Weniger Abfall und besseres Kühlen hilft dem Klima und bekämpft Hunger. Aber jedes dritte Lebensmittel landet im Müll - das verursacht zehn Prozent aller CO2-Emissionen. Vor allem Industriestaaten verschwenden viel.
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Es passiert noch viel zu wenig, um die enormen Mengen an Lebensmitteln zu reduzieren, die derzeit verschwendet werden, warnen die Vereinten Nationen. 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel werden pro Jahr weggeworfen oder verrotten auf den Feldern. Das ist rund ein Drittel der gesamten Menge, die weltweit produziert wird. Zehn Prozent der Treibhausgasemissionen sind auf diese Lebensmittelverschwendung zurückführen.
Bislang hätten sich jedoch lediglich 36 Staaten in ihren nationalen Klimazielen (NDCs) dazu bereiterklärt, das Problem der Lebensmittelverschwendung anzugehen, sagt Haseeb Bakhtary. Er ist Experte für Nahrungssysteme bei der klimapolitischen Beratungsfirma Climate Focus.
Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030?
"Es wird jetzt definitiv mehr erkannt, welche entscheidende Rolle Nahrungsmittelverlust und ihre Verschwendung für den Klimawandel spielen," sagt Bakhtary der DW. "Aber bestimmte Länder ignorieren diese Klimalösung - vor allem die Industriestaaten im Norden, wo die Lebensmittelverschwendung eine der Hauptquellen der Treibhausgasemissionen ist."
Umweltgruppen, UN-Behörden und Klimaaktivisten kündigten auf der UN-Klimakonferenz an, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 halbieren zu wollen. Damit soll Unterpunkt 12.3 der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) wiederbelebt werden. Koordiniert vom UN-Umweltprogramm UNEP und der Welternährungsorganisation FAO sollen Staaten und die Privatwirtschaft neue, ambitioniertere Verpflichtungen eingehen, um den Anteil an Nahrungsmitteln, der es nicht auf unsere Teller schafft, zu reduzieren, und unvermeidbare Abfälle bestmöglich zu nutzen.
Vereinte Nationen: "Zeit, global zu handeln"
"Jetzt ist die Zeit, global zu handeln," sagt Sheila Aggarwal-Khan, Direktorin der Wirtschaftsabteilung der UNEP. Staaten, die bereits viel Erfahrung damit haben, Nahrungsmittelverschwendung zu reduzieren, sollten anderen Staaten helfen. "Firmen sollten ihre bewährten Methoden auf ihre globalen Tätigkeiten ausdehnen. Jeder einzelne von uns kann jetzt handeln, zuhause und bei der Arbeit."
Essen für die Tonne?
03:02
Der internationale Großkonzern Unilever hat bereits angekündigt, seine Nahrungsmittelverschwendung bis 2025 zu halbieren. Die Niederlande haben sich dazu verpflichtet, das 2030-Ziel mithilfe ihrer "Vom Bauernhof zur Gabel"-Strategie zu erreichen – ein zentraler Baustein des European Green Deal, der vorsieht, Verschwendung auf der Konsum- und Verkaufsebene zu reduzieren.
Mehr Kühlsysteme für Nahrung in Entwicklungsländern gefragt
Mangelnder Zugang zu Kühlsystemen und ineffiziente Kühlketten sind ein Hauptgrund von Lebensmittelverlusten in Entwicklungsländern. Sie führten 2017 zu 526 Millionen Tonnen Abfall - das waren 12 Prozent aller weltweit produzierten Nahrungsmittel, wie eine auf der Klimakonferenz vorgestellte gemeinsame Studie von UNEP und FAO zeigt. Gleichzeitig litten rund 811 Millionen Menschen an Hunger, obwohl genug Nahrung da wäre, so die Autoren.
Der Verlust durch mangelnde Kühlung führt zusätzlich zu rund zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Denn verrottende Nahrung stößt Methan aus, das verglichen mit Kohlenstoffdioxid (CO2) zwar deutlich kürzer in der Atmosphäre bleibt, aber die Atmosphäre um bis zu 80-mal stärker erwärmt als CO2.
Die Einrichtung besserer Kühlketten zeigten bereits erste Erfolge, wie etwa in Indien, wo die Verluste bei Kiwis um 76 Prozent reduziert werden konnten, seit vermehrt mit gekühlten Transporten gearbeitet wird, schreiben die UN-Autoren. In Nigeria half die Installation von 54 solarbetriebenen Kühlräumen rund 42.000 Tonnen Nahrung zu sichern. Dadurch verdoppelten sich laut Studie die Einkommen von Bauern, Verkäufern und Großhändlern.
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Verschwendung auch in Haushalten stoppen
"In einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft handeln muss, um die Klimakrise und Nahrungsmittelkrisen zu lösen, können nachhaltige Kühlketten einen großen Effekt haben," so UNEP-Direktorin Inger Andersen in einem Statement. "Sie erlauben uns, Nahrungsmittelverluste zu reduzieren, die Ernährungssicherheit zu verbessern, Treibhausgasemissionen abzuschwächen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, Armut zu bekämpfen und Widerstandsfähigkeit aufzubauen - alles auf einen Schlag."
Obwohl solche Erfolge Hoffnung machen, drängen die Delegierten die Regierungen dazu, stärkere Verpflichtungen einzugehen, um Verschwendung und Verluste nicht nur auf der Angebotsseite sondern auch auf Seiten der Nachfrage - also der Haushalte - zu stoppen. Vor allem in Industriestaaten wie den USA, wo bis zur Hälfte der Nahrungsmittel weggeworfen wird.
"Politischer Wille fehlt gegen Nahrungsmittelverschwendung"
Die Chancen für eine erfolgreiche Wiederbelebung des UN-Ziels, die Verschwendung bis 2030 zu halbieren, stehen jedoch laut der Nachrichtenagentur Reuters schlecht. Seit 2015 sei die Nahrungsmittelverschwendung in den Ländern, die am meisten verschwenden, wie den USA, Australien und Neuseeland, weiter gestiegen.
17 Ziele für die Zukunft
Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der UN sollen bis 2030 eine gerechtere, umweltfreundlichere Welt fördern und Hunger und Armut abschaffen. Der Aktionsplan wurde im Herbst 2015 auf dem UN-Gipfel verabschiedet.
Bild: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images
Ziel 1: Eine Welt ohne Armut
Bis 2030 soll kein Mensch mehr in extremer Armut leben müssen. Damit geht die Weltgemeinschaft weiter als in den alten Millenniumszielen, die bis 2015 lediglich eine Halbierung der extremen Armut als Ziel hatten. Als extrem arm definieren die UN Menschen, die von weniger als 2,15 US-Dollar am Tag leben müssen.
Bild: Daniel Garcia/AFP/Getty Images
Ziel 2: Eine Welt ohne Hunger
Derzeit haben rund 735 Millionen Menschen nicht genug zu essen, so die UN-Welternährungsorganisation FAO. Bis zum Jahr 2030 soll kein Mensch mehr unterernährt sein. Dabei soll nachhaltige Landwirtschaft eine größere Rolle spielen, Kleinbauern und ländliche Entwicklung sollen gefördert werden.
Bild: picture-alliance/dpa
Ziel 3: Gesundheit weltweit
Rund fünf Millionen Kinder jährlich sterben weltweit, bevor sie fünf Jahre alt sind. Weltweit stirbt alle zwei Minuten eine werdende Mutter während Schwangerschaft oder Entbindung. Bis 2030 soll jeder Mensch Zugang zu Gesundheitsvorsorge, bezahlbaren Medikamenten und Impfstoffen bekommen.
Bild: Maxwell Suuk/DW
Ziel 4: Ausbidlung für alle
Ob Mädchen oder Junge, ob reich oder arm: Bis 2030 soll jedes Kind eine Schulausbildung bekommen, die ihm einen späteren beruflichen Werdegang ermöglicht. Männer und Frauen sollen gleiche Bildungschancen haben, unabhängig von ethnischem oder sozialem Hintergrund und unabhängig von einer Behinderung.
Bild: DW
Ziel 5: Gleichberechtigung für Frauen
Frauen sollen gleichberechtigt am öffentlichen und politischen Leben teilnehmen können. Gewalt und Zwangsehen sollen der Vergangenheit angehören. Und weltweit sollen Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln und Familienplanung haben. Letzteres sorgt für Kritik aus religiösen Kreisen.
Bild: Alexandar Detev/DW
Ziel 6: Wasser als Menschenrecht
Rund zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Etwa 850 Millionen Menschen haben noch nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Bis 2030 sollen alle Menschen Zugang zu sauberem und bezahlbarem Trinkwasser und Sanitäranlagen bekommen. Wasserressourcen sollen nachhaltig genutzt werden.
Bild: DW
Ziel 7: Weltweite Energieversorung
Bis 2030 sollen alle Menschen Zugang zu Elektrizität und Energie haben, vorzugsweise aus erneuerbaren Energiequellen. Die globale Energieeffizienz soll verdoppelt, die Infrastruktur insbesondere in den ärmsten Ländern ausgebaut werden. Heute leben rund 675 Millionen Menschen ohne Stromversorgung.
Bild: Thomas Imo/photothek/picture alliance
Ziel 8: Faire Arbeit für alle
Faire und soziale Arbeitsbedingungen weltweit, Jobchancen für Jugendliche und eine nachhaltige globale Wirtschaft. Punkt acht der neuen Entwicklungsziele gilt für Industrie- wie Entwicklungsländer und beinhaltet auch ein Ende von Kinderarbeit und die Einhaltung internationaler Arbeitsnormen.
Bild: AFP/Getty Images
Ziel 9: Nachhaltige Infrastruktur
Eine bessere Infrastruktur soll eine wirtschaftliche Entwicklung fördern, von der alle profitieren können. Die Industrialisierung soll sozial und ökologisch nachhaltig sein, mehr und bessere Jobs schaffen und Innovationen fördern, die zur Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit beitragen.
Bild: imago/imagebroker
Ziel 10: Eine gerechte Verteilung
Laut UN entfallen auf nur ein Prozent der Weltbevölkerung rund zwei Drittel des wirtschaftlichen Wachstums. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Deshalb soll die internationale Entwicklungspolitik vor allem der ärmsten Hälfte der Bevölkerung und den ärmsten Ländern der Welt helfen.
Bild: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images
Ziel 11: Lebenswerte Städte
In den globalen Ballungszentren sollen Menschen- und umweltfreundliche Lebensräume mit bezahlbarem Wohnraum entstehen. Städte sollen nachhaltiger und grüner werden. Vor allem Entwicklungsländer sollen Unterstützung erhalten, um Städte gegen klimabedingte Naturkatastrophen widerstandsfähiger zu machen.
Bild: picture alliance/blickwinkel
Ziel 12: Nachhaltiger Konsum und Produktion
Recycling, Wiederverwertung der Ressourcen, Eindämmung der Müllmengen insbesondere in der Lebensmittelproduktion und beim Verbraucher: Alle stehen in der Verantwortung. Ressourcen sollen ökologisch und sozialverträglich abgebaut und eingesetzt werden und Subventionen für fossile Brennstoffe sollen auslaufen.
Bild: DW
Ziel 13: Klimawandel in den Griff bekommen
Die Notwendigkeit, sich global auf Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel zu verständigen, ist mittlerweile Konsens in der UN. Reichere Länder sollen ärmeren Ländern mit Technologie- und Finanztransfer unterstützen. Gleichzeitig sollen sie ihre eigenen Emissionen massiv senken.
Bild: AP
Ziel 14: Schutz der Weltmeere
Die Weltmeere stehen vor dem Kollaps. Maßnahmen gegen Überfischung, Zerstörung der Küstengebiete und der marinen Ökosysteme sollen durchgeführt, die Meeresverschmutzung durch Müll und Überdüngung deutlich abgebaut werden.
Bild: imago
Ziel 15: Stopp der Umweltzerstörung
Beim Schutz der Wassereinzugsgebiete, der Wälder und der Biodiversität wird den UN-Mitgliedstaaten dringend dazu geraten, die umfassende Umweltzerstörung aufzuhalten. Land, Wald und Wasserquellen sollen besser geschützt und der Umgang mit den natürlichen Ressourcen grundlegend geändert werden.
Bild: WILDLIFE/I.R.Lloyd/picture alliance
Ziel 16: Rechte und Gesetze durchsetzen
Alle Menschen sollen vor dem Gesetz gleich sein. Durch nationale Institutionen und internationale Zusammenarbeit sollen Gewalt, Terror, Korruption und organisierte Kriminalität effektiv bekämpft werden. Bis 2030 sollen alle Menschen gleichberechtigten Zugang zur Justiz erhalten.
Bild: imago/Paul von Stroheim
Ziel 17: Eine solidarische Zukunft
Wie bereits in den Millenniumszielen festgeschrieben, sollen die reichen Länder endlich 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die internationale Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen. Deutschland gibt bereits 0,73 Prozent für Entwicklungshilfe aus.
Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance
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Dass sich so wenige Länder bisher dazu bereiterklärt hätten, die Verschwendung von Nahrungsmitteln in ihre nationalen Klimaziele aufzunehmen, zeige einen mangelnden "politischen Willen", so Danielle Nierenberg, Mitbegründerin der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Food Tank. Dabei senke jede Maßnahme, die Nahrungsmittel vor dem Wegwerfen zu bewahre, sehr schnell und sehr deutlich bei der Reduzierung der Treibhausgase. Wenn Firmen, Konsumenten "und natürlich, wenn politische Entscheidungsträger und Regierungen sich dazu verpflichten," dann könnte der Wandel sehr schnell spürbar sein, sagte sie der DW.
Redaktionelle Mitarbeit: Tim Schauenberg
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.