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Politik

Leihrad-Chaos in den Städten?

Ben Knight
4. April 2018

Deutsche Großstädte werden der vielen abgestellten Leihfahrräder zum Teil nicht mehr Herr. Doch die Schwemme sei immer noch besser als 20.000 zusätzliche Autos auf den Straßen, halten Fahrradaktivisten dagegen.

Ford Bike in Köln
Bild: Imago/Lindenthaler

Deutsche Städte leiden vor allem unter der großen Anzahl von Autos. Doch immer mehr Anwohner beschweren sich inzwischen auch über abgestellte Leihfahrräder, die Bürgersteige blockieren oder in Parks herumstehen. Sogar die Fahrradlobby par excellence, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) gibt zu, dass die an sich "hervorragende Idee" auch Probleme verursacht. "Wenn Leihräder zu Dutzenden Fußwege oder Zufahrten versperren oder in Parks entsorgt werden, sind sie einfach nur ein Ärgernis", sagt ADFC-Sprecherin Stephanie Krone. Das sei zum Beispiel in München der Fall. Dort wurden innerhalb weniger Wochen im August vergangenen Jahres 6800 Räder auf die Straßen gestellt - ohne enge Absprache mit der Stadt. Der Ärger über zugestellte Gehwege sei "Gift für das Image von Leihrädern", sagt Krone.

Verschiedene Firmen haben in vergangener Zeit überall in Deutschland Verleihsysteme aufgebaut. Am augenfälligsten sind wohl die orangefarbenen Räder des chinesischen Unternehmens Mobike. Im November vergangenen Jahres wählte Mobike Berlin als 200. Stadt ihres weltumspannenden Netzes. Aber auch andere Firmen brauchen Platz für ihre Fahrräder, der in den Innenstädten nunmal begrenzt ist. Und nicht immer arbeiten die Verleiher ausreichend eng mit der Stadt zusammen.

"Solche Zustände" bitte nicht!

Sorgen über eine wahre Fahrradschwemme in den Städten nehmen deshalb zu. Der Zweirad-Industrieverband (ZIV) warnt schon auf seiner Internetseite: "Obacht, liebe Städte und Kommunen. Solche Zustände möchten wir in Deutschland nicht." Eine dort verlinkte englischsprachige Webseite zeigt Berge aufgegebener oder kaputter Leihfahrräder, die sich dort angeblich auftürmen.

Der Alptraum: ein Berg alter Leihräder in China. Dieses Bild hat der ZIV als abschreckendes Beispiel verwendetBild: Reuters

Ein besonderes Problem stellen Systeme ohne feste Verleihstellen dar. Die Räder können überall abgestellt werden. "Die Städte waren auf die neu dazugekommenen stationsunabhängigen Anbieter nicht immer optimal vorbereitet", sagt ZIV-Sprecher David Eisenberger und fordert, die Anbieter müssten Nutzer zu richtigem Verhalten erziehen, auch durch Strafen.

Einige Städte haben mittlerweile begonnen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. In München und Frankfurt am Main gibt es inzwischen einen "Katalog" von Einschränkungen, darunter eine maximale Zahl von Leihfahrrädern, die an bestimmten öffentlichen Orten abgestellt werden dürfen. Köln hat jetzt ausgewiesene Zonen mit nur jeweils fünf erlaubten Rädern pro Zone. Kölns Fahrradbeauftragter Jürgen Möller meint gegenüber der Deutschen Welle, seine Stadt komme bisher gut mit den Leihfirmen und mit der Zahl der Fahrräder zurecht, auch wenn es immer wieder Beschwerden von Bürgern gebe. "Wir leiten jede Beschwerde an die Anbieter weiter, und sie beseitigen die Räder dann."

Jimmy Cliff, Chef von Mobike Deutschland, erklärt der DW, seine Firma versuche, ihre Kunden auf die Probleme aufmerksam zu machen. Nutzer könnten Mobike-Räder, die an einem ungeeigneten Ort abgestellt worden seien, auch dem Unternehmen melden. "Wir versuchen ständig, aktiver Partner der Städte zu sein", schreibt Cliff. "Die Einrichtung von Abstellplätzen für Leihräder ist eine von vielen Möglichkeiten, die wir in Betracht ziehen."

Ein größeres Problem 

Heinrich Strößenreuther, Sprecher der Initiative Clevere Städte, die sich für die Lösung städtischer Verkehrsprobleme einsetzt, sagt der Deutschen Welle, einige weitere Fahrräder seien nicht das eigentliche Problem. "Die Städte haben tatsächlich nicht schnell genug kommen sehen, was da passiert. Auf der anderen Seite wird das Problem gerade massiv hochgekocht. Wir haben in fast allen Städten Deutschlands einen PKW-Zuwachs von einem Prozent pro Jahr. Alleine in Berlin sind das 20.000 Autos, da regt sich keiner drüber auf. Aber drei-, viertausend Fahrräder, die aufgestellt werden, das ist plötzlich ein Medienthema. Das kann ich nicht nachvollziehen."

Stößenreuther meint, das Falschparken von Autos müsse erheblich teurer werden - die Geldbußen lägen weit unter dem europäischen Durchschnitt von rund 100 Euro -, und die Polizei müsse die bestehenden Parkregelungen besser überwachen.

Autos, die unerlaubt auf dem Radweg parken? Ein Kölner Radfahrer hat den Spieß umgedreht Bild: picture-alliance/dpa/T. Geffe

In mehreren Städten gibt es inzwischen Kampagnen für eine bessere Fahrrad-Infrastruktur. Stößenreuther glaubt, die Probleme durch abgestellte Leihfahrräder könnten leicht gelöst werden, indem man Parkraum für Autos einschränke. Köln hat allerdings keine solchen Pläne. Kölns Fahrradbeauftragter Möller sagt der DW: "Wir wollen keine festen Fahrradstationen, daher wollen wir auch keine Autoparkflächen verlegen."

Der Sprecher der Initiative Clevere Städte, Stößenreuther, sieht ein größeres Problem darin, dass Leihfirmen ihre Dienste nicht in der gesamten Stadt anbieten. Stattdessen stehen die Fahrräder an zentralen Punkten, an denen ohnehin alle vertreten sind. "Wo man tatsächlich hinkommen muss: Wie bekommt man Mietradanbieter dazu, dass sie auch in den Außenbezirken Angebote machen, damit Leute mit den Rädern zu den S-Bahnhöfen fahren können? Davon sind wir noch weit entfernt."

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