1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Schulterschluss: Le Pen, Wilders, Petry

21. Januar 2017

Führende europäische Rechtspopulisten bekräftigen in Koblenz ihren Machtanspruch. 2017 werde das "Jahr der Befreiung". Unter dem Motto "Koblenz bleibt bunt" demonstrieren Tausende dagegen. Aus Koblenz Sabine Kinkartz.

ENF Tagung in Koblenz
Bild: Reuters/W.Rattay

Es ist kalt an diesem sonnigen Samstag in Koblenz. Sehr kalt. Draußen frieren die Demonstranten aufgrund eisiger Temperaturen, drinnen in der Rhein-Mosel-Halle ist es die Siegesgewissheit der Rechtspopulisten, die einen frösteln lässt. "In Koblenz versammeln sich die Spitzenpolitiker des neuen Europa. Sie stehen kurz davor, in ihren Ländern die Regierungsverantwortung zu übernehmen", hatte die Einladung der ENF, der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" im Europaparlament, unbescheiden angekündigt.

Blaue Lichtblitze und weiße Spots begleiten die Chefin der rechtsextremen französischen Partei Front National, Marine Le Pen, den Vorsitzenden der niederländischen Freiheitspartei (PVV), Geert Wilders, den Chef der italienischen Lega Nord, Matteo Salvini, und natürlich Frauke Petry, Vorsitzende der AfD, der Alternative für Deutschland, als sie mit pompöser Musikuntermalung in den großen Saal der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz einziehen. 800 Zuschauer stehen, klatschen und jubeln.

Demonstranten singen die "Ode an die Freude"

Organisiert hatte das Treffen Petrys Ehemann Markus Pretzell, Mitglied der ENF im Europaparlament und AfD-Vorsitzender von Nordrhein-Westfalen. Die Familie sei groß geworden, sagt Pretzell zur Kongress-Eröffnung und lächelt süffisant. "Größer, als es denjenigen, die da draußen laut in der Kälte schreien, lieb ist." Gemeint sind rund 5.000 Demonstranten, die unter dem Motto "Koblenz bleibt bunt" vor der Kongress-Halle den Text der Europahymne "Ode an die Freude" singen. Es sind viel mehr Demonstranten gekommen als gedacht, unter ihnen auch zahlreiche prominente Politiker aus der Landes- und Bundespolitik.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) fordert zum Widerspruch gegen rechte Thesen auf. Die Menschen sollten aufstehen für ein freiheitliches und friedfertiges Europa und widersprechen, wenn an Stammtischen oder anderswo rechtspopulistisch argumentiert werde. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn betont, er wende sich gegen ein "braunes Europa". Minderheiten seien in einer Gesellschaft eine Bereicherung und keine Last.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter will weder Koblenz noch Deutschland noch Europa den Rechtspopulisten überlassen und spricht von einer "Kampfansage an die Demokratie". Dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geht es darum, das zu bewahren, was die vorherigen Generationen aufgebaut hätten.

Bild: picture alliance/dpa/B. Roessler

Kritische Journalisten ausgesperrt

Die Rechtspopulisten ficht der Protest nicht an. Im Gegenteil. Auch die Journalisten bekommen ihr Fett weg. 365 seien anwesend, da könne man doch nicht sagen, es sei keine Presse zugelassen, so Pretzell. Wie auf Kommando startet im Saal der Ruf "Lügenpresse, Lügenpresse". Dass der größte Teil der akkreditierten Journalisten aus dem Ausland angereist ist, sagt der AfD-Politiker nicht. Von den deutschen Medien hatte er schon im Vorfeld des Kongresses fast alle öffentlich-rechtlichen ausgeschlossen, außerdem kritische Berichterstatter einiger Zeitungen und Magazine.

Pretzell wettert gegen die EU und pocht auf ein Europa der Nationalstaaten. Es gebe unterschiedliche Bedingungen in den Nationen und denen müsse man gerecht werden. Frankreich habe andere ökonomische Interessen und eine andere soziale Struktur als Deutschland, Italien, Spanien oder Griechenland. "Wir müssen bestimmte Schritte, die zu weit gegangen sind, wieder zurückdrehen und die Lösung des Problems sitzt in diesem Saal", ruft Pretzell und zeigt auf Le Pen, Wilders und Petry in der ersten Reihe. "Unsere europäischen Freunde haben lange darauf gewartet, dass sich in Deutschland etwas tut." Wieder wird der Saal laut, viele skandieren: "Merkel muss weg, Merkel muss weg!"

Le Pen: "Schlag gegen die alte Ordnung"

Auf Pretzell folgt Marine Le Pen und hält sich nicht lange mit Floskeln auf. "Wir erleben das Ende einer Welt und die Geburt einer neuen", sagt die Französin. Der erste "richtige Schlag" gegen die alte Ordnung sei der Brexit gewesen, der zweite die Wahl von Donald Trump. "2017 wird das Jahr sein, in dem die Völker des europäischen Festlands erwachen, die Entwicklung ist unausweichlich." Der Aufstieg der Rechten sei die Antwort der Bürger auf ein "Diktat liberaler Eliten". Die EU bezeichnet Le Pen als "Tyrannei", die deutsche Flüchtlingspolitik als "alltägliche Katastrophe".

"Kultivierte Gemeinschaft": Matteo Salvini (l) und Geert Wilders (r) Bild: dpa

Der Niederländer Geert Wilders schlägt in die gleiche Kerbe wie Le Pen, konzentriert sich aber vor allem auf Islam und Zuwanderung. "Die Leute haben es satt, dass ihnen eine heile Welt der gleichen Kulturen vorgegaukelt wird." Blonde Frauen hätten mittlerweile Angst, ihr Haar zu zeigen. "Die Geschichte fordert uns auf, Europa zu retten. Wir sind die Hoffnungsträger der Menschen und wir werden sie nie enttäuschen." Es gebe jetzt Licht am Ende des Tunnels. "Dieser Saal voller deutscher Patrioten zeigt mir, dass Deutschland nicht verloren ist", so der Niederländer unter dem lauten Gejohle der Zuhörer. Sein angefügtes: "Frauke statt Angela" bringt den Saal zum Kochen.

Auch der Italiener Matteo Salvini und der Generalsekretär der österreichischen FPÖ, Harald Vilimsky, kommen in der Rhein-Mosel-Halle gut an. Er sei froh, vor so einer "kultivierten Gemeinschaft" reden zu dürfen, sagt Vilimsky und bringt die Sprache dann auf die Demonstranten vor der Halle, "die grölen, randalieren und zerstören und für diese Gesellschaft nichts Gutes im Sinn haben".

Marine Le Pen sieht der Österreicher dagegen bereits als französische Präsidentin und Frauke Petry als baldige Bundeskanzlerin. Sie seien "die Apologeten einer neuen Zeit, die jetzt heraufbricht", so Vilimsky. "Wenn sich einer mit unserer Frauke oder unserer Marine anlegt, legt er sich mit allen an und er wird merken, dass mit dieser Gemeinschaft nicht gut Kirschen essen ist."

Petry: Gegen "Gehirnwäsche" der Bürger

Die so hochgelobte Petry ergreift als letzte Rednerin an diesem Vormittag in Koblenz das Wort. Dem Saal mutet sie zunächst schwere Kost zu, redet von der "Freiheit in Europa" und der "Individualisierung des Menschen in einem demokratischen Kontext als europäische Idee". Die Zuhörer lauschen stumm, haben die weißen Plakate mit den Vornamen der Redner, die zuvor jubelnd in die Höhe gehalten wurden, auf den Schoß sinken lassen.

Für Trump und Brexit: Frauke Petry und Marine Le PanBild: dpa

Doch dann kommt Petry in Fahrt, unterstellt den Regierenden "Gehirnwäsche", die viel smarter daher komme, als die "sozialistische Propaganda" früher. "Technokraten und Sozial-Ingenieure" wollten "die Macht" über das "Gefühlsleben" der Menschen übernehmen, so Petry, die von "Sirenengesängen" über "Teilhabe" und "Diversity in einer one world community" redet. Europa müsse neu gedacht und neu gestaltet werden, ruft die AfD-Vorsitzende. Im Saal wird laut geklatscht, die "Frauke"-Plakate gehen in die Höhe.

Glückwünsche für Vorbild Trump

Wohl nicht ohne Grund ist der Kongress auf den Tag nach der Vereidigung von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten gelegt worden. Keiner der Redner versäumt es, Glückwünsche nach Washington zu schicken. Trump so scheint es, ist das große Vorbild der europäischen Rechtspopulisten. Was er geschafft hat, wollen auch sie in diesem Jahr erreichen: In ihren Ländern an die Macht zu kommen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen