Laster mit Überlänge
9. Juni 2012Seit dem 1. Januar 2012 dürfen die Riesenlaster auf einigen ausgewählten Straßen in Deutschland fahren. Fünf Jahre soll das Testprojekt dauern. Im November vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung eine Ausnahmeverordnung zum Feldversuch mit den Lang-LKW gebilligt - unter strengen Auflagen.
So dürfen Gigaliner höchstens 40 Tonnen schwer sein und weder gefährliche noch flüssige Güter laden. Außerdem muss jedes Fahrzeug mit einer Kamera ausgerüstet sein, mit der sich der nachfolgende Verkehr beobachten läßt. Während ein normaler Laster etwa 18 Meter lang ist, bringt es ein Lang-Lkw auf bis zu 25 Meter.
Sieben Bundesländer machen mit
Von den sechzehn deutschen Bundesländern nehmen an dem Projekt allerdings nur sieben teil: Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Thüringen, Sachsen und Bayern. Die anderen Länder sind gegen das Projekt und sprechen von unübersichtlichen Monstertrucks. Sie sehen die Verkehrssicherheit gefährdet und befürchten, dass die deutschen Straßen, Kreuzungen, Bahnübergänge, Brücken, Tunnel und Autobahnzufahrten nicht für die Gigaliner ausgelegt sind.
Dabei ist es gerade das Ziel des Feldversuches, diese Risiken, aber auch die Chancen des Einsatzes von Lang-LKW zu untersuchen. Es gehe nicht darum, den Verkehr von der Schiene auf die Straße zurück zu verlagern, versucht Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Gegner des Projektes zu beruhigen. "Wo heute drei Lkw pro Tag unterwegs sind, sind es im Feldversuch nur zwei Lang-Lkw. Davon können Automobilzulieferer, die Lebensmittelbranche, Express-, Kurier- und Paketdienste profitieren", so Ramsauer.
Schon jetzt werden in Deutschland die meisten Güter in Lastkraftwagen transportiert. 2010 beförderten Lkw auf deutschen Straßen 3,1 Milliarden Tonnen Güter, so das Statistische Bundesamt. Eisenbahnen, der Seeverkehr und die Binnenschifffahrt kamen zusammen gerade einmal auf knapp eine Milliarde Tonnen Fracht.
Speditionen, die sich am Testprojekt beteiligen möchten, müssen sich an die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wenden. Dort können sich die Transportunternehmen registrieren lassen. Doch die Resonanz ist bislang eher gering. 50 Anfragen hat die BASt seit Beginn des Jahres bekommen, aber erst acht Speditionen mit 13 Lang-Lkw machen bisher beim Projekt mit.
Die erste Test-Fahrt eines Lang-Lkw fand am 10. Februar in Bayern statt - ein Fahrzeug der Spedition Ansorge. Knapp vier Monate sind seitdem vergangen und Ansorge-Geschäftsführer Wolfgang Thoma wagt eine erste Bilanz, er nennt es Zwischeninformation: Gut 19.000 Kilometer haben seine beiden Lang-Lkw bisher zurückgelegt und schon in dieser kurzen Zeit seien die ökonomischen und ökologischen Vorteile spürbar geworden.
Die Riesenlaster hätten gut 50 Prozent mehr Fracht an Bord als herkömmliche Lkw. Das würde Treibstoffverbrauch und Kohlendioxyd-Ausstoß um jeweils ein Drittel pro geladener Palette reduzieren. Außerdem seien die Fahrten völlig unspektakulär abgelaufen, so Wolfgang Thoma. Der Speditionsgeschäftsführer ist zufrieden mit dem bisherigen Verlauf und freut sich darauf, wenn sein Fuhrpark schon bald auch andere Strecken befahren darf.
Viele bürokratische Hindernisse
Jörg Braatz dagegen, Fuhrparkleiter des Logistikunternehmens Voigt, kann immer noch nicht beim Feldversuch mitmachen. Vor fünf Monaten hatte die schleswig-holsteinische Spedition die aufwendigen Anträge bei der Bundesanstalt für Straßenwesen abgegeben. Und nicht nur das: Das Unternehmen hat Tausende Euro investiert, zwei fertig ausgerüstete Lang-Lkw stehen auf dem Betriebsgelände.
Beim Probebetrieb mitmachen kann die Firma aber immer noch nicht, es fehlen die Genehmigungen der sogenannten "letzten Meilen". Für wenige Hundert Meter Landstraße gebe es noch keine Durchfahrterlaubnis: die kurzen Strecken von der Autobahn zu den Be- und Entladestellen.
Jörg Braatz kann darüber nur den Kopf schütteln. "Als Unternehmen verstehen wir die Welt nicht mehr". Ein wenig Optimismus hat er sich dennoch bewahrt - bald, so hofft er, würde er grünes Licht bekommen, um dann seine beiden Lang-Lkw auf Tour zu schicken.
Opposition ist gegen den Praxistest
Sozialdemokraten und Grüne zählen zu den Kritikern des Test-Projektes. Die beiden Parteien, die auf Bundesebene in der Opposition sind, aber in einigen Ländern regieren, wollen die Gigaliner nicht auf deutschen Straßen fahren lassen. Außerdem haben sie verfassungsrechtliche Bedenken. Anfang März 2012 reichten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen Klage gegen den Feldversuch ein.
Laut des Berliner Staatsrechtlers Ulrich Battis verstößt die Ausnahmeverordnung gegen das Grundgesetz, denn Verkehrsminister Ramsauer habe durch den Erlass die parlamentarischen Rechte der Abgeordneten beschnitten. Bundestag und Bundesrat hätten seiner Meinung nach damit befasst werden müssen. Das Bundesverkehrsministerium sieht der Klage allerdings gelassen entgegen. Auf Anfrage der Deutschen Welle hieß es, man habe sich abgesichert, der Feldversuch sei rechtssicher.
In den Niederlanden, Schweden und Finnland sind Lang-Lkw schon länger zugelassen, dort sogar nicht wie in Deutschlang mit 40 Tonnen, sondern mit bis zu 60 Tonnen Gesamtgewicht. Und im globalen Vergleich sind die deutschen Gigaliner erst recht klein. In Australien donnern sogenannte Roadtrains über die Straßen: Lkw mit einer Länge von über 50 Metern und weit über 100 Tonnen Gewicht.