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Kunst

Die Kunst der Vorzeit

Rayna Breuer | Sven Töniges
7. April 2021

Durch den Einsatz des deutschen Ethnologen Leo Frobenius gelangten rund 5000 Kopien prähistorischer Felsenmalerei nach Europa. Später inspirierte diese Kunst der Vorzeit Künstler wie Paul Klee und Jackson Pollock.

Ein Foto von der Ausstellung "Kunst der Vorzeit – Felsbilder der Frobenius-Expeditionen", die bis zum 11. Juli 2021 im Museum Rietberg in Zürich zu sehen ist.
Bild: Mark Niedermann Photography

Leo Frobenius - Afrikareisender, Abenteurer und Anthropologe - ist heute nur für wenige ein Begriff. Dabei war er einer der bedeutendsten, aber auch einer der umstrittensten Ethnologen seiner Zeit. Sein Schaffen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die Bedeutung für die moderne Kunst zeigt die aktuelle Ausstellung "Kunst der Vorzeit - Felsbilder der Frobenius-Expeditionen" im Museum Rietberg in Zürich.

Wer war Leo Frobenius?

Der 1873 in Berlin geborene Leo Frobenius war der Erste, der systematisch die Stätten der Höhlenmalerei weltweit dokumentierte. Er reiste nach Afrika, nicht um - wie seine Vorgänger - Krokodile und Gorillas zu erforschen. Leo Frobenius interessierte sich für die frühen Hochkulturen. Der Autodidakt wollte sie erfassen und rekonstruieren.

Die Malerin Agnes Schulz beim Kopieren der Kalingi Odin-Grotte in Kimberley, AustralienBild: Frobenius-Institut

Er war fasziniert von prähistorischer Felsenkunst. Der deutsche Ethnologe, ein umtriebiger Wissenschafts-Netzwerker, leitete ab 1913 zahlreiche kostspielige Expeditionen durch Höhlen in Europa, Afrika und Australien. Dafür engagierte er überwiegend Malerinnen, die die Höhlen- und Felsenmalereien in meist schwer zugänglichen Gebieten akribisch auf großen Leinwänden abmalten. So entstanden um die 5000 Bilder, dessen Originale heute zum Teil verschwunden sind.

Eine ganze Reihe von Expeditionen führten Frobenius' Team in die Sahara: Aus dieser Region stammt die im unten folgenden Video zu sehende Höhlenritzung, die den Angriff eines Leoparden auf ein Elefantenbaby zeigt, das von seiner Mutter verteidigt wird. In dieser Gegend gibt es heute nicht  einen Grashalm. Und schon gar keine Elefanten. "Also müssen diese Bilder vor ungefähr 6000 bis 8000 Jahren entstanden sein, als die Sahara noch grün war", erklärt Richard Kuba, Kurator der Zürcher Schau.

Frobenius sah die afrikanische Kultur als der europäischen gleichwertig an. Er kritisierte die allgegenwärtige europäische Denkweise, die die Menschen in Afrika zu "Halbmenschen" erklärte. Dafür wurde er in Afrika geschätzt, unter anderem von den Gründungsvätern der Négritude-Bewegung, einer literarisch-politischen Strömung, die für eine kulturelle Selbstbehauptung aller Menschen Afrikas eintritt. Unter anderem Léopold Sédar Senghor, der erste Präsident Senegals, war Anhänger dieser Bewegung.

Umstrittener Anthropologe

Leo Frobenius leitete das Völkerkundemuseum in Frankfurt am MainBild: DB/dpa/picture-alliance

Doch Leo Frobenius als Widersacher des Kolonialismus zu sehen, wäre ein Trugschluss: Er war ein Freund Kaiser Wilhelms II. - und später liebäugelte er mit den Nationalsozialisten. Er schätzte weder die Moderne, noch war er ein Vertreter der Emanzipation - obwohl ihn auf seine Expeditionen viele Malerinnen begleitet haben. Dies lag aber vermutlich daran, dass Leo Frobenius für männliche Expeditions-Begleiter mehr Ausgaben gehabt hätte als für Frauen, die sich zum Teil selbst finanzierten.

Durch die zahlreichen Kopien der Felsenmalerei wurde die Kunst der Vorzeit transportfähiger – und für viele Forscher sichtbarer und greifbarer. Die entstandenen Kopien waren allein als Dokumentationen im Dienste der Völkerkunde gedacht. Doch nachdem sie in den Dreißiger Jahren in bis zu 40 großen Ausstellungen zu sehen waren, wurden sie mehr und mehr als autonome Kunstwerke wahrgenommen. Und immer mehr Künstler der Moderne wie Paul Klee und Jackson Pollock interessierten sich für das, was ihre Kolleginnen und Kollegen vor 40.000 Jahren so getrieben haben. So hatte auch Paul Klee einen Frobenius-Bildband im Regal. Vermutlich sind einige seiner Bilder von der Höhlenkunst inspiriert.

Die aktuelle Ausstellung "Kunst der Vorzeit - Felsbilder der Frobenius-Expeditionen" im Museum Rietberg in Zürich ist noch ist zum 11. Juli 2021 zu sehen.

Hand- und Fusssilhouetten, die Leo Frobenius und sein Team auf ihrer Expedition in Indonesien abgemalt habenBild: Frobenius-Institut
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