Leipzig entwickelt sich zur Autostadt
13. Mai 2005Auf einem Festakt würdigte der Kanzler das Engagement von BMW in den neuen Bundesländern. Nach Volkswagen und Porsche setzen nun auch die Bayern mit zunächst 2500 Arbeitsplätzen einen wichtigen Meilenstein in Sachsen, das sich zunehmend zu einem Zentrum der Autoindustrie entwickelt.
Blühende Landschaften
Im Norden der Stadt Leipzig sind sie tatsächlich zu sehen: die vielbeschworenen "blühenden Landschaften". Dreispurig ist die Autobahn, sie führt vorbei am Flughafen der Stadt, wo sich demnächst das Europa-Drehkreuz der Post-Logistik-Tochter DHL befinden wird. Schon fast alt dagegen ist das Versandzentrum von KarstadtQuelle – es war die erste Milliarden-Investition in den neuen Bundesländern. Ein Stück weiter montiert der Sportwagenbauer Porsche sein Erfolgsmodell Cayenne. Und auf der anderen Seite der Autobahn führt die BMW-Allee direkt hinein in den modernsten Standort des bayerischen Autobauers.
Rund 1,3 Milliarden Euro hat BMW investiert, ein komplettes Werk auf die grüne Wiese gestellt. Seit März bereits läuft hier die Serienproduktion des neuen 3er-BMW. Der Chef von BMW Leipzig, Peter Claussen, schätzt vor allem das "unglaubliche Potenzial gerade bei den Arbeitskräften", das er hier vor vier Jahren fand. "Wir haben hier Menschen gefunden, die Dinge nicht nur bewegen wollen, sondern das auch können, die eine ganz hervorragende Qualifikation mitbringen und in der Kombination von Lernfähigkeit und Lernbereitschaft das Können und das Wollen miteinander verbinden", schwärmt der 51-Jährige. Er war maßgeblich bei der Standortentscheidung für Leipzig beteiligt und wurde so zu einer Art "Messias" für eine Region, in der akuter Arbeitsplatzmangel herrscht.
Freude, doch keine Euphorie
Einer der derzeit 2500 Beschäftigten ist Jörg Lindner. Er war einer von 130.000 Bewerbern. Er hatte Glück und checkt heute die Autos am Ende der Montagelinie. Die Entscheidung von BMW für Leipzig ist für ihn eine "super Sache": "Ich bin jetzt glücklich, hier zu sein – denn vorher hatte ich keine Arbeit." Mit seinen 38 Jahren liegt der Endkontrolleur im mittleren Altersdurchschnitt des Werkes. Denn ein vernünftiger Mix aus Alten und Jungen, darauf hat man bei den Einstellungen geachtet. So sind die jüngsten Mitarbeiter gerade 18 und in der Ausbildung, der älteste zählt stolze 61 Jahre.
Wenn das Werk bald die volle Auslastung erreicht, dann werden laut BMW rund 5500 neue Jobs entstanden sein – und auch, wenn das auf den ersten Blick gut klingt – so kommt doch keine Euphorie auf. Von den über 140.000 Industrie-Arbeitsplätzen, die es nach der Wende in der Region Leipzig-Halle gab, sind keine 20.000 übrig geblieben. Die Arbeitslosenquote liegt über 20 Prozent. Deswegen dämpft BMW-Mann Claussen auch die Euphorie der Politiker, weil die Ansiedlung von BMW ist im Vergleich zur Gesamtsituation am Arbeitsmarkt nur "der sprichwörtliche Tropfen auf einen überheißen Stein" ist. Die 5500 Arbeitsplätze, die auf dem Werksgelände entstehen werden und die noch mal 5000 Arbeitsplätze, die im Umfeld erwartet werden, lösen nach Claussens Ansicht "nicht annähernd die Beschäftigungsproblematik dieser Region, die ja so große Potenziale hat."
Lob für Standort Deutschland
Aber dennoch: Wenn ein deutscher Autokonzern in Deutschland ein neues Werk eröffnet, dann darf man sich freuen. Und natürlich spricht man dann von "Signalen", wie Helmut Panke, der Vorstandschef von BMW. Der findet es nicht nur ungewöhnlich, dass überhaupt ein deutsches Unternehmen ein neues Automobilwerk errichtet. Noch ungewöhnlicher sei es, "ein solches Automobilwerk hier in Deutschland zu errichten". "Der Standort Deutschland hat nach wie vor die besten Voraussetzungen für Erfolg im internationalen Wettbewerb und damit ist diese Entscheidung wirklich ein Signal nicht nur für unser Unternehmen, sondern für die Region Leipzig/Halle und dafür, dass die Autoindustrie in Deutschland eine Zukunft hat."
Das neue Automobilwerk in Leipzigs Norden: Es zeigt auch, wie sich das Bundesland Sachsen immer mehr zu einem Zentrum der Autoindustrie entwickelt. Es reiht sich ein in die Liste prominenter Investoren wie DHL, Porsche und Dell, die den Weg hierher gefunden haben. Und für den gebürtigen Hessen Peter Claussen steht es felsenfest: Er würde sich jederzeit für Leipzig entscheiden.