Deutsch lernen
10. Juni 2017Ein Blick auf die Statistik zeigt: die Zahl der Teilnehmer in Integrationskursen ist seit 2015 deutlich angestiegen. Wegen der Flüchtlingswelle wurden viele neue Berechtigungen ausgestellt – und viele neue Kurse angeboten, oft im Schnellverfahren. Doch der Spracherwerb ist für viele Geflüchtete eine große Herausforderung.
Seit 2005 gibt es die sogenannten Integrationskurse, die neben einem Orientierungskurs von 100 Stunden auch einen Sprachkurs umfassen. In rund 600 Stunden sollen Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen vermittelt werden. Das heißt: nach dem Kurs sollten die Teilnehmer eine langsam gesprochene Unterhaltung im Groben verstehen, sich in einfachen Sätzen mitteilen und Alltagstexte verstehen können.
Wer darf und wer muss an einem Integrationskurs teilnehmen? Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert: Asylbewerber und Geduldete waren bis 2015 von den Kursen ausgeschlossen, Voraussetzung für eine Teilnahme war eine Aufenthaltserlaubnis. Seit Oktober 2015 sind auch "Asylbewerber und Geduldete mit guter Bleibeperspektive" zugelassen. Das sind derzeit Menschen aus Syrien, Irak, Eritrea, Iran und Somalia.
Ist der Asylantrag bewilligt, ist der Kurs für Geflüchtete sogar Pflicht - sofern die Ausländerbehörde auch eine solche Teilnahme angeordnet hat. Angeboten werden die Kurse von Volkshochschulen, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen oder auch privaten Trägern an fast jedem Ort in Deutschland.
Abschlusstest für viele zu schwer
Die Anzahl der Menschen, die in den vergangenen Jahren einen Integrationskurs besucht haben, ist - parallel zur gewachsenen Zahl der Einwanderer - rasant angestiegen: Von 280.000 im Jahr 2015 auf rund 530.000 im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Berechtigungen. Auch die Anzahl der tatsächlichen Kursteilnehmer hat sich fast verdoppelt. Wie kommt die Differenz zwischen Berechtigungen und tatsächlicher Teilnehmerzahl zustande? Eine mögliche Erklärung: Nicht jeder, der berechtigt ist, einen Kurs zu besuchen, bekommt auch zeitnah einen Platz. Die Wartezeiten sollen kürzer werden. Ziel ist es, nach rund sechs Wochen Wartezeit einen Platz zu bekommen, so das BAMF.
Der Kurs schließt mit dem "Deutsch-Test für Zuwanderer" ab. Etwa 58 Prozent der Menschen erreichten 2016 dieses Ziel und damit etwas weniger als im Vorjahr mit knapp 60 Prozent. Besonders älteren Kursteilnehmern fällt das Erlernen der völlig neuen Sprache oft sehr schwer. So wie Qatneh aus Syrien, die vor gut zwei Jahren ihren Kindern, die schon länger in Sachsen leben, nachzog. In ihrer alten Heimat hat sie nie Lesen und Schreiben gelernt, deshalb fällt es ihr besonders schwer, dem Unterricht zu folgen. Auch für den Iraker Ali Alrubaye (erstes Bild) ist der Kurs nicht einfach. Er geht zwar jeden Tag in den Sprachunterricht, doch im Alltag kommt er kaum dazu, sein Wissen anzuwenden. Viele Mitbewohner in seiner Erstaufnahmeeinrichtung in Bonn stammen ebenfalls aus arabischsprachigen Ländern. Deutschsprachige Bekannte hat er nicht.
Wenige afghanische Teilnehmer
Die meisten Kursteilnehmer kommen aus Syrien, 2016 fast die Hälfte der Deutschkurs-Besucher. Fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Das heißt: Viele Syrer, die im Sommer und Herbst des Jahres 2015 gekommen sind, dürften erst 2016 einen Platz bekommen haben. An zweiter und dritter Stelle der Teilnehmer Iraker und Eritreer.
Auffällig ist: Auch EU-Bürger haben großes Interesse - vor allem Menschen aus Rumänien, Polen, Bulgarien und Italien. Sie haben zwar keinen Anspruch auf den Besuch, können aber mitmachen, wenn sie Deutsch lernen wollen und ausreichend Plätze vorhanden sind. Eine weitere Besonderheit: Obwohl rund 127.000 Afghanen 2016 einen Asylantrag gestellt haben und sie somit nach den Syrern die größte Gruppe der Asylsuchenden bilden, tauchen sie in den Statistiken der Integrationskurse kaum auf. Der Grund: Sie haben keine gute Bleibeperspektive und werden deshalb nachrangig behandelt. Läuft das Asylverfahren noch, haben sie keinen Anspruch auf einen Platz – obwohl viele von ihnen sicher Jahre hier leben werden und besonders viel Betreuung bräuchten, weil die Analphabetenquote in Teilen Afghanistan hoch ist. Laut Auswärtigem Amt liegt sie auf dem Land bei rund 90 Prozent.
Nachfrage enorm gestiegen
Wegen der hohen Nachfrage wurde die Zahl der Integrationskurse 2016 deutlich aufgestockt - um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt wurden rund 20.000 Kurse angeboten. Neben den Integrationskursen gibt es auch bundesweit von Ehrenamtlichen organisierte Deutschkurse in Schulen oder Gemeinden, Erzählcafés in Aufnahmeeinrichtungen oder Patenschaften. Geflüchtete Studierende können auch über das Bundesprogramm "Garantiefonds Hochschule" Deutschkurse belegen. Für Menschen, die nicht lesen und schreiben können, werden auch Alphabetisierungskurse angeboten.
Lesen Sie hier Teil 1: Angekommen
Lesen Sie hier Teil 3: Bildung und Schule
Lesen Sie hier Teil 4: Arbeit und Beruf
Lesen Sie hier Teil 5: Wer darf bleiben?