Lehman schockt erneut
10. September 2008Wer dachte, für die Lehman-Aktie könne es nach dem 45-prozentigen Kurseinbruch am Vortag nicht weiter bergab gehen, wurde am Mittwochnachmittag (10.09.2008) eines Besseren belehrt: Die angeschlagene US-Investmentbank Lehman Brothers gab bekannt, sie habe im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 3,9 Milliarden Dollar Verlust gemacht und wolle deshalb die Dividende radikal zusammenstreichen.
Insolvenzgerüchte begründet?
Zudem kündigte Lehman eine Reihe von Maßnahmen an, um sich frisches Kapital zu besorgen. So plant die Bank, an den Vermögensverwalter BlackRock Immobilien in Großbritannien im Wert von vier Milliarden Dollar zu verkaufen. Außerdem will sie 55 Prozent ihrer Vermögensverwaltungssparte veräußern und ihr Geschäft mit Gewerbeimmobilen ausgliedern.
Marktbeobachter werteten dies als Hinweis darauf, dass Lehman tatsächlich das Wasser bis zum Halse steht. Seit Monaten kursieren Insolvenzgerüchte am Markt. Lehman Brothers wurde 1840 gegründet und ist die viertgrößte Investmentbank der USA. Analysten halten sie mittlerweile für das Geldhaus, das am stärksten angeschlagen ist durch die Kreditkrise. Lehman hatte in jüngster Zeit forciert nach Investoren gefahndet, die durch ihren Einstieg den Liquiditätsengpass hätten beheben können.
Lehman kaum noch was wert
Doch bisher gab es hier nur Rückschläge – und zwar auf der ganzen Linie: Nachdem bereits zahlreiche Banken kein Interesse an einer Beteiligung an Lehman bekundet hatten, scheiterten nun auch die Gespräche über einen Einstieg der staatseigenen Korea Development Bank (KDB). Das wurde zwar erst am Mittwochmorgen offiziell bestätigt, doch Spekulationen darüber hatten bereits am Vortag den Lehman-Aktienkurs um fast die Hälfte auf 7,79 Dollar reduziert.
Seit Ausbruch der US-Hypothekenkrise befindet sich die Lehman-Aktie im Rückwärtsgang: Binnen Jahresfrist brach der Aktienkurs um über 85 Prozent ein. Gegenwärtig verfügt Lehman Brothers damit nur noch über eine Marktkapitalisierung von 5,4 Milliarden Dollar, vor einem Jahr waren es noch 36 Milliarden.
Ein zweiter Fall Bear Stearns?
Nach den neuerlichen Hiobsbotschaften brach der Lehman-Kurs im vorbörslichen US-Handel erneut ein und zog auch die US-Futures ins Minus. Der deutsche Leitindex Dax, der zuvor in etwa auf Vortagesniveau notiert hatte, rutschte um bis zu 1,2 Prozent ab. Der Euro zog wieder an.
Nach dem Fast-Kollaps von Bear Stearns im März und der Verstaatlichung der finanziell angeschlagenen Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac droht den Finanzmärkten nun erneut eine schwere Krise. Gelingt es Lehman nicht, sich rasch Kapital zu besorgen, könnte dem Institut ein Szenario wie dem Konkurrenten Bear Stearns drohen, unterstrichen die Experten der Bank of America am Mittwoch. Bear Stearns musste im Frühjahr von der US-Notenbank Fed gestützt und vom Konkurrenten JPMorgan Chase übernommen werden und entkam nur so knapp der Pleite. (ag)