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PolitikUkraine

Aktuell: Lawrow drängt auf "neue Weltordnung"

7. April 2023

Russland hält Friedensgespräche zur Beilegung des Ukraine-Kriegs nur im Zuge einer "neuen Weltordnung" für möglich - ohne eine Vorherrschaft der USA. Ein Überblick.

Türkei Ankara | Russischer Außenminister Lawrow
Russlands Außenminister Lawrow hält sich derzeit zu einem Besuch in der Türkei aufBild: Valeriy Sharifulin/Sputnik/IMAGO

 

Das Wichtigste im Überblick:

  • Russland will neue Weltordnung vor Friedensgesprächen
  • Lage in Bachmut spitzt sich zu
  • US-Reporter der Spionage angeklagt 
  • Kiew nennt Geheimdokumente zur Frühjahrsoffensive Fälschung 
  • 25 Jahre Haft gegen russischen Oppositionellen Kara-Mursa beantragt

 

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hält Friedensgespräche zur Beilegung des Ukraine-Kriegs nur im Zuge einer "neuen Weltordnung" ohne eine Vorherrschaft der USA für möglich. Verhandlungen müssten auf der Berücksichtigung russischer Interessen basieren, sagte er bei einem Besuch in der Türkei. "Es geht um die Prinzipien, auf denen die neue Weltordnung basieren wird."

Lawrow drohte zudem mit einem Ausstieg Russlands aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine. "Wenn es keine Fortschritte bei der Beseitigung der Hindernisse für russische Düngemittel- und Getreideexporte gibt, dann werden wir uns fragen, ob dieses Abkommen notwendig ist", sagte er. Das Abkommen erlaubt es Russland, trotz Sanktionen Dünger und Lebensmittel zu exportieren. Die Regierung in Moskau hatte wiederholt beklagt, diese Vereinbarung werde nicht respektiert.

Russland hatte sich im März nur dazu bereiterklärt, das von Moskau und Kiew unterzeichnete Getreideabkommen um 60 Tage und nicht wie zuvor um 120 Tage zu verlängern. Das Getreideabkommen war unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen zustandegekommen und steht daher bei Lawrows Besuch in Ankara auf der Tagesordnung. Der russische Außenminister traf dort mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu zusammen. Außerdem steht ein Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf seinem Programm. 

Ukraine spricht von schwieriger Lage in Bachmut 

Die Lage in der umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut ist nach Angaben des ukrainischen Militärs schwierig. Die ukrainischen Truppen hielten aber trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der russischen Einheiten durch, sagte der Sprecher des ukrainischen Militärkommandos Ost, Serhij Tscherewatji, der Nachrichtenagentur Reuters.

Die russischen Truppen konzentrierten alle Kräfte darauf, die Stadt einzunehmen. Die Ukraine kontrolliere die Lage. An einigen Stellen verzeichne Russland taktische Erfolge, aber es zahle einen hohen Preis dafür, sagte Tscherewatji.

London sieht Geländegewinne auf russischer Seite

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste haben russische Truppen in der umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut in den vergangenen Tagen Geländegewinne erzielt. Die Russen seien nun mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Stadtzentrum der ostukrainischen Stadt vorgedrungen und hätten das Westufer des Flusses Bachmutka eingenommen, heißt es im Bericht des britischen Verteidigungsministeriums.

Für die Ukrainer sei damit wohl ein wichtiger Transportweg für die Versorgung erheblich gefährdet. Nachdem die Russen seit Ende März kaum vorangekommen seien, habe Moskau seine Präsenz in dem betroffenen Gebiet deutlich verstärkt und setzte wieder mehr Artillerie ein, so die Briten. Die Regierung in London hält es auch für möglich, dass sich Spannungen zwischen regulären russischen Streitkräften und den für Moskau kämpfenden Wagner-Söldnern gelegt haben und beide Seiten wieder erfolgreicher kooperieren.

Ukrainische Soldaten an der Front bei BachmutBild: Diego Herrera Carcedo/AA/picture alliance

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine veröffentlicht das britische Verteidigungsministerium täglich Updates zum Kriegsverlauf. Unter Berufung auf Geheimdienstinformationen will die britische Regierung damit sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor. 

WSJ-Journalist der Spionage angeklagt

Der in Russland wegen Spionage für Washington inhaftierte US-Journalist Evan Gershkovich ist offiziell angeklagt worden. Dies meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Gershkovich habe die Vorwürfe des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB "kategorisch" zurückgewiesen und betont, er sei lediglich als Journalist in Russland. Der Fall des 31-Jährigen ist als "streng geheim" eingestuft. Ihm drohen 20 Jahre Haft.

Evan Gershkovich im Juli 2021Bild: Dimitar Dilkoff/AFP

Der Reporter des "Wall Street Journal" (WSJ) in Moskau war laut dem FSB in der vergangenen Woche in Jekaterinburg festgenommen worden. Die Stadt liegt 1800 Kilometer östlich von Moskau.

Ukraine setzt Getreideexport nach Polen aus

Weil unkontrollierter Export die Preise verdorben hat, haben sich Warschau und Kiew auf eine Aussetzung der Ausfuhren bestimmter Getreidesorten und Ölsaaten nach Polen geeinigt. Bis zur nächsten Erntezeit setze die Ukraine den Export von Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen in sein Land aus, teilte der neue polnische Landwirtschaftsminister Robert Telus mit. Ein Transit dieser Güter durch Polen sei hingegen weiterhin möglich, werde aber "sehr genau kontrolliert", Sein ukrainischer Kollege Mykola Solsky erklärte, im Laufe der kommenden Woche würden die genauen Modalitäten zur Begrenzung der Exporte vereinbart.

Polens neuer Landwirtschaftsminister Robert Telus versucht direkt zu Beginn seiner Amtszeit ein großes Problem zu lösen Bild: PAP/picture alliance

Infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werden weniger landwirtschaftliche Produkte auf dem Seeweg exportiert. Stattdessen gelangt besonders viel Getreide aus der Ukraine über den Landweg in ihre europäischen Nachbarländer. Obwohl die Agrargüter eigentlich in andere Regionen weiter exportiert werden sollen, bleiben sie oft in den Nachbarländern und sorgen dort für volle Silos und deutlich sinkende Preise. Das treibt wiederum Polens Bauern auf die Barrikaden. Sie organisierten landesweite Proteste und drohten mit der Blockade der Grenzübergänge. Telus' Vorgänger war deshalb am Mittwoch zurückgetreten.

Selenskyj betont Bedeutung von Staatsbesuchen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte nach der Rückkehr von seinem Staatsbesuch in Polen die Bedeutung der Diplomatie. Treffen mit anderen Regierungschefs seien für die Sicherheit seines Landes und die Unterstützung des Widerstandes gegen Russland wichtig. Selenskyj wörtlich: "Die Verteidigung und der Schutz unseres Volkes, die Unterstützung unserer Widerstandsfähigkeit, insbesondere unserer Soldaten, ist das Thema Nummer eins bei allen Verhandlungen und Treffen".

Zurück in Kiew: Präsident Wolodymyr Selenskyj wendet sich an die Ukraine und die WeltBild: The Presidential Office of Ukraine/Sven Simon/picture alliance

Es gehe stets, wie am Vortag in Polen, um Verteidigung: Waffen für die Ukraine, Munition für die Ukraine, neue Verteidigungssysteme für die Ukraine. "Und ich danke Polen und unseren Partnern dafür, dass dieser Besuch wirklich sinnvoll war." Polen gilt nach den USA als einer der größten Unterstützer der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland.

Ukraine plant Frühjahrsoffensive im kleinsten Kreis

Die Pläne für die erwartete ukrainische Offensive zur Rückeroberung der russisch besetzten Gebiete sind aktuell nur ganz wenigen Menschen in Kiew bekannt. Der Kreis sei auf "höchstens drei bis fünf Personen" beschränkt, sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Olexij Danilow, in einem Rundfunkinterview. "Die Information darüber, wo, wann und wie die eine oder andere Aktion auf dem Territorium unseres Planeten beginnt, ist einem sehr kleinen Kreis vorbehalten."

Sollte es die eine oder andere Erklärung zu der Offensive geben, müsse dies nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, sagte Danilow. "Wann bestimmte militärische Aktionen beginnen werden, bestimmte militärische Operationen - das sind Informationen für eine sehr begrenzte Anzahl von Menschen." Die Ukrainer würden schon erkennen, "wann es denn losgeht". Danilow deutete an, dass die Planungen für den Großangriff bereits abgeschlossen seien. "Behalten Sie dies im Hinterkopf", sagte er.

In der nächsten Zeit wird die sogenannte Frühjahrsoffensive der ukrainischen Streitkräfte erwartet, die zuletzt mit schweren Waffen und Panzern aus dem Westen aufgerüstet wurden. Erwartet wird ein Vorstoß zur Küstenstadt Melitopol, um die russischen Truppen zu spalten. Das russische Militär hat in den vergangenen Monaten seine Abwehrstellungen massiv verstärkt und ausgebaut, um den erwarteten Angriff abzuwehren.

Kiew spricht von Fälschung

Die Ukraine hat angebliche US-Geheimdokumente über Vorbereitungen für eine Gegenoffensive im Krieg gegen Russland als russische Fälschung bezeichnet. "Seit dem Zusammenbruch der UdSSR sind die Geheimdienste so weit heruntergekommen, dass sie sich nur mit Photoshop und 'gefälschten Informationsabflüssen' rehabilitieren können", schrieb Präsidentenberater Mychajlo Podoljak im
Kurznachrichtendienst Twitter. Moskau ziele darauf ab, die ukrainische Gegenoffensive zu stören. Die tatsächlichen ukrainischen Pläne würden bald vor Ort zu sehen sein.

Die "New York Times" hatte zuvor über im Internet zirkulierende Dokumente berichtet, nach denen die ukrainischen Vorbereitungen für einen Gegenangriff am 30. April abgeschlossen sein sollten. Kiew solle bis zu 60.000 Soldaten mit mehr als 250 Panzern und mehr als 350 gepanzerten Fahrzeugen bereit gestellt haben. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen seit mehr als 13 Monaten. Russland kontrolliert einschließlich der 2014 annektierten Halbinsel Krim rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets.

Republik Moldau sichert sich Erdgas aus Griechenland

Das kleine und arme Land, das im Osten an die Ukraine und im Westen an das EU- und NATO-Mitglied Rumänien grenzt, unterzeichnete ein Rahmenabkommen mit dem griechischen Staatsunternehmen DEPA Commercial, wie der staatliche Versorger Energocom aus Moldau mitteilt. Moldau war fast ausschließlich vom russischen Gaskonzern Gazprom für Gasimporte und Energie abhängig. Die Erdgaslieferungen führten zu häufigen Streitigkeiten zwischen Moldau und Russland. Im vergangenen Monat hatte Moldau sich aufgrund von Krediten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung europäische Lieferungen sichern können.

Hintergründe der Nord-Stream-Explosionen weiter unklar

Seit der Zerstörung mehrerer Stränge der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee wird gerätselt, wer hinter den Explosionen steckt. Auch eine schwedische Untersuchung hat bisher kein Ergebnis gebracht. Es sei "immer noch unklar", wer dafür verantwortlich sei, sagte der mit der Untersuchung betraute Staatsanwalt Mats Ljungqvist. "Es ist ein schwieriger Fall, es ist ein komplexer Fall", fügte er hinzu.

Nach Angaben Schwedens steckt Sabotage hinter dem Vorfall. Sprengstoffreste seien nachgewiesen. Die Stockholmer Staatsanwaltschaft gehe davon aus, "dass ein Staat dahintersteckt", erklärte Ljungqvist.

Leck an einer Nord Stream Pipeline bei Bornholm im September: Gasblasen an der MeeresoberflächeBild: Danish Defence Command/AP/picture alliance

Insgesamt vier Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Nord-Stream-Pipelines gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas.

25 Jahre Haft gegen Kara-Mursa beantragt

Die russische Staatsanwaltschaft hat für den angeklagten Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa 25 Jahre Haft wegen Hochverrats gefordert. Das erklärte sein Anwalt nach einer nicht öffentlichen gerichtlichen Anhörung. Kara-Mursa werden demnach in dem Verfahren neben Hochverrat auch die Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee sowie die illegale Arbeit für eine sogenannte unerwünschte Organisation vorgeworfen.

Wladimir Kara-Mursa vor Gericht (Archivbild)Bild: Anton Novoderezhkin/Tass/picture alliance

Der Politiker und Journalist gehört zu den schärfsten Kritikern von Präsident Wladimir Putin und hatte auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt. Kara-Mursa sitzt seit April 2022 in Untersuchungshaft. Der Gesundheitszustand des 41-Jährigen hat sich nach Angaben seines Anwalts im Gefängnis verschlechtert. Sein Mandant leide an einer Nervenkrankheit, die durch zwei Vergiftungsversuche ausgelöst wurde und habe inzwischen 17 Kilogramm an Gewicht verloren.

BKA meldet rund 6000 Straftaten

In Deutschland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine einem Medienbericht zufolge rund 6000 Straftaten im Zusammenhang damit registriert worden. Wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" unter Berufung auf das Bundeskriminalamt (BKA) berichtet, richteten sich die Straftaten in den ersten beiden Kriegswochen zum Großteil gegen Russland. In den vergangenen Monaten hätten jedoch Straftaten mit einer "anti-ukrainischen Intention" überwogen.

Das Bundeskriminalamt spricht von Straftaten mit vorwiegend "anti-ukrainischer Intention"Bild: Arne Dedert/dpa/picture-alliance

Zu den verzeichneten Delikten zählen den Angaben nach Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Bedrohungen, aber auch körperliche Übergriffe. Mehr als ein Drittel aller Taten sei bereits in den ersten 13 Kriegswochen registriert worden - also im Zeitraum vom 24. Februar 2022 bis Ende Mai 2022.

qu/cw/AR/haz/sti/se (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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