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PolitikAfrika

Lebensmittelpreise in Afrika steigen rasant

Martina Schwikowski
13. Mai 2022

Die Hungerkrisen am Horn von Afrika und in Westafrika könnten drastisch zunehmen, warnen Hilfsorganisationen. Durch den Ukraine-Krieg steigen die Lebensmittelpreise rasant, so dass die Armut wächst.

Malawi Lebensmittelladen in Lilongwe
Lebensmittelladen in MalawiBild: AMOS GUMULIRA/AFP via Getty Images

Ein Stadtviertel von Nairobi: Jeden Morgen backen die Betreiber eines kleinen Kiosks frische Chapati - ein Fladenbrot. Es ist ein typisches Frühstück hier - aber die Kunden können es sich kaum noch leisten. "Chapati kostet jetzt das Doppelte. Das Leben ist extrem teuer geworden", klagt ein Käufer am Kiosk.

Preisanstieg: Brotbäcker fürchten um Existenz

Chef der kleinen Bäckerei in Kenias Hauptstadt ist Samuel Mose. Er hat vier Angestellte. Die Preise für Weizenmehl und Sonnenblumenöl würden schon seit längerem steigen. Doch jetzt wird es schlimmer, befürchtet er - wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine. "Wir verfolgen den Krieg, denn wir müssen wissen, was passiert. Einige der Produkte, die wir verwenden, kommen aus den beiden Ländern", sagt Mose im DW-Interview.

In Kenia stammt rund ein Drittel des importierten Weizens aus Russland und der Ukraine. Den Preisanstieg auf dem Weltmarkt spürt auch die Kenafric-Großbäckerei in Nairobi, die Brote für Supermärkte produziert: "Die Situation ist besorgniserregend, nicht nur wegen des Preises, sondern auch wegen der Verfügbarkeit", sagt Kenafric-Manager Keval Shah. Viele Lieferanten hätten die bereits vertraglich zugesagten Mengen verringert - wegen höherer Gewalt.

Viele Kenianer mit kleinem Einkommen können sich Lebensmittel kaum noch leistenBild: James Wakibia/Zumapress/picture alliance

In Afrika waren viele Länder bereits von der Corona-Pandemie, der Klimakrise, humanitären Notlagen oder politischen und wirtschaftlichen Unruhen betroffen, sagt Theresa Anderson, Leiterin der Abteilung für globale Klimagerechtigkeit bei der Nichtregierungsorganisation Actionaid. Nun kämen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges dazu.

Simbabwe: Benzinpreis verdreifacht

"Mütter lassen Mahlzeiten ausfallen, hungern, viele können das Schulgeld nicht mehr bezahlen, arbeiten und brechen die Schule ab", sagt Anderson im DW-Interview. Der globale Preisanstieg sei in Afrika stärker zu spüren als in anderen Teilen der Welt.

Die lokalen Gemeinden erlebten einen stärkeren Preisanstieg als der weltweite Durchschnitt. "In Simbabwe hat sich der Benzinpreis mehr als verdreifacht, ebenso der Preis für Kochgas. Der Preis für Nudeln hat sich mehr als verdoppelt." 

Die Hungersnot am Horn von Afrika droht sich auszuweitenBild: Zerihun Sewunet/UNICEF/AP Photo/picture alliance

Viele Länder befinden sich laut Anderson bereits in einer Versorgungskrise: "Aber wenn sich nichts ändert, könnte uns eine Hungerkatastrophe ungeahnten Ausmaßes bevorstehen. Besonders extrem ist die Lage am Horn von Afrika, wo bereits 20 Millionen Menschen wegen der anhaltenden Dürre unter schwerem Hunger leiden."

Hungerkrise am Horn von Afrika wächst

Ähnlich beunruhigend ist auch die Einschätzung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP). Die Preise seien in Ostafrika bereits in die Höhe geschnellt, weil das Vieh verendete und die Erntemengen weit unter dem langjährigen Durchschnitt lagen, sagt Petroc Wilton, WFP-Sprecher in Somalia. Dazu käme nun auch noch das Ausbleiben der Weizenlieferungen aus der Ukraine.

In Somalia bahnt sich laut WFP eine humanitäre Katastrophe an. Sechs Millionen Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, unter ihnen 1,4 Millionen Kinder. Bereits Mitte des Jahres könnte eine Hungersnot ausbrechen, wenn die Hilfsorganisationen keine zusätzlichen Mittel erhalten.

Südsudan: Kinder sammeln Getreidekörner aus geplatzten SäckenBild: Tony Karumba/AFP via Getty Images

Die volle Wucht der Krise hat Hirsiyow Idolo Mohamed bereits zu spüren bekommen. Die Somalierin verließ mit ihren drei Kindern ihr verarmtes Dorf und quälte sich fünfzehn Tage zu Fuß durch die heiße Wüste - mit wenig Wasser und Nahrung. Ihr Ziel: ein neu errichtetes Lager für Vertriebene nahe der Stadt Dollow in der Gedo-Region im Süden Somalias. Aber zwei ihrer Kinder überstanden den beschwerlichen Fußmarsch in das rettende Lager nicht.

Bauern fliehen vor Dürre und Bombenanschlägen

"Wir liefen und liefen, mein Sohn war sehr durstig und erschöpft. Er fragte mich viele Male: 'Mami, Wasser, Mami Wasser'. Er fing an zu keuchen, aber es gab keinen Tropfen Wasser, den ich ihm geben konnte", erzählt sie traurig im DW-Interview. Ihre kranke Tochter starb bei der Ankunft im Lager. Die Achtjährige litt an schwerem Husten und war von der Reise geschwächt.

Schlechte Ernten tragen dazu bei, dass weniger Lebensmittel verfügbar sindBild: Chinedu Asadu/AP Photo/picture alliance

Laut WFP verließen allein in diesem Jahr mehr als eine halbe Million Menschen ihre Heimat wegen der Dürre. In Westafrika erschwert zudem die Sicherheitslage die Nahrungsmittelversorgung. Aufgrund von permanenten Anschlägen der Terrororganisation Boko Haram konnten Bauern nicht ihre Felder bestellen - sie verließen ihre Hütten.

China: Reserven liefern?

Assalama Dawalack Sidi, Regionaldirektor der Hilfsorganisation Oxfam in Niger: "Das ist ein Alarmsignal für die Welt. Wir erleben gerade, dass 27 Millionen Menschen in Westafrika von der schlimmsten Nahrungsmittelkrise der vergangenen zehn Jahre betroffen sind." Wenn nichts unternommen werde, könnte die Zahl auf 38 Millionen Menschen ansteigen.

Dabei müsste Weizen keine Mangelware sein. Denn eigentlich gibt es große Reserven: in China. Rund die Hälfte der weltweiten Lagerbestände hat das ostasiatische Land in seinen Speichern, schätzen Experten. Sie fürchten, die Volksrepublik könnte die Weltlage politisch ausnutzen. Motto: Getreide gegen Zugeständnisse: "China hat genug Reserven, um damit auch ärmere Länder in Afrika mit Lebensmittellieferungen zu unterstützen", sagte Hendrik Mahlkow vom Kieler Institut für Weltwirtschaft der DW. Die Kommunistische Partei könnt dadurch ihren großen wirtschaftlichen Einfluss in Afrika erweitern. 

Mitarbeit: Marion Betjen, Flourish Chukwurah (Nigeria), Mariel Müller (Somalia)

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