Unbekümmert, variabel, torgefährlich: Die junge Stürmerin Lea Schüller gilt als Hoffnungsträgerin der DFB-Frauen bei der Weltmeisterschaft in Frankreich - und könnte für einen neuen Trend sorgen.
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Sie betritt immer zuerst mit dem linken Fuß den Platz - ein Ritual, wie viele Fußballer eins haben. Etwas auffälliger und ganz individuell sind dagegen ihre Schienbeinschoner, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hat: "Auf dem einen ist ein Löwe abgebildet, der Mut und Kampf symbolisiert", erzählt Lea Schüller bei einem Sponsoren-Termin. "Auf dem anderen ist eine Spielszene zu sehen, in der wir in der 90. Minute den Siegtreffer erzielt haben und wir uns alle in den Armen liegen."
Ein Bild, das die deutschen Fußballfans natürlich gerne am 7. Juli sehen würden - am WM-Finaltag in Lyon. Dass die diesjährige Weltmeisterschaft ausgerechnet in Frankreich stattfindet, ist für Lea Schüller ein lustiger Zufall. Schließlich hat die deutsche Nationalstürmerin in diesem Land ihre Leidenschaft für den Fußball entdeckt. "Ich habe 2004 im Frankreich-Urlaub die Europameisterschaft geschaut, und danach wollte ich unbedingt selber Fußball spielen. Also wurde ich in einem Verein angemeldet“, so die 21-Jährige.
Sieben Jahre war sie damals alt. Heute, 14 Jahre später, ist Lea Schüller Hoffnungsträgerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft bei dieser WM. "Die Lea ist eine Stürmerin, die nicht viele Torchancen braucht, um das Tor zu erzielen", erklärt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gegenüber der Deutschen Welle. "Sie ist eine Strafraumspielerin, die viele Fähigkeiten hat."
Ob wuchtiger Distanzschuss - so wie ihr Treffer gegen Österreich im vergangenen Jahr, der zum schönsten DFB-Tor des Jahres gekürt wurde - ob aus der Drehung mit feinem, linken Abschluss wie gegen Frankreich, oder ob mit dem Kopf wie gegen Tschechien: Die Spielerin des Bundesliga-Vierten SGS Essen ist sehr variabel. "Sie kann rechts wie links abschließen, sie hat einen guten Kopfball, durch ihre Größe hat sie gute körperliche Voraussetzungen und sie bringt eine gewisse Coolness mit, obwohl sie noch sehr jung ist", zählt Voss-Tecklenburg die Stärken der 1,73 Meter großen Stürmerin auf. "Sie hat einen sehr guten Zug zum Tor", lobt auch Horst Hrubesch, der die DFB-Frauen interimsweise im vergangenen Jahr betreut und zur WM geführt hatte.
Schult: "Auf dem Platz ist sie rotzfrech"
Acht Tore in 13 Länderspielen - so lautet bisher die beeindruckende Bilanz von Lea Schüller im DFB-Trikot. "Sie hat ein Riesenpotential" bescheinigt ihr die routinierte Nationalmannschaftskollegin Lena Goeßling. Und Torhüterin Almuth Schult meint: "Wir können uns auf das freuen, was noch kommt. Auf dem Platz ist sie rotzfrech."
Außerhalb des Rasens ist die Studentin des Wirtschaftsingenieurwesens eher zurückhaltend, bringt sich aber auf unterschiedlichste Weise in die Mannschaft ein. "Ich nehme keine bestimmte Rolle ein", sagt Schüller. "Ich kann lustig sein, aber auch fokussiert und versuche immer, mein Team zu unterstützen." Am besten tut sie dies natürlich mit ihren Toren. Die haben besonders beim letzten großen Turnier gefehlt, bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren in den Niederlanden, als für Deutschland überraschend bereits im Viertelfinale Schluss war. Lea Schüller war damals kurz vor EM-Beginn noch aus dem Kader gestrichen worden.
Voss: "Belastung steuern"
Diesmal, bei der WM, könnte nur noch eine Verletzung oder Erkrankung Lea Schüller von der Teilnahme an ihrem ersten großen, internationalen Turnier abhalten. "Lea muss in den nächsten Jahren an ihren physischen Faktoren arbeiten. Sie war jetzt viel verletzt", sagt Bundestrainer Voss-Tecklenburg und warnt. "Wenn du die körperlichen Voraussetzungen nicht hast, dann wird es schwer auf hohem Niveau ständig zu performen. Wir müssen sehen, dass wir in der Belastungsteuerung mit einer so jungen Spielerin auch sehr behutsam umgehen."
Frankreich, wir kommen: Der WM-Kader der deutschen Fußballfrauen
"Wir haben eine gute Mischung", sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg über ihren 23 Frauen starken Kader für die WM in Frankreich. Das Turnier beginnt am 7. Juni und endet mit dem Finale am 7. Juli.
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Tor: Almuth Schult
Seit sechs Jahren hütet die 28-Jährige das Tor des erfolgreichsten deutschen Frauenfußball-Klubs, VfL Wolfsburg. Seit 2015 ist sie auch die Nummer eins zwischen den Pfosten des Nationalteams, ein Jahr später wurde sie in Rio de Janeiro Olympiasiegerin. Mit 59 Einsätzen gehört sie zu den Erfahrenen in der DFB-Elf. Schult plagt aktuell eine Schulterverletzung.
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Tor: Merle Frohms
Die 24 Jahre alte Torfrau des Pokalfinalisten SC Freiburg ist hinter Schult die Nummer zwei. Auch beim VfL Wolfsburg stand sie lange im Schatten Schults - einer der Gründe, warum sie im Sommer 2018 nach sechs Jahren bei den "Wölfinnen" an die Dreisam wechselte. Frohms hat bisher vier Länderspiele bestritten.
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Tor: Laura Benkarth
Eine Goldmedaille hat die 26 Jahre alte Torfrau des FC Bayern bereits gewonnen - auch wenn Benkarth als Nummer zwei hinter Almuth Schult in Rio in keinem der sechs Spiele zum Einsatz kam. In der abgelaufenen Bundesliga-Saison kam sie nach langer Pause wegen eines Kreuzbandrisses erst Mitte April zu ihrem ersten Einsatz für die Bayern.
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Abwehr: Sara Doorsoun-Khajeh
Die Tochter eines Iraners und einer Türkin gehört zur Defensive des aktuellen Double-Gewinners, VfL Wolfsburg. Seit ihrem Debüt im März 2016 hat die 27 Jahre alte Verteidigerin 25 Länderspiele für Deutschland bestritten.
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Abwehr: Johanna Elsig
Die 26-jährige Verteidigerin steht seit 2012 bei Turbine Potsdam unter Vertrag. In ihrer Karriere hat sie einige gesundheitliche Schläge einstecken müssen. Zwei Kreuzbandrisse setzten sie lange außer Gefecht. Elsig gehört seit 2017 zum DFB-Kader und kommt auf zwölf Länderspieleinsätze.
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Abwehr: Lena Goeßling
Sie ist mit 33 Jahren die älteste und auch erfahrenste Spielerin des WM-Kaders. 105-mal trug Goeßling bisher das Nationaltrikot und erzielte dabei zehn Tore. Sie war bereits Olympiasiegerin (2016), Europameisterin (2013) - und hat mit ihrem aktuellen Verein, dem VfL Wolfsburg, alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
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Abwehr: Marina Hegering
Die 28-Jährige ist eine Spätberufene. Erst im vergangenen April gab die Verteidigerin des Bundesligisten SGS Essen im Testspiel gegen Schweden ihr Länderspieldebüt. Jahrelang hatte Hegering wegen einer hartnäckigen Fersenverletzung nicht spielen können.
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Abwehr: Leonie Maier
Die 26-Jährige gehört seit sechs Jahren zum Kreis der Nationalmannschaft. Schon mit 19 wurde sie Europameisterin. Die Verteidigerin, die 69 Länderspiele und zehn Tore für das DFB-Team auf dem Konto hat, spielte bisher beim FC Bayern, verlässt den Verein aber nach der Saison mit noch unbekanntem Ziel.
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Abwehr: Kathrin Hendrich
Die 27-Jährige, in Eupen im deutschsprachigen Teil Belgiens geboren, ist ebenfalls eine erfahrene Verteidigerin. Seit 2018 spielt sie für den FC Bayern, seit 2014 in der Nationalmannschaft, wo sie auf bisher 29 Einsätze und vier Länderspieltore zurückblickt.
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Abwehr: Giulia Gwinn
Die 19-Jährige ist eine von drei Spielerinnen des SC Freiburg im WM-Kader. Gwinn debütierte im November 2017 in der Nationalmannschaft und hat inzwischen acht Länderspiele bestritten. Einmal traf sie dabei ins gegnerische Netz.
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Abwehr: Carolin Simon
Die 26 Jahre alte Verteidigerin verließ 2018 die Bundesliga und heuerte beim französischen Spitzenklub Olympique Lyon an. Mit ihrem Verein gewann die Nationalspielerin, die bisher 16-mal das Trikot mit dem Adler trug und dabei drei Treffer beisteuerte, in dieser Saison das Triple aus Champions League, französischer Meisterschaft und nationalem Pokal.
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Mittelfeld: Linda Dallmann
In der Bundesliga spielte die 24-Jährige bisher für die SGS Essen, zur nächsten Saison wechselt sie zu Vizemeister FC Bayern. "Ich spiele jetzt seit acht Jahren Bundesliga", sagt Dallmann, "und ich möchte einmal den Titel gewinnen und die Schale hochhalten." Seit ihrem Länderspiel-Einstand im September 2016 trat sie 21-mal für die DFB-Elf an und traf fünfmal.
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Mittelfeld: Turid Knaak
Ihre erste Nominierung für das DFB-Team 2015 stand unter keinem guten Stern. Fünf Tage danach zog sie sich in einem Trainingsspiel einen Schien- und Wadenbeinbruch zu. Ihr Länderspieldebüt gab Knaak dann erst im April 2018. Insgesamt hat die 28-Jährige bisher achtmal das Nationaltrikot getragen und einmal getroffen. In der Bundesliga spielt sie für die SGS Essen.
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Mittelfeld: Melanie Leupolz
Seit fünf Jahren steht die Mittelfeldspielerin beim FC Bayern unter Vertrag. Im Juni 2013 debütierte sie in der Nationalmannschaft und wurde wenig später Europameisterin, 2016 auch Olympiasiegerin. 58 Länderspiele und acht Tore hat Leupolz bisher auf dem Konto.
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Mittelfeld: Lina Magull
Die 24-Jährige spielt ebenfalls beim Vizemeister aus München. In der Nationalelf brachte es Magull bisher auf 31 Länderspiele, bei denen sie sieben Treffer erzielte.
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Mittelfeld: Dzsenifer Marozsan
Geboren wurde die 27-Jährige in Ungarn. Als sie vier Jahre alt, zogen ihre Eltern nach Deutschland. Seit 2016 spielt Marozsan bei Europas Topklub Olympique Lyon, mit dem sie dreimal in Folge die Champions League gewann. Mit dem DFB-Team, in dem die Mittelfeldspielerin im Oktober 2010 debütierte und in 90 Spielen 32 Tore erzielte, wurde sie 2013 Europameisterin und 2016 Olympiasiegerin.
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Mittelfeld: Lena Sophie Oberdorf
Mit 17 Jahren ist die Mittelfeldspielerin der SGS Essen die Jüngste im deutschen Kader für die WM in Frankreich. Ihren Einstand im A-Nationalteam gab Oberdorf erst im vergangenen April, zwei weitere Länderspieleinsätze kamen dazu.
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Mittelfeld: Verena Schweers
Mit ihren 30 Jahren gehört Schweers zu den Routiniers im Team. Seit 2016 steht die Mittelfeldspielerin beim FC Bayern unter Vertrag. Ihr erstes Länderspiel bestritt Schweers im Oktober 2010. Seitdem kommt sie auf 44 Einsätze, bei denen sie drei Tore erzielte.
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Mittelfeld: Klara Bühl
Die 18-Jährige ist noch ganz frisch im Nationalteam. Ihren ersten Einsatz hatte Bühl im Februar 2019, als sie in der 90. Minute des Testspiels gegen Frankreich eingewechselt wurde. Ein weiteres Länderspiel kam noch hinzu. In der Bundesliga spielt sie für den SC Freiburg.
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Mittelfeld: Sara Däbritz
Nach der Saison wechselt die 24 Jahre alte Offensivspielerin vom FC Bayern ins WM-Gastgeberland Frankreich zu Paris St. Germain. Im DFB-Team, in dem Däbritz im Juni 2013 debütierte, traf sie in 60 Länderspielen zehnmal.
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Sturm: Svenja Huth
Auch Stürmerin Huth spielt nach der WM für einen neuen Verein. Die 28 Jahre alte Angreiferin wechselt von Turbine Potsdam zum Meister und DFB-Pokalsieger VfL Wolfsburg. Für die Nationalmannschaft hat sie seit 2011 44-mal gespielt und sieben Tore erzielt.
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Sturm: Alexandra Popp
Im Vergleich dazu ist Offensivspielerin Popp ein "alter Hase" in der DFB-Elf. Seit ihrem Einstand im Februar 2010 brachte sie es auf 96 Länderspieleinsätze, bei denen sie 46 Tore erzielte. 2016 wurde sie in Rio Olympiasiegerin. In der Bundesliga spielt die 28-Jährige seit sieben Jahren für Double-Gewinner VfL Wolfsburg.
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Sturm: Lea Schüller
Seit Oktober 2017 spielt die 21-Jährige für die Nationalmannschaft und traf in 13 Länderspielen achtmal. In der Bundesliga geht Schüller seit sechs Jahren für die SGS Essen auf Torejagd.
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Dahingehend ist Lea Schüller ihr Idol aus dem Männerfußball eine Mahnung: Borussia Dortmunds Kapitän und Nationalspieler Marco Reus, der die Weltmeisterschaften 2010 und 2014 und außerdem die EM 2016 wegen Verletzungen verpasste. "Ich mag seine Art und Weise zu spielen. Mit seinem Tempo, Tordrang und Torgefährlichkeit ist er ein Vorbild für mich."
Mit diesen Eigenschaften will auch Lea Schüller bei der WM überzeugen. Und somit dazu beitragen, dass Deutschland zum dritten Mal Weltmeister wird. Drei Sterne und die DFB-Frauen mit dem WM-Pokal - das wären doch zwei passende Vorlagen für ein neues Set individuell angefertiger Schienbeinschoner.