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Politik

Legaler Raubbau auf Land von Indigenen?

Bruno Lupion | Cristian Weiss
26. August 2019

In Brasilien plant die Bolsonaro-Regierung ein Gesetz, das Bergbau auf indigenen Territorien erlaubt. Viele Indigene sind dagegen, andere verteidigen ihre Hoheit über die erwirtschafteten Bodenschätze.

Brasilien Brasilia Protestcamp von Indigenen
Indigene in Brasilien protestieren gegen Bergbau auf ihren GebietenBild: DW/Nádia Pontes

Jair Bolsonaro will den Bergbau auf indigenen Territorien erleichtern - gegen den Widerstand der Betroffenen und ohne Rücksicht auf mögliche Umweltschäden. Bolsonaros Regierung arbeitet bereits an einem Gesetzentwurf, der den Abbau von Bodenschätzen in den Indigenen-Gebieten regeln soll. Schon mehrmals hat sich Bolsonaro für die Öffnung der Schutzgebiete für den Bergbau ausgesprochen - obwohl nach einer Umfrage von Anfang August 86 Prozent der Brasilianer dagegen sind.

Der Abbau von Bodenschätzen in indigenen Gebieten ist zwar grundsätzlich in der brasilianischen Verfassung erlaubt. Weil aber bisher keine genauen Regeln und Kriterien dafür festgelegt wurden, gilt er einstweilen als illegal. Vor dem Abbau von Rohstoffen auf indigenem Land muss das betroffene Volk befragt werden - das weiß auch die Regierung. Allerdings ist eine Zustimmung der Betroffenen nicht zwingend notwendig.  Alexandre Vidigal, Staatssekretär für Bergbau des Energie- und Bergbauministeriums, erklärt, dass die betroffenen Bewohner in allen Fällen Ausgleichszahlungen erhalten.

Die Koalition Indigener Organisationen des brasilianischen Amazonas (COIAB), die 180 indigene Völker auf 98% der indigenen Territorien Brasiliens vertritt, ist gegen den Bergbau, selbst mit dem Einverständnis der betroffenen Bevölkerung und nach finanzieller Entschädigung. Im Interview mit der DW erklärte COIAB-Vizekoordinator Mario Nicacio, ein Mitglied des Wapichana-Volkes, für den Großteil der indigenen Völker seien ökologische und kulturelle Aspekte wichtiger als der wirtschaftliche Vorteil.

"Wir haben bereits mit finanziellen Abfindungen bei anderen Projekten [wie zum Beispiel Wasserkraftwerken] Erfahrungen gemacht. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die Zerstörung eines Flusses oder eines Berges nicht lohnt - und außerdem bringt sie das Leben indigener Völker in Gefahr", sagt er.

Beunruhigende Signale

Auch bei den indigenen Organisationen, die einen reglementierten Bergbau in den Schutzgebieten befürworten, sorgen Bolsonaros Signale für Unruhe. Im Juli hatte sich der Präsident für die landesweite Entstehung von "kleinen Serras Peladas" ausgesprochen. Die Serra-Pelada-Goldmine im Bundesstaat Pará im Norden des Landes hatte in den achtziger Jahren Zehntausende von Goldschürfern angezogen, die unter miserablen Bedingungen arbeiten mussten. Ebenfalls im Juli ernannte Bolsonaro einen der Agrarindustrie nahestehenden, hochrangigen Polizeibeamten zum Präsidenten der für indigene Anliegen zuständigen Regierungsbehörde FUNAI.

Der Gesetzesentwurf wird von Mitgliedern der Bolsonaro-Regierung, der FUNAI und dem Institut für Umwelt und erneuerbare Ressourcen (Ibama), aber ohne die Beteiligung der indigenen Völker ausgearbeitet.

Luis Mauricio Azevedo, Präsident des Brasilianischen Verbands der Bergbau- und Rohstofferkundungsunternehmen, unterstützt die betroffenen indigenen Völker in der Auseinandersetzung über den Abbau der Bodenschätze in ihren Territorien. Vor einer Entscheidung sollten die Gemeinschaften Zugang zu Studien über die möglichen Folgen des Abbaus bekommen, sagte er im Gespräch mit der DW, ebenso wie Vorschläge über die Nutzung der Bodenschätze und der Gewinnverteilung. "Man kann indigene Völker nicht zum Abbau der Bodenschätze zwingen, aber ein gut durchdachtes Projekt kann ein Mittel zur wirtschaftlichen Eingliederung sein und damit zu einem würdevollen Erhalt der Gemeinschaft beitragen", meint er.

Illegaler Bergbau in Brasilien im Gebiet von Indigenen Bild: Nádia Pontes

Inzwischen wird schon in mehreren indigenen Territorien illegal Gold gesucht, ständig von Meldungen über Gewaltverbrechen begleitet. Im vergangenen Juli wurde der Häuptling Emyra Wajãpi während einer Invasion von Goldgräbern in seinem Territorium im nördlichen Bundesstaat Amapá ermordet.

Wachsendes Interesse und mögliche Risiken

Rechtlich gesehen, gehören die Lagerstätten im Untergrund dem brasilianischen Staat. Um diese zu erkunden, müssen interessierte Personen oder Unternehmen einen Antrag bei der Nationalen Behörde für Mineralproduktion stellen. Aktuell steigt das Interesse an den Bodenschätzen in diesen Gebieten: im gesamten Jahr 2018 wurden 31 Genehmigungen beantragt, während in den ersten sieben Monaten 2019 bereits 76 Anträge, also mehr als doppelt so viele, verbucht wurden. Da es sich aber um geschütztes indigenes Land handelt, wurden bisher alle Anträge von der Regierung abgelehnt.

Bergbau ist extrem umweltschädlich. Eine Erhebung für die FUNAI aus dem Jahre 2007 zeigt, dass es in Brasilien in vom Bergbau betroffenen Gebieten wenige Fälle von Regeneration der Umwelt gibt. "In den meisten Fällen werden die während des Abbaus erzeugten Schäden und Veränderungen in der Umwelt lediglich hinterlassen", heißt es in dem Bericht. Unsachgemäß gelagerte Bergbauabfälle können zu katastrophalen Schäden führen, wie bei dem Dammbruch von Brumadinho im Januar dieses Jahres. Die Verschmutzung von Flüssen und Boden beeinträchtigt direkt die indigenen Gemeinschaften und bedroht ihre Lebens- und Nahrungsgrundlage.

Nicacio von COIAB fordert, dass die Regierung sich nicht dem Bergbau, sondern dem Abzug der illegalen Goldschürfer in indigenen Territorien widmen soll: "Die Regierenden und die Parlamentarier sollten die Sicht der indigenen Völker auf das Zusammenleben mit der Umwelt respektieren."

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