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Wie der Klimawandel das Bergsteigen verändert

Stefan Nestler
31. Juli 2025

Auch an den höchsten Bergen sind die Folgen der Erderwärmung nicht mehr zu übersehen. Der tödliche Bergunfall der deutschen Sportlerin Laura Dahlmeier in Pakistan zeigt: Die objektiven Gefahren im Bergsteigen nehmen zu.

Die Trango-Türme, Berge am Baltoro-Gletscher in Pakistan. Hier in der Nähe verstarb Laura Dahlmeier
Die Bedingungen für Bergsteigerinnen und Bergsteiger im Karakorum in Pakistan werden immer schwieriger und gefährlicherBild: Michal Knitl/imageBROKER/IMAGO

Könnte Bergsteigerin Laura Dahlmeier noch leben, wenn es den Klimawandel nicht gäbe? Natürlich ist eine Antwort darauf spekulativ. Doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die immer höheren Temperaturen auch dem Berg in Pakistan stark zugesetzt haben, an dem der frühere deutsche Biathlon-Star tödlich verunglückte. Steinschlag, wie er Dahlmeier zum Verhängnis wurde, kommt an den Bergen der Region immer häufiger vor.

Der Klebstoff schmilzt

Der 6096 Meter hohe Laila Peak im Karakorum ist ein Blickfang. Seine Form erinnert an einen Haifischzahn, der in den Himmel ragt. Von allen Seiten ist der Berg steil und bergsteigertechnisch anspruchsvoll. Als der Autor dieses Artikels vor 20 Jahren an diesem Berg vorbeikam, war seine Nordwestwand noch mit einer dicken Schneeschicht bedeckt.

Das zog nicht nur Bergsteiger, sondern auch Extremskifahrer an, die sich an einer Abfahrt dieser steilen Wand versuchten. Inzwischen gibt es in dieser Bergflanke aber nur noch an einigen Stellen eine dünne Schneeauflage, weite Bereiche sind dagegen mittlerweile blanker Fels.

Vor der diesjährigen Klettersaison, die im Juli begann, waren die sonst üblichen Niederschläge ausgeblieben. Zusätzlich beschleunigten sehr hohe Temperaturen die Schneeschmelze. In der Kleinstadt Chilas, auf 1265 Meter Meereshöhe am Südrand des Karakorum gelegen, stieg das Thermometer im Juli auf den Rekordwert von 48,5 Grad Celsius.

Bis auf Höhen über 5500 Meter regnete es statt zu schneien, selbst Nachtfrost blieb dort mancherorts aus. Bergsteigerinnen und Bergsteiger berichteten an den bis über 8000 Meter hohen Bergen des Landes über ungewöhnlich warme und trockene Verhältnisse.

Schnee und Eis sind normalerweise so etwas wie ein natürlicher Klebstoff, der dafür sorgt, dass Felsbrocken an Ort und Stelle verbleiben. Schmilzt der Schnee, steigt die Gefahr von Steinschlag und Nassschnee-Lawinen. Einige Expeditionen verließen das Karakorum in diesem Sommer vorzeitig, ohne Gipfelerfolg. Der Tenor: zu gefährlich.

Expeditionen müssen ihre Zeitpläne ändern

"Ich glaube, in Zukunft müssen die Expeditionen früher nach Pakistan - wegen des Klimawandels, der dort sehr deutlich zu spüren ist",sagt der erfahrene deutsche Bergsteiger David Göttler. "Ich glaube, das ist unausweichlich."

Göttler bestieg Ende Juni den 8125 Meter hohen Nanga Parbat - im Alpinstil, also ohne Flaschensauerstoff, ohne fest installierte Seile, ohne feste Hochlager und ohne Unterstützung von Hochträgern. Mit seinen beiden Teamgefährten aus Frankreich hatte er sich zuvor in Nepal an einem Sechstausender und einem Siebentausender an die dünne Luft gewöhnt.

"Es ist Wahnsinn, wie schnell sich diese Berge gerade ändern", so Göttler. "Die objektiven Gefahren werden größer, der Steinschlag nimmt zu." Zum Beispiel am 7162 Meter hohen Baruntse, nicht weit weg vom Mount Everest: "Am Gipfelgrat tun sich riesige Spalten auf, um die herum du deinen Weg finden musst. Früher war das kein sehr anspruchsvoller Berg", berichtet Göttler. "Aber inzwischen musst du als selbst Anfänger an einem Siebentausender wie diesem schon gut mit den Steigeisen unterwegs sein."

Um drohendem Steinschlag in den warmen Mittagsstunden zu entgehen, brechen Gipfelanwärter mittlerweile immer früher auf. An besonders gefährdeten Bergen sind Kletterer sogar nur noch nachts unterwegs und ruhen sich tagsüber aus. 

Heftige Regenfälle, Dammbrüche an Gletscherseen

Die Extremwetter-Ereignisse infolge des Klimawandels nehmen an den höchsten Bergen ebenfalls zu. Im Karakorum wurden vor anderthalb Wochen nach heftigen Regenfällen mehrere Betonbrücken über Flüsse regelrecht weggeschwemmt. Expeditionen mussten deswegen bei der An- und Abreise Umwege in Kauf nehmen. Mindestens 18 Menschen starben.

Zerstörte Brücke im Norden Pakistans nahe der Stadt ChilasBild: Hussain Ali/ZUMA/IMAGO

Auch in Nepal zerstörten im Juli Wassermassen eine Brücke über einen Grenzfluss nach Tibet. Mehr als 20 Menschen kamen ums Leben. Auslöser der Flutkatastrophe: heftige Monsunregen, verstärkt durch eine Gletschersee-Flut.

Durch die zunehmenden Gletscherschmelze bilden sich hinter natürlichen Dämmen große Seen. Brechen diese Dämme, rasen die Wassermassen talwärts. Die Zahl solcher sogenannter GLOFs (Glacial Lake Outburst Floods) hätten in jüngster Zeit im Himalaya und Karakorum rapide zugenommen, warnte das Internationale Zentrum für integrierte Entwicklung in Bergregionen (ICIMOD) in Nepal.

An der Nabelschnur des Bergtourismus

Die steigenden Gefahren - und damit verbunden auch sinkende Chancen auf Gipfelerfolge - könnten dazu führen, dass das Interesse an kommerziellen Expeditionen mittelfristig nachlässt. Für Regionen wie das Gebiet um den Mount Everest in Nepal oder auch viele Kleinstädte und Dörfer im Norden Pakistans wäre dies eine wirtschaftliche Katastrophe.

Muss er um seinen Job bangen? Ein nepalesischer Träger auf dem Weg zum Everest-Basislager Bild: Cavan Images/IMAGO

Die meisten Menschen dort hängen geradezu an der Nabelschnur des Bergtourismus. Bleiben die Bergsteigerinnen und Bergsteiger aus, verlieren nicht nur die einheimischen Bergführer und Träger ihre Jobs. Lodge-Besitzer stehen dann ohne Gäste da, Wirte und Händler verlieren ihre Kundschaft.

Nicht umsonst sind es daher Staaten wie Nepal und Pakistan, die nicht müde werden, vor den Gefahren des globalen Klimawandels zu warnen und entschlossene Maßnahmen der Industriestaaten anmahnen.

Doch ihre Appelle verhallen weitgehend ungehört - ebenso wie jener des Portugiesen António Guterres im November 2023.

"Ich bin hier im Himalaya, wo die Gletscher in Rekordausmaß schmelzen. Wie in Grönland. Wie in der Antarktis. Die Meeresspiegel steigen", sagte der UN-Generalsekretär damals bei einem Besuch des Everest-Gebiets in Nepal. "Hier sehen wir Überschwemmungen, wir sehen Erdrutsche, wir sehen Gemeinden, die dramatisch betroffen sind. Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen."

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