Sie drehte berüchtigte Propaganda-Filme für die Nazis. Leni Riefenstahls gesamter Nachlass mit Briefen, Fotos und Filmen geht an die Staatlichen Museen zu Berlin. Eine umstrittene Schenkung.
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Doku zeigt Bilder aus dem Nachlass von Leni Riefenstahl
Am Rande der Filmfestspiele von Cannes 2024 zeigt Andreas Veiel seine Doku "Riefenstahl". Der Regisseur hatte Zugang zum umfassenden persönlichen Archiv der Filmemacherin, die ihre Kunst in den Dienst der Nazis stellte.
In "Triumph des Willens" stand Hitler im Mittelpunkt. Der Propagandafilm über den Reichsparteitag der NSDAP 1934 in Nürnberg zählt zu den bekanntesten Werken von Leni Riefenstahl. Die Uraufführung fand am 28. März 1935 im UFA-Palast am Zoo in Berlin statt. Er war der zweite Teil von Riefenstahls Parteitags-Trilogie, nach "Der Sieg des Glaubens" und vor "Tag der Freiheit! – Unsere Wehrmacht."
Bild: Photosvintages/Photo12/picture alliance
Fragen nach Kunst, Politik und Ethik
"Triumph des Willens" wurde schnell zu einem der prominentesten NS-Propagandafilme überhaupt. Seine Ästhetik beeinflusste auch nach nach dem Zweiten Weltkrieg noch Spielfilme und Dokumentarfilme bis hin zur Werbung. Aber der Film warf Fragen auf - zum Verhältnis von Kunst, Politik und Moral. Für "Triumph des Willens" (1934) erhielt Leni Riefenstahl den Nationalen Filmpreis 1934/35.
Bild: picture-alliance/Imagno/Schostal Archiv
Faschistischer Körperkult
In "Oympia" dokumentierte Riefenstahl das Berliner Sportfest von 1936 als ein Fest der Völker. Der Film spaltete die Kritiker: Zwar galt er als ästhetisch meisterhaft inszeniert, doch kritisiert wurden die propagandistischen Elemente, vor allem ein "faschistischer Körperkult". Unser Bild zeigt die Entzündung des olympischen Feuers während der Eröffnungszeremonie am 1. August 1936.
Bild: akg-images/picture-alliance
Viele Preise, doppeltes Honorar
Für "Olympia" wurde Leni Riefenstahl mit Preisen überschüttet. Es begann bei der Pariser Weltausstellung 1937. Es folgten Auszeichnungen in Deutschland, Schweden, Italien und Frankreich. Das TIME-Magazin zählt den Film noch heute zu den "100 besten Filmen aller Zeiten". Propagandaminister Goebbels verdoppelte das Honorar der Regisseurin noch während der Dreharbeiten auf 400.000 Reichsmark.
Bild: akg-images/picture-alliance
Häftlinge als Statisten
Um 1940 entstand diese Aufnahme von Dreharbeiten zu "Tiefland". Für das in den Pyrenäen spielende Bergdrama, in dem Leni Riefenstahl die weibliche Hauptrolle spielte, zwangsrekrutierte sie über 100 Roma aus dem bei Salzburg befindlichen sogenannten "Zigeunerlager Maxglan". Da echte Spanier nicht zur Verfügung standen, organisierte die Regisseurin kurzerhand "südländisch" wirkende Häftlinge.
Bild: picture alliance/Keystone
Glühende Verehrerin
"Meinem lieben Führer in tiefster Verehrung", schrieb Leni Riefenstahl in dieser Widmung vom 20. Juni 1933. Wer hatte da noch Zweifel an der politischen Gesinnung der Filmemacherin? Dieses Buch des Philosophen Johann Gottlieb Fichte, das Riefenstahl Hitler zum Geschenk machte, gehört heute zur "Dritte Reich Sammlung" der Library of Congress in Washington DC.
Bild: DW / Christina Bergmann
Impressionen unter Wasser
"Impressionen unter Wasser" nannte Leni Riefenstahl einen Dokumentarfilm über die farbenprächtige Unterwasserwelt des Pazifischen Ozeans. Sie brachte ihn 2002 heraus, kurz vor ihrem 100. Geburtstag. Für das Tauchen hatte die Künstlerin noch im hohen Alter den Tauchschein erworben.
Bild: Frank Mächler/dpa/picture-alliance
700 Kisten Material
Leni Riefenstahl starb 2003 im Alter von 101 Jahren. Die Kisten voller Bücher, Filmrollen und Fotoarchive vermachte sie ihrer ehemaligen Sekretärin Gisela Jahn. Bis Ende 2017 lagerte das Material in Riefenstahls Villa in Bayern, dann vermachte die Erbin es den Staatlichen Museen in Berlin. Filmemacher Andres Veiel konnte hier für seine kommende Dokumentation über die Filmemacherin recherchieren.
Bild: bpk/Staatliche Museen zu Berlin – Kunstbibliothek/Wilfried Petzi
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Der Nachlass umfasst umfangreiche Fotografie- und Filmbestände, Manuskripte, Briefe, Akten und Dokumente. Sie reichen bis in die 1920ger Jahre zurück und sollen nun gesichtet und aufgearbeitet werden, wenn möglich in Kooperation mit der Stiftung Deutsche Kinemathek, teilte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit. "Mit dem Nachlass hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht nur ein bahnbrechendes ästhetisches Werk übernommen", erklärte Stiftungspräsident Hermann Parzinger, "sondern auch eine besondere Verantwortung für die kritische Auseinandersetzung mit dieser streitbaren Person der Zeitgeschichte."
Im Fokus der Aufarbeitung soll Riefenstahls Beziehung zum Nationalsozialismus stehen. Die Filmregisseurin und Fotografin drehte unter anderem die Filme "Triumph des Willens" und "Olympia". Darin inszenierte sie Sportler als heroische Übermenschen und spielte so der Propaganda der Nationalsozialisten in die Hände. Einmal empfing sie Adolf Hitler in ihrer Wohnung.
Lucas: "Modernste Filmmacherin überhaupt"
Wegen ihrer NS-Propagandafilme wurde Leni Riefenstahl zur wohl umstrittensten Regisseurin der Filmgeschichte. Das amerikanische "Time"-Magazin zählte sie als einzige Frau zu den "100 einflussreichsten und beeindruckendsten Künstlern des 20.Jahrhunderts", Hollywood-Regisseur George Lucas nannte sie einmal "die modernste Filmemacherin überhaupt". Andere sahen in ihr den klassischen Fall des von der politischen Macht verführten Künstlers.
Sie selbst hat sich immer als politisch naive Film- und Fotokünstlerin verstanden und doch geriet sie, darin ähnlich dem Theatermann Gustaf Gründgens und dem Bildhauer Arno Breker, in den Strudel von Kunst und Politik.Gleichwohl galt Riefenstahl zu Lebzeiten als kreative und innovative Bilderfinderin. Nach dem Krieg fotografierte sie weiter und veröffentlichte Reportagen aus Afrika und Unterwasserlandschaften. Die Kontroverse über ihre Person freilich hielt an.
Nachlass in der Geburtsstadt Berlin
Nach Riefenstahls Tod 2003 verwahrte ihr Ehemann Horst Kettner den Nachlass weiter in der gemeinsamen Villa am Starnberger See auf. Kurz vor dem eigenen Tod vermachte er ihn dann der gemeinsamen Sekretärin Gisela Jahn. Es sei der Wunsch der Alleinerbin gewesen, den Nachlass der Künstlerin in ihrer Geburtsstadt zu belassen.
Derzeit lagern einem Bericht der BILD-Zeitung zufolge die Umzugskisten mit Riefenstahls Bibliothek, ihren Akten, den Filmen in diversen Varianten vom Originalnegativ bis zur DVD und Fotografien in einem Depot der Staatlichen Museen im Südosten Berlins. Künftig soll er an verschiedenen Orten aufbewahrt werden: Der fotografische Bestand soll im Museum für Fotografie am Bahnhof Zoo untergebracht werden. Den Schriftenbestand mit Korrespondenzen, Tagebüchern und Manuskripten will die Stiftung von der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek betreuen lassen.