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Leihmütter in Indien

Katja Keppner20. August 2014

Dürfen Frauen ihren Bauch an Paare mit Kinderwunsch vermieten? Nein, sagt der deutsche Gesetzgeber. Ja, heißt es dagegen in Indien, wo kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist: Ein Einblick in die Praxis.

Schwangere Frau: Symbolbild für Leihmutterschaft (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Beim Eintritt in die Klinik von Dr. Rita Bakshi erkennt man schnell um was es geht. Babyfotos laufen als Diashow auf einem Fernsehbildschirm hinter dem Eingangstresen des International Fertility Center im Süden der Hauptstadt Neu Delhi. Dankesbriefe der glücklichen Eltern sind stolz auf einer Pinnwand im Warteraum aufgehängt. Mit Dr. Bakshi zu sprechen sei kein Problem, hatte die Assistentin zuvor am Telefon erklärt. Ob auch eine Leihmutter da sein wird, das könne man noch nicht versprechen.

Dr. Bakshi empfängt in OP-grünfarbenem Arztkittel und erklärt, "jeder, der nicht auf natürlichem Wege ein Kind zeugen kann, sollte das Recht dazu haben, auf Leihmütter in unserem Land zurück zu kommen." Alle Länder, die damit ein Problem haben, sollten ihre Einstellung überdenken, fügt sie hinzu. 70% der Paare, die bei ihr eine Leihmutterschaft in Auftrag geben, kämen aus dem Ausland.

Das IVF Fertility Research Centre in Delhi vermittelt LeihmütterBild: DW/K. Keppner

Verschärfte Visabestimmungen für diese Paare, die die indischen Behörden seit Kurzem eingeführt haben, seien für ihr Geschäft nicht gerade zuträglich, gibt sie zu. Aber, sie wirbt für ihre Klinik und betont immer wieder, wie sorgsam sie ihre Leihmütter aussucht. "Die Agenturen, die für uns Leihmütter suchen, überprüfen genau, ob die Frauen kriminelle Einträge haben und vor allem, ob sie medizinisch fit sind." Mit ihnen zu sprechen sei allerdings heute nicht möglich.

Am Ende sind alle glücklich

Das handhabt Dr. Anoop Gupta etwas anders. Auch in seinem Sprechzimmer wimmelt es nur so von Fotos glücklicher Eltern mit Babys auf dem Arm. Europäische, afrikanische, asiatische, alles ist dabei. Dr. Gupta, der stolz angibt, auf ganz legale Weise bereits 450 Babys per Leihmutterschaft auf die Welt gebracht zu haben, legt einen Vertrag auf den Tisch. Darauf sind drei Passbilder zu sehen. Darüber, mit großen Buchstaben geschrieben, steht Surrogate Agreement, übersetzt "Leihmuttervertrag".

Eines der Bilder gehört zu Monika. Auch sie hat er zu dem Treffen eingeladen. Die 30-Jährige hat heute ihren großen Tag. Nervös rückt sie sich den rosafarbenen Schal zurecht. Nach wochenlangen Untersuchungen wird ihr die befruchtete Eizelle eingesetzt. Samen und Ei kommen von dem Paar aus Großbritannien, dessen Fotos auch auf dem Vertrag kleben, samt Unterschrift. Er ist 42, sie 38 Jahre alt. Viel mehr weiß Monika nicht über sie.

Anoop Gupta hat 450 Babys per Leihmutterschaft auf die Welt gebrachtBild: DW/K. Keppner

"Wir haben finanzielle Probleme", erzählt sie. "Mein Mann verliert vielleicht bald seinen Job als Fahrer. Mit dem Geld werde ich die Ausbildung meiner Kinder bezahlen und dabei noch etwas Gutes tun." Dr. Gupta nickt mit dem Kopf. "Ganz genau, das ist eine Win-Win Situation für alle!" Auch er wundert sich über all die Bedenken, die in manchen Ländern gegenüber Leihmutterschaft vorherrschen. "Wo ist das Problem?" fragt er. Nichteheliche Lebenspartnerschaften, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehen, all das sei in Ländern wie Deutschland legal, warum also nicht auch Leihmutterschaft? Sie sei vergleichbar mit Bluttransfusion, sagt Dr. Gupta. Wenn einer in Not ist, springt ein Mitmensch ein. Am Ende seien alle Beteiligten glücklich.

Monika will das Kind nicht sehen

Der 62-Jährige Gynäkologe betont, dass seine Leihmütter während der Schwangerschaft in ihren Familien bleiben und, dass auch der Ehemann den Vertrag unterschreiben muss. Davon, dass Frauen wie Monika in einem Leihmütter-Haus die neun Monate mit anderen Schwangeren absitzen, hält Dr. Gupta nichts. Dass das einige seiner Kollegen, vor allem in ländlichen Regionen Indiens, so handhaben, verstehe er nicht. Monika räuspert sich und erklärt, "wahrscheinlich wird es hart, das Neugeborene nach neun Monaten abzugeben. Aber ich habe mich dafür entschieden, dass ich das Kind nicht sehen will". Leihmütter, die Dr. Gupta unter Vertrag nimmt, müssen bereits mindestens ein eigenes Kind auf die Welt gebracht haben. "Dadurch wird es leichter, das Neugeborene nach der Geburt abzugeben", erklärt er auch Monika.

Monika braucht das Geld für ihre eigene FamilieBild: DW/K. Keppner

Der Bauch als Ware

Nach Schätzungen der indischen National Commission for Women bieten landesweit mittlerweile etwa 3000 Kliniken Dienstleistungen rund um den Kinderwunsch an. Tendenz steigend. Die meisten davon haben auch Leihmutterschaft im Angebot. 50 davon soll es in der Hauptstadt Neu Delhi geben. Indien zieht kinderlose Paare aus dem Ausland vor allem wegen der Preise an. Hier bezahlt man etwa ein Viertel von dem, was eine Leihmutterschaft beispielsweise in den USA kosten würde. Das Gesamtpaket ist in Indien für rund 24 000 Dollar zu haben. Die Leihmutter erhält davon zwischen 4000 und 6000 Dollar, ausgezahlt in Raten. Für Zwillinge oder Drillinge, was durch die Einführung mehrerer befruchteter Eizellen häufig passiert, gibt es einen kleinen Zuschlag.

"Die Frauen machen es wegen des Geldes", bestätigt auch Deepa von der Frauengesundheitsorganisation Sawa. Das sei auch ihr gutes Recht und eine freie Entscheidung. Allerdings kritisiert die NGO, dass die gesamte Branche kaum gesetzlichen Regeln unterliege. Zwar schreibe die Regierung seit Jahren an einem Gesetz, das auch die Leihmutterschaft in Indien regeln soll, jedoch "sitzen bei den Beratungen nur die großen Konzerne mit am Tisch, die den Medizintourismus weiter voran treiben wollen und die nicht die Rechte der Leihmutter im Sinn haben", sagt Deepa. Hinzu komme die Stigmatisierung der Leihmütter in ihrem direkten Umfeld. "Die Frauen werden zum Teil als Prostituierte wahrgenommen, nach dem Motto, die Frau bekommt Geld und verkauft ihr Kind. Deswegen verheimlichen es viele Leihmütter ihrem direkten Umfeld."

Meena verheimlicht ihre Zwillings-Schwangerschaft vor den NachbarnBild: DW/K. Keppner

Keiner sollte es erfahren

Das kann auch Meena gut nachempfinden. Sie ist heute zum Routinecheck bei Dr. Gupta. Seit sie ihren dicken Bauch nicht mehr unter bunten Sari Schals verstecken kann, ist sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern vorübergehend umgezogen. Sie trägt Zwillinge im achten Monat aus. Für ein indisches Paar. "Meine Schwiegereltern und die Nachbarn sollen es nicht erfahren", erklärt Meena. Noch einmal würde die 30-Jährige es nicht machen. Aber das Geld, gibt sie zu, habe sie und ihren Mann vor neun Monaten überzeugt. Von den umgerechnet etwa 100 Euro, die er pro Monat verdiene, blieben nach Abzug von Miete und Essen für die vierköpfige Familie nichts übrig. Dr. Gupta betont, er sei sicher, dass auch die Deutschen in ein paar Jahren erkennen werden, dass es bei einer Leihmutterschaft in Indien nur Gewinner geben könne.

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