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Politik

Geldverschwendung oder nötige Reserve?

Richard A. Fuchs
22. Dezember 2017

Vor zwei Jahren mussten viele Kommunen in Rekordzeit Flüchtlingsheime schaffen. Längst ist der Zuzug abgeebbt, besonders in ländlichen Gebieten stehen Unterkünfte leer. Viele Kommunen schlagen wegen der Kosten Alarm.

Deutschland Letzte provisorische Flüchtlingsunterkunft in Hamburg schließt
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Der Flüchtlingszustrom nach Deutschland wird kleiner: Knapp 90.000 Asylsuchende kamen im ersten Halbjahr 2017 an. Mit einer ähnlich großen Anzahl von Menschen rechnen die Behörden auch für das zweite Halbjahr. Damit haben sich die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren um ein Vielfaches verringert, was sich allerdings nicht in den Kosten für die Kommunen widerspiegelt. Der Grund: Viele Flüchtlingsunterkünfte von Städten und Gemeinden stehen inzwischen leer, kosten die Kommunen aber weiter viel Geld, weil oft langjährige Mietverträge für entsprechende Immobilien ausgehandelt wurden.

Eine aktuelle Umfrage des Westdeutschen Rundfunks (WDR) für Nordrhein-Westfalen ergab, dass allein im bevölkerungsreichsten Bundesland derzeit ein Drittel aller Flüchtlingsunterkünfte leer steht. Die Kosten für Miete, Sicherheitsdienste, Strom, Heizung und Reparaturen laufen in den betroffenen Städten aber weiter. Nach WDR-Recherchen summiert sich das allein für die 250.000-Einwohner-Stadt Mönchengladbach auf einen Betrag von fast zehn Millionen Euro jährlich. Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise im zweiten Halbjahr 2015 hatte die Stadt in rekordverdächtigem Tempo bis zu 2.300 Unterkunftsplätze geschaffen. Untergebracht sind in Mönchengladbach im Dezember 2017 kaum mehr als 750 Geflüchtete, was einer Belegungsquote von einem Drittel entspricht. Während in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen die Auslastung der Flüchtlingsunterkünfte höher zu sein scheint, melden vor allem die größeren Bundesländer steigende Leerstände. Offizielle Statistiken liegen über die Belegung nicht vor, weshalb generelle Aussagen schwierig sind.

Die Höhe der Pro-Kopf-Pauschalen anpassen

Interessensvertreter der Städte und Gemeinden schlagen dennoch Alarm. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise bekommt jede Stadt für die Aufnahme eines Flüchtlings derzeit eine Pro-Kopf-Pauschale von 10.400 Euro im Jahr. Kommen weniger Flüchtlinge an, fallen folglich auch die dringend benötigen Einnahmen weg. Andreas Wohland vom Städte- und Gemeindebund NRW fordert daher, die tatsächlichen Kosten zu ermitteln und den Kommunen entschieden zu helfen. "Wir fordern, die Höhe der Pro-Kopf-Pauschale anzupassen."  

Viele Wohncontainer stehen tatsächlich leer: nicht nur wie hier in Bochum. Bild: picture-alliance/dpa/R. B. Fishman

Besonders dramatisch sind die Kosten für leere Flüchtlingsheime für finanziell ohnehin angeschlagene Städte. Ein Beispiel findet sich im Bochumer Stadtteil Harpen-Rosenberg. Dort wurde das ehemalige Nordbad für 11,1 Millionen Euro zu einer Unterkunft umgebaut, bezahlt durch den städtischen Haushalt. Seit der Eröffnung im Oktober 2016 stehen jedoch zwei der fünf Gebäude in Modulbauweise leer, wie lokale Medien mehrfach berichteten. Statt der 450 möglichen Bewohner kamen hier in Stoßzeiten maximal 170 Menschen unter. Was jetzt mit dem Gelände passiert, wird inzwischen beherzt diskutiert. Dabei ist jedoch auch Vorsicht geboten, schließlich kann niemand mit absoluter Sicherheit vorhersagen, dass die Zuzugszahlen nicht wieder sprunghaft ansteigen.

Aus Provisorien werden Dauerlösungen: Beispiel Düsseldorf

Doch auch wenn die Zahl der Neuankömmlinge niedrig bleibt, warten auf die Kommunen große Herausforderungen. Zu erleben ist das in Düsseldorf. Dort hat die Stadt begonnen, aus provisorisch-eingerichteten Flüchtlingsheimen Langzeitunterkünfte zu machen. Der Grund: Zwar sank die Zahl der neuen Flüchtlinge drastisch, aber eine andere Zahl stieg stärker als erwartet. 2018 wird sich Düsseldorf um 5.000 Menschen kümmern müssen, die nach ihrer Flucht in Deutschland bleiben können, aber keine bezahlbare Wohnung finden. In anfänglichen Schätzungen waren Verantwortliche von einem Bedarf von weniger als 3.000 Wohnplätzen ausgegangen. Die Crux: Da im deutschen Asylgesetz eine Wohnortauflage verankert wurde, dürfen die Betroffenen nicht in preisgünstigere, ländliche Gebiete umziehen. In Verwaltungsdeutsch werden diese Geflüchteten deshalb inzwischen "Flüchtlinge im Obdachlosen-Status" genannt.

Von der Industriehalle zur Flüchtlingsunterkunft: ein teurer Plan des Berliner Senats.Bild: Imago/J. Ritter

Eine Fabrik, die nie Flüchtlingsunterkunft wurde

Ein Phänomen, das auch in Berlin erkennbar ist. Hier ist die Zahl der Geflüchteten anhaltend hoch, der Leerstand in entsprechenden Einrichtungen nach Aussagen der Berliner Senatsverwaltung nicht existent. "Bei uns ist gar nichts frei", kommentierte eine Sprecherin die Lage in der Hauptstadt. Rund 25.700 Geflüchtete leben nach Angaben der Senatsverwaltung für Soziales derzeit in Berlin: in Gemeinschaftsunterkünften (19.186), in Erstaufnahmeeinrichtungen (2.096) und in Notunterkünften (3.990). Wenn es Leerstand gebe, dann gebe es schnell Nachnutzungsbedarf. In Berlin-Spandau führte das sogar dazu, dass bis zu 1.400 Geflüchtete aus einer Erstaufnahmeeinrichtung ausziehen mussten. Auf der Suche nach einem zentralen Dienstsitz für die Spezialkräfte der Bundespolizei wurde das Gelände der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne erneut umgewidmet, die Flüchtlinge mussten weichen. Ähnliches berichtet die Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales auch für andere Liegenschaften in der Stadt.   

Für Aufsehen sorgte jedoch der Fall einer Tetra-Pak-Fabrik am nördlichen Stadtrand Berlins. In Heiligensee hatte das Land Berlin ein altes Fabrikgelände angemietet, um im Notfall bis zu 1.100 Flüchtlinge unterbringen zu können. Rund 160.000 Euro Miete monatlich zahlt das Land deshalb seit knapp zwei Jahren für das 35.000 Quadratmeter große Betriebsgelände, bislang allerdings, ohne dass dort jemals ein einziger Flüchtling unterkommen wäre. Schnell nach dem Kauf entpuppte sich die Wasserversorgung der Liegenschaft als marode, der Aufwand, die Lagerhallen "bewohnbar" zu machen, als zu groß. Zwischen den politisch Verantwortlichen ist deshalb ein Streit entbrannt, wer an der Verschwendung von knapp sechs Millionen Euro Steuergeldern Schuld hat. Nutznießer des missglückten Immobilienkaufs ist eine in Luxemburg gemeldete Immobiliengesellschaft namens Capital Bay GmbH. Von Seiten der Senatsverwaltung für Soziales wurde bestätigt, dass der Mietvertrag im kommenden Jahr ausläuft. "Damit ist das Problem von Heiligensee kein Problem mehr", sagt die Sprecherin auf DW-Anfrage.

 

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