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Rekord-Migration Richtung USA zeichnet sich ab

15. August 2021

Rund 15.000 Migranten haben eine Bucht zwischen Kolumbien und Panama überwunden. Nun treten sie ihren Marsch an durch Sümpfe, Regenwald und Gebiete, die kriminelle Banden kontrollieren. Und sie sind nicht die einzigen.

Panama: Migranten warten hinter einem Maschendrahtzaun darauf, eine Aufnahmestation zu verlassen
Diese Migranten haben es bereits nach Panama geschafftBild: Rogelio Figueroa/Getty Images/AFP

Jedes Jahr überqueren Migranten den Golf von Urabá auf dem Weg Richtung Norden. Die schmale Bucht liegt an der kolumbianischen Karibikküste. An ihrem östlichen Ufer befindet sich eine Reihe von Touristenorten, die über eine Nationalstraße mit der Metropole Medellín verbunden sind. Das Gebiet liegt auf der wichtigsten Landroute von Süd- nach Nordamerika.

Krise in Urlaubsort vorerst gelöst

Je nach Schätzung haben in den letzten Jahren durchschnittlich um die 25.000 Menschen die Grenze von Kolumbien nach Panama passiert. In diesem Jahr, schätzen die Behörden Panamas, waren es bereits doppelt so viele. Allein im Juli 2021 sollen es mehr als 19.000 gewesen sein.

15.000 Migranten bevölkerten den 22.000-Einwohner Ort Necoclí zu HochzeitenBild: David Cuello/AFP

In einem der Urlaubsorte am Ostufer des Golfs von Urabá kamen im vergangenen Monat so viele Migranten an, dass die Fähren gar nicht mehr mit dem Transport nachkamen. Bis zu 15.000 Menschen warteten in Necoclí - mit seinen 22.000 Einwohnern - auf ein Boot ins 70 Kilometer entfernte Capurganá an der Grenze zu Panama. Und hier beginnt für die meisten Migranten erst der gefährlichste Teil ihrer Reise. Denn Capurganá ist ein 1000-Seelen-Dorf mit einem kleinen Touristenflughafen, aber ohne Straßenanbindung am Rand der Wildnis des "Tapón de Darién".

Eine der schwierigsten Etappen

Der "Stopfen von Darién" im Süden des Isthmus von Panama gehört zu den unwegsamsten Gebieten des Kontinents. Der teils sumpfige, teils bergige Regenwald erstreckt sich auf einer Fläche vergleichbar mit Hessen oder Sardinien von der Karibik bis an den Pazifik. Straßen gibt es so gut wie keine. Selbst die Erbauer der Panamericana haben hier kapituliert: Im Darién befindet sich die einzige Lücke der 26.000 Kilometer langen Straße von Alaska bis Feuerland.

Der "Stopfen von Darién" ist so unwegsam, dass selbst die Panamericana von Alaska nach Feuerland hier unterbrochen ist

Die Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung dort ist entsprechend prekär. Hinzu kommen kriminelle Banden und Guerilla-Gruppen, die den Migranten hier auflauern.

Zahl der Migranten begrenzen

Nachdem sich die kolumbianische Regierung eingeschaltet hatte, wurden bis zu 1500 Menschen pro Tag ans gegenüberliegende Ufer geschafft. Mittlerweile hat sich die Situation im Urlaubsort Necoclí deutlich entspannt. Doch die Zahl der Migranten, die aus Lateinamerika in die USA gelangenwollen, wächst weiter.

Seit Monaten registrieren die US-Grenzer eine steigende Zahl von illegalen Einwanderungsversuchen. Im Juli waren es mehr als 210.000 - die höchste Zahl seit März 2000, wie der gemeinnützige Think-Tank Washington Office on Latin America (WOLA) twitterte. Am Center for Immigration Studies, einem US-Think-Tank, der sich für eine kontrollierte Einwanderung einsetzt, deutet die Entwicklung auf neue Rekordzahlen im Laufe des Jahres hin.

Nach mehreren persönlichen und virtuellen Krisensitzungen, an denen teilweise auch Vertreter aus den USA, Mexiko, Brasilien, Chile, Costa Rica und Peru teilnahmen, haben sich die Regierungen von Kolumbien und Panama vergangene Woche darauf geeinigt, die Zahl der Migranten zu begrenzen. Bis Ende August sollen demnach nicht mehr als 650 Personen pro Tag die gemeinsame Grenze übertreten. Ab September sollen es nur noch 500 sein. Die Leiterin der panamaischen Migrationsbehörde, Samira Gozaine, äußerte sich zuversichtlich, dass dies helfen werde, die Migration zu bewältigen.

COVID-19-Maßnahmen haben die Situation verschärft

Dass sich in diesem Jahr besonders viele Menschen auf den Weg nach Norden machen, führen Beobachter auf die Pandemie-Maßnahmen zurück. Zum einen hatten die Auflagen die Mobilität auch für illegale Migranten eingeschränkt. Im gesamten Jahr 2020 hatten nur etwa 4000 Menschen den Weg angetreten. Umso mehr Migrationswillige nahmen ihre Pläne nun in Angriff.

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Zum anderen ist durch die gestiegene Arbeitslosigkeit der Migrationsdruck gewachsen. Und dies betrifft insbesondere Menschen, die in südamerikanischen Ländern als Einwanderer leben: "Viele Haitianer haben vorher in Brasilien, Chile und anderen Ländern gelebt und gearbeitet", sagt WOLA-Gründer Adam Isacson, "bis COVID-19 die Volkswirtschaften abgewürgt hat".

Dreiviertel der Migranten, die sich nun durch den Darién schlagen, sind nach Behördenschätzungen Haitianer. Die übrigen kommen vorwiegend aus Kuba, verschiedenen afrikanischen Ländern und aus Venezuela. Andere Südamerikaner sind kaum darunter.

Nicht einfach, aber machbar

Es gibt aber auch Menschen, für die Südamerika der erste Schritt Richtung USA ist. Mexiko und Guatemala blocken Migranten inzwischen rigoros ab, erklärt Isacson: "Die Menschen reisen über Südamerika, weil dort manche Länder, vor allem Ecuador und Brasilien, laxere Visa-Vorschriften haben."

Per Boot lässt sich ein Gutteil des Darién-Regenwalds umgehen. Beschwerlich bleibt die Reise dennochBild: Ivan Valencia/AP Photo/picture alliance

"Der direkte Weg in die USA ist für arme Haitianer sehr schwierig", sagt auch der Politologe Oliver Stuenkel vom brasilianischen Think-Tank FGV: "Die Kolumbien-Route ist rein finanziell machbarer." Dabei kostet viele Migranten schon dieser "machbarere" Weg ihr gesamtes Vermögen, und in vielen Fällen auch das ihrer Familien.

Für Touristen und Einheimische kostet eine Bootsfahrt über den Golf von Urabá etwa 15 Euro, ein Flug von Medellín nach Capurganá rund 50 Euro. Migranten ohne Visa müssen denjenigen, die versprechen, sie illegal über die Grenze zu bringen, meist Hunderte oder gar Tausende Dollars zahlen.

Die Außenministerinnen von Kolumbien, Marta Lucía Ramírez (l.), und Panama, Erika Mouynes, suchen nach LösungenBild: Arnulfo Franco/AP Photo/picture alliance

Regierungen wollen Routen sichern

Eine Garantie auf eine heile Ankunft bekommen sie dafür indes nicht. Denn aus Hilfsbereitschaft zeigt den Migranten kaum jemand die Schleichpfade über die grünen Grenzen Mittelamerikas. Menschenhandel gehe oft Hand in Hand mit Drogenschmuggel, betonte Kolumbiens Außenministerin Marta Lucia Ramírez auf einer der Krisensitzungen mit ihrer Amtskollegin Erika Mouynes aus Panama.

Auch deshalb wollen die Regierungen nun offenbar ihre Zusammenarbeit stärken, um die Migrantenströme in geordnete Bahnen zu lenken. Damit wollen sie zum einen die Migranten identifizieren, um Delinquenten auszusieben. Zum anderen wollen sie den Ankündigungen nach den Migranten einen sichereren Weg durch das gefährliche Gebiet ermöglichen. "Der kolumbianische Staat ist in diesem Gebiet seit vielen Jahren kaum präsent", sagt Analyst Stuenkel. "Die Anwesenheit so vieler Migranten erhöht nun den Druck, dort aktiver zu werden."

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Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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