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Migranten-Hip-Hop

Marita Berg24. April 2014

Seit den 70er Jahren hat Hip-Hop eine rasante Entwicklung genommen: Aus der New Yorker Subkultur unterprivilegierter Jugendlicher wurde eine weltweite Bewegung - in Deutschland auch eine Kultur der Migrantenkinder.

Breakdance-Wettbewerb in Hamburg
Breakdance-Wettbewerb in HamburgBild: altonale GmbH

Hip-Hop entstand Anfang der 1970er Jahre in den New Yorker Stadtteilen Brooklyn, Harlem und South Bronx - vor allem unter jungen Afroamerikanern und Latinos. Drogen, Kriminalität und Gewalt standen in ihren Gangs auf der Tagesordnung. Ausgeschlossen von der "weißen" Disco-Kultur, entwickelten jugendliche Gangmitglieder ihre eigenen Partys - mit einem multimedialen Konzept. "DJs" legten Platten auf, "MCs" - die Masters of Ceremony - sprachen Reime dazu, "B-Boys" - die Breakdancer - kreierten Tänze und die "Writer" - Graffitisprayer - bemalten Häuser und Wände. Mit dem Hip-Hop hatten die Kids nicht nur ihre Party-Kultur gefunden, sondern auch ihre Identität: Statt blutige Straßenkämpfe auszutragen, thematisierten sie eigene Probleme in ihren Songs und etablierten in den New Yorker Ghetto-Bezirken regelrechte Hip-Hop-Wettbewerbe.

"Fremd im eigenen Land"

Der Trend schwappte ins Ausland. Anfang der 1980er-Jahre kam die erste englischsprachige Hip-Hop-Welle aus den USA auch nach Deutschland. In Jugendzentren gab es die ersten Hip-Hop-Partys und Wettbewerbe, zu denen schon Rapper, Sprayer und Breaker aus der ganzen Republik anreisten. Deutsche Texte waren damals "oldschool", wie die Szene sagte. Altmodisch.

Der Rapper Torch von "Advanced Chemistry"Bild: picture-alliance/dpa

Vorreiter wurde da die Heidelberger Band "Advanced Chemistry" mit ihrem Frontmann Rapper Torch: Seit Mitte der 1980er Jahre begeisterten die Kids ihre Fans mit deutschsprachigen Texten. Die Jungs thematisierten ihre Identität als Deutsche ausländischer Herkunft, den täglichen Rassismus, Armut und Arbeitslosigkeit: "Nicht anerkannt, fremd im eigenen Land / Kein Ausländer und doch ein Fremder."

Der deutschlandweite Durchbruch gelang den Heidelberger Rappern im Herbst 1992 mit der Veröffentlichung der Single "Fremd im eigenen Land" - kurz nach den gewaltsamen Übergriffen von Neonazis auf ein Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen im August 1992. Torch, damals 21 Jahre alt, erinnert sich an die Entstehung des Songs: "Noch während wir im Studio waren, gab es die rassistisch motivierten Anschläge in Rostock. Daraufhin haben wir im Studio den Nachrichtensprecher live aufgenommen und als Intro eingebaut."

"Fresh Familee" - "Ahmet Gündüz"

Mit "Fremd im eigenen Land" sprach "Advanced Chemistry" einer ganzen Generation von Deutschen ausländischer Herkunft aus der Seele. In der Folge gründeten Migranten, oft gemeinsam mit gebürtigen Deutschen, vor allem in den Großstädten zahlreiche Hip-Hop-Gruppen. Anders als bei kommerziellen Hip-Hoppern wie Puff Daddy oder den "Fantastischen Vier", ist Hip-Hop für sie die künstlerische Ausdrucksform, mit der sie politische Missstände und die soziale Ausgrenzung von Minderheiten ansprechen.

Tahir Cevik, Gründer von "Fresh Familee"Bild: picture-alliance/dpa

Fresh Familee" war eine erste solche Migranten-Hip-Hop-Gruppe. Sie wurde Anfang der 1990er von türkischen, marokkanischen und mazedonischen Jugendlichen um den Deutsch-Türken Tahir Cevik in Ratingen-West bei Düsseldorf gegründet. In ihren Liedern singen sie über Migrantenproblematik, Drogen, Gewalt und Kriminalität - Themen, mit denen die Bandmitglieder groß geworden sind. Bekannt wurde "Fresh Familee" besonders durch ihren Song "Ahmet Gündez". Darin lenkte Frontmann Tahir Cevik den Fokus auf die Problematik der zweiten Generation türkischer Einwanderer in Deutschland: "Du musse schon gut zuhören, ich kann nix sehr viel Deutsch / Ich komm von die Türkei, zwei Jahre her / Ich mich sehr gefreut, doch Leben hier ist schwer." "Fresh Familee" hat sich zwar Ende der 1990er Jahre aufgelöst, doch die Gruppe gilt bis heute als Wegbereiterin für eine bunte und äußerst vielseitige deutsche "Oriental Hip-Hop"-Szene. Namen wie Aziza A., Challa oder Kool Savas prägen inzwischen alle, die mit fetten Beats und deutschem Sprechgesang begeistern.

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