Gibt es einen Meisterschaftskampf?
27. Februar 2021Der FC Bayern und RB Leipzig bewegen sich am 23. Spieltag im Gleichschritt und das enge Meisterrennen geht noch mindestens eine Woche lang weiter. Vielfach ist sogar die Rede davon, es sei "wieder" spannend, seit der Abstand zwischen den beiden Top-Klubs nur noch zwei Zähler beträgt. Doch war der Meisterschaftskampf in dieser einmal mehr von den Bayern dominierten Saison überhaupt schon spannend? Und haben wir wirklich einen echten Titelfight, weil die Leipziger aufgeholt haben? Oder ist es nach acht Meisterschaften der Bayern in Folge bloß die Hoffnung darauf, die die Bundesliga aktuell beschäftigt?
Keine Gala, aber konstant
Die zwischenzeitlichen Bayern-Verfolger Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach sind schon seit längerer Zeit nicht mehr in Schlagdistanz der Bayern. Nach zuletzt zwei schwachen Spielen der Münchner, liegt einzig RB Leipzig zwölf Spieltage vor Schluss nur zwei Punkte hinter dem Tabellenführer. Und dabei waren die vergangenen Wochen beim Team von RB-Trainer Julian Nagelsmann gar nicht unbedingt von Gala-Auftritten geprägt.
Aber die Spiele wurden eben gewonnen - und das ist der Punkt: Wer Meister werden will, muss auch die engen Spiele, in denen es schwierige Phasen gibt, gewinnen. Das tut Leipzig aktuell, und das macht Hoffnung darauf, dass der Zweikampf an der Spitze noch eine Weile andauern könnte.
Entscheidet das direkte Duell?
Seit der unnötigen 2:3-Pleite in Mainz am 18. Spieltag läuft es bei RB: Fünf Siege in fünf Liga-Spielen und dabei eine Bilanz von 12:3 Toren. Trotzdem will von den Leipzigern selbst keiner selbstbewusst und öffentlich zum Angriff auf die Bayern blasen: "Es macht keinen Sinn, unser Saisonziel Champions-League-Qualifikation über Bord zu werfen und zu sagen, wir greifen die Bayern an", sagte RB-Vorstandschef Oliver Mintzlaff vor dem 3:2-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach im ZDF.
Er genießt lieber still, dass der Lauf seiner Mannschaft und das gleichzeitige Schwächeln der Bayern zu einem Zeitpunkt kommt, an dem die Saison in die entscheidende Phase geht. Die Belastung der Spieler ist jetzt ein entscheidender Faktor - zumal in dieser durch die Corona-Pandemie eng getakteten Saison.
Nach dem 0:2 im Achtelfinal-Hinspiel gegen Liverpool droht RB das aus in der Königsklasse - nicht schön, aber für die Liga ein möglicher Vorteil. Im Pokal sind die Leipziger noch vertreten und spielen im Viertelfinale gegen Wolfsburg. Und das im Gegensatz zu den Bayern, die sensationell gegen Holstein Kiel scheiterten, dafür aber nach dem 4:1 bei Lazio Rom quasi sicher im Viertelfinale der Champions League stehen.
Das Restprogramm in der Bundesliga sollte für eine Mannschaft, die den Titel will zweitrangig sein. Entscheidend könnte vielmehr das direkte Duell sein. Am 27. Spieltag tritt der Titelverteidiger Bayern im Samstags-Topspiel bei Titelaspirant Leipzig an - Vorentscheidung gut möglich. Zuvor haben die Bayern mit dem Bundesliga-Schlager gegen Dortmund (24. Spieltag) und Leipzig mit dem Duell gegen die Höhenflieger aus Frankfurt (25. Spieltag) jeweils einen echten Gradmesser im Programm.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Leipzig - erst seit 2016 in der Bundesliga, hat sich auch in dieser Saison weiterentwickelt. Neue Spieler wie der torgefährliche Außenverteidiger Angelino sind voll eingeschlagen. Gleichzeitig zeigen etablierte Kräfte wie Emil Forsberg oder Yussuf Poulsen konstant gute Leistungen auf hohem Niveau. Bestes Beispiel für einen Spieler, der von Jahr zu Jahr besser wird, ist Kapitän Marcel Sabitzer. Der Österreicher, bereits seit 2014 in Leipzig, ist als Kapitän der unbestrittene Leader des Nagelsmann-Teams und hat sich zu einem echten "Unterschiedsspieler" entwickelt. Sabitzer führt die Mannschaft auf allen Ebenen hervorragend an - am Ende vielleicht sogar zum Titel?
Schwächung direkter Konkurrenten
Dass die Bayern den Konkurrenten aus Leipzig für voll nehmen, zeigt wohl auch die Tatsache, dass man Leipzigs Top-Innenverteidiger Dayot Upamecano für die kommende Saison verpflichtet hat. Sicherlich kann der FC Bayern den jungen Franzosen in seinem Kader gut gebrauchen, zumal Jerome Boateng wohl keinen neuen Vertrag erhalten wird. Allerdings hat bei Upamecanos Verpflichtung möglicherweise auch eine Rolle gespielt, dass RB durch dessen Abgang geschwächt wird.
Transfers von direkten Konkurrenten hat der Rekordmeister schon immer gerne getätigt. Das war in den Jahren der Rivalität mit Borussia Dortmund bei Robert Lewandowski, Mats Hummels und Mario Götze der Fall und jetzt eben bei Upamecano. So betrachtet hat der FC Bayern RB Leipzig quasi selbst - zumindest im übertragenen Sinne - zum ernsthaften Konkurrenten um den Meistertitel erhoben.