabel", hieß es auf dem X-Account des Auswärtigen Amts.
Die förmliche Einbestellung eines Botschafters gilt als scharfes diplomatisches Mittel, mit dem die Regierung des Gastlandes eine deutliche Verstimmung signalisiert.
Peking weist Anschuldigung zurück
Am Mittwoch (09.07.2025) wies Peking die Vorwürfe zurück. Die deutsche Behauptung sei "nicht mit den Tatsachen vereinbar", sagte eine Regierungssprecherin. "Beide Länder sollten eine pragmatische Haltung einnehmen, die Kommunikation rechtzeitig verstärken und Missverständnisse und Fehleinschätzungen vermeiden."
Den deutschen Angaben zufolge handelte es sich um ein deutsches Flugzeug zur Seeraumüberwachung im Rahmen des EU-Einsatzes Aspides, der seinen Schwerpunkt im Roten Meer hat, aber auch die Arabische See mit einschließt. Aspides soll die zivile Schifffahrt vor Angriffen der Huthi-Milizen im Jemen schützen, die eng mit dem Regime im Iran zusammenarbeitet. Gemäß dem aktuellen Bundestagsmandat können bis zu 700 Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden. Aktuell stellt Deutschland etwa 30 Soldaten.
Bundesregierung empört
Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete, dass das Flugzeug gechartet worden sei. Zwei zivile Piloten hätten das Flugzeug gesteuert. An Bord könnten bis zu vier Bundeswehrsoldaten mitfliegen. Bei der Annäherung hätten nach Spiegel-Informationen die chinesischen Offiziere auf eine Kontaktaufnahme über die Notruffrequenz verzichtet.
Das deutsche Flugzeug sei bei dem Routine-Einsatz von einem chinesischen Kriegsschiff, das schon mehrfach im Seegebiet angetroffen worden sei, "ohne Grund und ohne vorherige Kontaktaufnahme" angelasert worden, teilte ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums mit. "Mit dem Einsatz des Lasers hat das Kriegsschiff eine Gefährdung von Mensch und Material in Kauf genommen", hieß es weiter. Das Flugzeug habe sicher landen können.
Was für einen Laser die chinesische Marine auf das deutsche Flugzeug richtete, wurde nicht mitgeteilt. Theoretisch können Laser etwa als Entfernungsmesser für Zielverfolgungssysteme oder auch als Blendwaffen genutzt werden. Das Anstrahlen mit einem Laser gilt im Militär mindestens als Drohgebärde.
Bedrohte Handelsrouten im Golf von Aden
Seit 2008 entsendet China im Rahmen einer UN-Resolution Kriegsschiffe in den Golf von Aden, die Meeresenge zwischen dem Auslauf des Roten Meeres und dem Arabischen Meer. Die wichtige Handelsroute ist seit Jahren von Piraten bedroht.
Eine neue Dimension der Bedrohung entstand nach Beginn des Konflikts zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Die islamistische und vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen, der im Norden des Golfs von Aden liegt, kündigte in der Folge an, Handelsschiffe, die unter der Flagge israelischer Verbündeter fahren, anzugreifen. Die EU schickt deswegen seit 2024 Kriegsschiffe in die Region, um die Handelsschiffe vor Huthi-Angriffen zu schützen.
Chinesische und russische Schiffe sind nach Angaben der Rebellen im Jemen von Attacken ausgenommen. Allerdings seien die meisten Containerschiffe der chinesischen Reedereien aus steuerlichen Gründen in Panama, Bermuda oder auf den Bahamas registriert, so ein Bericht des Center for International Maritime Security (CIMSEC) im US-Bundesstaat Maryland. "Da es schwierig ist, die Eigentümerschaft der Schiffe zu ermitteln, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Schiff in chinesischem Besitz oder mit chinesischen Seeleuten getroffen wird", hieß es im CIMSEC-Bericht. Das ist auch der offizielle Grund, warum die chinesische Marine regelmäßig Handelsschiffe durch das Rote Meer begleitet.
Die 47. Schutzmission der chinesischen Marine startete im Dezember 2024. Sie besteht aus zwei Fregatten und einem Versorgungsschiff. Etwa 700 Seeleute sind derzeit im Einsatz.
Die Kriegsschiffe der 47. Schutzmission sind im chinesischen Versorgungszentrum im ostafrikanischen Land Dschibuti, stationiert, das sich auf der westlichen Seite des Golfs von Aden befindet. Dschibuti ist die erste Militärbasis der chinesischen Marine im Ausland. Nach Statistik des chinesischen Verteidigungsministeriums wurden seit Beginn der Mission etwa 7200 Handelsschiffe von China und anderen Ländern durch den Golf von Aden begleitet.
China und Westen treffen am Horn von Afrika aufeinander
Im Nahen Osten präsentiert sich China als unparteiischer Vermittler. "China unterstützt die Länder im Nahen Osten bei der solidarischen und konstruktiven Zusammenarbeit, um die Sicherheitsfragen in der Region einvernehmlich zu lösen", heißt es im offiziellen Weißbuch der Verteidigung, das Ende Mai 2025 in Peking vorgestellt wurde.
In dem Dokument wird der Westen, darunter auch Deutschland, für die internationalen Herausforderungen, mit denen China sich konfrontiert sieht, verantwortlich gemacht, sagt Helena Legarda von der Berliner China-Denkfabrik MERICS. "China wirft dem Westen vor, das Land einzudämmen und seinen Aufstieg bremsen zu wollen, sich in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen und auch für Instabilität in Chinas Nachbarschaft verantwortlich zu sein."
Chinas Führung beobachte die Entwicklung in der Region um das Rote Meer und die möglichen Auswirkungen auf Chinas Stabilität und nationale Sicherheit sehr aufmerksam, so Legarda weiter. Im Roten Meer haben die Missionen von China und dem Westen zwar eigentlich das gleiche Ziel - den Schutz von Handelsschiffen -, aber China lehnte die Beteiligung an einer vom Westen geführten gemeinsamen Militärmission ab. Es will mit seiner eigenen Militärpräsenz im Golf von Aden eine klare Botschaft senden, so Legarda. China verfolgt "einen proaktiveren und offensiveren Ansatz zur Verteidigung der chinesischen Interessen auf internationaler Ebene".
Geopolitischer Kontext
Die Krise im Roten Meer sei auf den Gazakrieg zurückzuführen, sagt Yuan Zhou, Direktor des Jiangsu Maritime Instituts. "Nur ein Waffenstillstand im Gazastreifen kann die Situation im Roten Meer verbessern."
Er verweist darüber hinaus auf einen größeren, geopolitischen Hintergrund: "Deutschland macht sich Sorgen um die chinesische Militärpräsenz und betrachtet sie als 'Störfaktor' in der Region. In Wirklichkeit befürchtet Berlin die Schwächung der westlichen militärischen Übermacht im Nahen Osten."
Yuan bezweifelt die Angaben der Bundeswehr und verweist auf einen Zwischenfall im Februar 2024. Damals hatte die deutsche Fregatte Hessen im Roten Meer beinah eine US-Drohne abgeschossen. Die US-Drohne hätte sich ohne Freund-Feind-Kennung der Fregatte angenähert, hieß es damals aus Bundesverteidigungsministerium zur Begründung des Abschussbefehls. Dass die Drohne nicht abgeschossen wurde, lag allein an einem technischen Defekt. "Vielleicht hat sich das deutsche Aufklärungsflugzeug wie damals geirrt?", fragt Yuan. China werde ein Gespräch anbieten, um den Ablauf des Zwischenfalls zu rekonstruieren. Davon geht der Militärexperte Yuan aus.
Auch Deutschland ist an einem vertieften Austausch interessiert. Das belegt das Treffen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mit dem chinesischen Kollegen Dong Jun Mitte Mai in Berlin. Beide Seiten einigten sich darauf, "das gegenseitige Verständnis und die Transparenz zu fördern, um Missverständnisse und Fehleinschätzungen zu vermeiden und sich über die jeweiligen Sichtweisen auf drängende sicherheitspolitische Herausforderungen auszutauschen". Der aktuelle Fall bietet dafür viel Gelegenheit.