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PolitikEuropa

Nächster Schritt Richtung Elysée?

Andreas Noll
18. Juni 2021

Gut zehn Monate vor der Präsidentenwahl in Frankreich kämpft Marine Le Pen für einen symbolträchtigen Erfolg. Im Südosten des Landes könnte ihre extrem rechte Partei erstmals die Regierung einer ganzen Region übernehmen.

Frankreich Wahlkampf | Marine Le Pen
Seit zehn Jahren an der Spitze der Rechtspopulisten: Marine Le Pen Bild: Alexandre Marchi/MAXPPP/dpa/picture alliance

Für den Rassemblement National (RN) läuft es gut in den Umfragen. Das Meinungsforschungsinstitut Ifop hat die Partei von Marine Le Pen wenige Tage vor den Regionalwahlen zum Spitzenreiter in der 5-Millionen-Einwohner-Region Paca (Provence-Alpes-Côte d'Azur) in Südostfrankreich gekürt: In jeder aktuell denkbaren Konstellation für die Stichwahl Ende Juni würden demnach die Rechtspopulisten derzeit die Wahl für sich entscheiden und den nächsten Regionalpräsidenten stellen.

Amtierender Regionalpräsident Renaud Muselier von LR: Muss er einem RN-Politiker weichen?Bild: Nicolas Tucat/AFP

Bei den Wahlen vor sechs Jahren war Le Pens Nichte Marion Maréchal in Südfrankreich noch knapp gescheitert. Die Mitte-links-Liste hatte sich im zweiten Wahlgang zurückgezogen und damit den Konservativen den Sieg über die damals noch als "Front National" firmierenden Partei ermöglicht. Doch selbst dieser "Republikanische Block", die Allianz aller anderen Parteien gegen Le Pen, könnte heute laut aktuellen Umfragen nicht mehr den Wahlsieg der extrem Rechten verhindern.

Von der Provinz nach Paris

Für Frankreich wäre eine Region unter RN-Führung ein weiterer politischer Einschnitt. Bislang war es der Partei lediglich gelungen, einige Provinz-Rathäuser zu erobern, aber keine Regierung in einer der 13 Regionen. Doch nicht nur am Mittelmeer hat sich der RN über die Jahre eine stabile Wählerbasis erarbeitet. Auch in Nordfrankreich, in der auch das Elsass umfassenden Region "Grand Est" sowie weiteren kleineren Regionen kämpft der RN um den Spitzenplatz.

"Tour de France": Auch Präsident Emmanuel Macron bereist die Provinz und startet in den VorwahlkampfBild: Patrick Bernard/abaca/picture alliance

Kein Wunder also, dass Parteichefin Marine Le Pen die Regionalwahlen als Sprungbrett für den Griff nach dem Präsidentenamt deklariert. Im Mai 2017 war Le Pen in der Stichwahl dem heutigen Amtsinhaber Emmanuel Macron unterlegen. Im nächsten Anlauf will die 52-Jährige triumphieren. Dafür will sie neue Wählerschichten erschließen. Nachdem die Partei im Arbeitermilieu schon lange erfolgreich ist, schielt Le Pen nun immer stärker auch auf das bürgerlich-konservativen Lager. Deshalb hat sie der 1972 von ihrem Vater Jean-Marie gegründeten Partei nicht nur einen neuen Namen verpasst, sondern auch einen veränderten programmatischen Anstrich. Die Forderungen nach einem Austritt aus der Gemeinschaftswährung Euro und aus der Europäischen Union sind verschwunden.

Innere Sicherheit als Wahlkampfthema

Während Le Pen in Europa-Fragen eine Kurskorrektur eingeschlagen hat, bleibt das Kernthema der Partei weiterhin die Innere Sicherheit - auch im Regionalwahlkampf. Zwar entscheidet die Region in Frankreich vor allem über Raumplanung, Regionalverkehr oder Schulfragen, doch das hindert den RN und andere Parteien nicht daran, dieses Thema ins Zentrum ihrer Wahlkampagnen zu stellen. Der frühere Parteivorsitzende der Sarkozy-Partei Les Républicains (LR), Laurent Wauquiez, kämpft um die Wiederwahl als Regionalpräsident der Region Auvergne-Rhône-Alpes mit der Forderung nach einem "Videoüberwachungs-Schutzschild" und dem Streichen von staatlichen Zuwendungen für Eltern von straffällig gewordenen Minderjährigen. Auch spezielle Sicherheitsagenten für Schulen, wie es sie schon in der Hauptstadtregion gibt, will er einführen. Sie sollen die Umgebung der Schulen sicherer machen.

Wahlkampf mit Masken: Auch die Sorge vor Corona könnte die Wahlbeteiligung drückenBild: Nicolas Tucat/AFP

Obwohl allgemein mit einer geringen Wahlbeteiligung am kommenden Wochenende gerechnet wird, sehen Beobachter die Wahlen als Testlauf für die Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr. Seit Wochen deuten alle Umfragen auf eine Neuauflage des Duells Macron-Le Pen hin, aber in den verbleibenden zehn Monaten sind Überraschungen nicht ausgeschlossen. Zumal die früher dominierenden Konservativen und Sozialisten ihre Spitzenkandidaten noch nicht benannt haben. Hier dürften vor allem Bewerber gute Chancen haben, die bei den Regionalwahlen erfolgreich abschneiden.

Veränderte Parteienlandschaft

Doch die Frankreichs alte Parteienlandschaft liegt am Boden: Die etablierten Parteien sind auch vier Jahre nach dem Wahlsieg Macrons weit entfernt von ihrer früheren Stärke. Mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, zeigt die Côte d'Azur: Im Stammland des RN haben die Rechtspopulisten mit Thierry Mariani einen Spitzenkandidaten aufgestellt, der bis 2019 noch selbst Teil des bürgerlichen Lagers war. Mariani saß unter dem konservativen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy am Kabinettstisch und wurde von ihm 2010 als Spitzenkandidat für die Paca-Region ins Rennen geschickt. Vor zwei Jahren wechselte der heute 62-Jährige dann in das Lager Le Pens und sitzt seitdem für den Rassemblement National im Europaparlament.

Von Sarkozy zu Le Pen: Thierry Mariani hat gute Aussichten, erster Regionalpräsident des RN zu werdenBild: Imago

Bis heute erfährt Mariani aus der Sarkozy-Partei Unterstützung - auch wenn Les Républicains mit dem amtierenden Regionalpräsidenten Renaud Muselier ins Rennen geht. In der nationalen Politik spielt die Partei, die in den vergangenen 20 Jahren mit Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy immerhin zwei Staatspräsidenten gestellt hat, aber weiterhin eine untergeordnete Rolle. Und auch die Selbstzerfleischung, die nach dem Wahlsieg Macrons begonnen hatte, geht weiter. Als Muselier vor wenigen Wochen für die Regionalwahlen einer gemeinsamen Liste mit der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) zustimmte, verließen einflussreiche Politiker die Konservativen. Marine Le Pen dürfte auch diesen Streit mit großer Genugtuung verfolgt haben.

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