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Leben am Rande des Gazastreifens

Bettina Marx, Tel Aviv24. Juli 2005

Mitte August soll der israelische Abzug aus dem Gazastreifen beginnen. Der Protest gegen den Rückzug hält Israel seit Wochen in Atem. Wie erleben die direkten Nachbarn in Israel die Zeit des Umbruchs im Gazastreifen?

Jüdische Siedler protestieren gegen den AbzugBild: AP

Im Kibbuz Saad herrscht eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Hier ist nichts zu spüren von den wilden Demonstrationen gegen den geplanten Abzug aus dem Gazastreifen. Und dabei liegt Saad nur wenige Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt, an der Grenze zum Gazastreifen und damit fast im Auge des Sturms. Chaim Herzl, der als einziger seiner unmittelbaren Familie den Holocaust überlebte, ist seit 45 Jahren Mitglied des Kibbuz.

Leben im Kibbuz

Die Gemeinschaftssiedlung existiert seit dem Unabhängigkeitskrieg. Herzl ist 1960 dazugekommen. In der Hauptsache beschäftigen sich die Bewohner des Kibbuz, die Kibbuzim, immer noch mit Landwirtschaft. "Außerdem haben wir eine Fabrik, in der Polypropylen hergestellt wird. Es gibt bei uns die meisten landwirtschaftlichen Produkte wie Früchte, Gemüse, Kartoffeln und Milch. Wir haben 350 Milchkühe", erzählt Herzl.

Am Freitag bereitet man sich im Kibbuz Saad auf den Sabbat vor, den jüdischen Ruhetag, der am Abend beginnt. Chaim Herzl erwartet Besuch von zweien seiner sechs erwachsenen Kinder und ihren Familien. "Es ist immer wie ein Krieg, wenn die Enkel da sind", sagt er schmunzelnd. "Wenn sie am Samstagabend wieder abreisen, dann muss ich mich erst mal ausruhen."

Krieg in Sichtweite

Ganei-Tal-Siedlung im Gaza-StreifenBild: AP

Doch der richtige Krieg spielte sich in den vergangenen fünf Jahren nicht im Kibbuz, sondern jenseits der Grenze im Gazastreifen ab. Von Saad nach Gaza seien es nur wenige Kilometer, erklärt Chaim Herzl. "Wir schauen jetzt nach Westen. An einem klaren Tag kann man das Meer sehen. Dort ist die Stadt Gaza, diese Häuser dort. Das da ist Deir el Balach, Bet Hanoun, alle Mörsergranaten kommen von dieser Gegend. Und da hinten kann man in der Nacht die Lichter des Elektrizitätswerks von Ashkelon sehen. Die Stadt ist von hier 30 Kilometer entfernt."

Zukunftssorgen

Der Moschav Netiv Haasara liegt direkt an der Grenze zum Gazastreifen am Mittelmeer. Ein Moschav ist eine Gemeinschaftssiedlung, in der im Gegensatz zum Kibbuz jeder Moschavnik sein eigenes Haus bewohnt und seinen eigenen Betrieb führt. Eigentlich könnte er für die Bewohner der drei nördlichen Siedlungen im Gazastreifen eine neue Heimat bieten. Aber das Interesse halte sich in Grenzen, erzählt Aviva Gilad aus Netiv Haasara. Sie betreibt an der Straße nach Gaza ein Gartencenter. Aber an diesem heißen Tag wartet sie vergeblich auf Kundschaft. Vor ein paar Monaten habe sie Leute aus der Siedlung Nissanit gefragt, ob sie nicht ihr Haus kaufen wollten. "Aber sie sagten, sie hätten genug von den letzten vier schrecklichen Jahren. Sie hätten kein Interesse daran, nach Nativ Haasara zu ziehen", sagt Aviva Gilad.

Sie sieht voller Sorgen in die Zukunft. Denn ihrem Gartencenter droht das Aus. Ihre besten Kunden waren die Siedler im Gazastreifen, die jetzt, so kurz vor dem Abzug, keine Pflanzen mehr kaufen. Aviva hat aber noch größere Angst vor dem, was danach kommen wird. Bereits jetzt hat der Beschuss der israelischen Ortschaften am Rand des Gazastreifens zugenommen. Vor einer Woche schlug in Netiv Haasara, direkt neben dem Haus von Aviva Gilad und ihrer Familie, eine Kassam-Rakete ein. Eine junge Frau wurde dabei getötet.

Gefechte im Gaza-StreifenBild: AP

"Wenn es keine Ruhe gibt, dann werden wir gehen. Ich bin sogar bereit, einfach das Haus abzuschließen und zu verschwinden. Ich will kein Risiko eingehen, ich habe eine Familie, ich habe zwei Kinder, und Besitz ist nicht wichtig", sagt Aviva Gilad.

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