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Leonardo Padura: Das Meer der Illusionen

Klaudia Prevezanos11. September 2006

Im vierten Teil des 'Havanna-Quartetts' geht's mal wieder um die kubanische Wirklichkeit: Teniente Mario Conde begegnet abgehalfterten Funktionären und alten Familien, die viel, aber längst nicht alles verloren haben.

Wer gute Unterhaltung mit exotischem Flair sucht, wird auf jeden Fall mit Paduras Fällen des Teniente Mario Conde glücklich werden. Ungefragt gibt es aber noch detailreiche Informationen über das Leben in dem Karibik-Staat jenseits von Kuba-Klischees zu lesen. Padura hat sich für einen Kommissar als Hauptfigur entschieden und damit für das Krimi-Genre, weil Polizisten überall hinkommen, in die Häuser der Reichen und Begünstigten, zu den Benachteiligten und Lichtscheuen. Dass der Autor eigentlich über seine Insel schreiben wollte und Kritik an den Zuständen dort, ist leicht zu erkennen.

Wie in den drei Bänden zuvor spielt die auch "Das Meer der Illusionen" im Jahr 1989. Ein Jahr des Umbruchs für das sozialistische Kuba. Der Zerfall des Sozialismus in Osteuropa, der Fall der Mauer in Deutschland und das absehbare Ende der Sowjetunion hatten erheblichen Einfluss auf das weit entfernte Land. Wegen der ausbleibenden wirtschaftlichen Unterstützung durch andere sozialistische und kommunistische Staaten geriet Kuba in eine schwere Wirtschaftskrise.

Nicht regimekonform

1989 war aber auch das Jahr des so genannten Ochoa-Skandals auf Kuba. Es wurde bekannt, dass hochrangige Vertreter aus Militär und Innenministerium an Drogengeschäften und illegalem Kunst- und Elfenbeinhandel beteiligt waren. Das sorgte für Wirbel - international, aber auch im Land selber. Autor Padura sagte einmal selbst über das Wendejahr: "Damals gingen den Leuten die Augen auf, es war das Ende aller Illusionen." Das ist auch Paduras Thema in seinen vier Bänden, die von der Realität des sozialistischen Insel-Staates in jenen Monaten handeln.

Paduras "Quartett" ist nicht regimekonform - genau so wenig wie der Autor. Nach seinem Studium in Havanna arbeitete er zunächst für die Zeitschrift "El Caimán Barbudo", wurde von dort aber wegen "ideologischer Probleme" strafversetzt zur Zeitung "Juventud Rebelde", wie der Unionsverlag schreibt. Und doch konnte er alle vier Bücher unzensiert in seiner Heimat, wo der 1955 Geborene noch immer lebt, veröffentlichen. Weil er bei seiner Kritik bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Padura sagte dazu einmal: "Meine Kritik ist bitter nötig, aber ich will sie auch weiterhin in Kuba formulieren können und sie soll hier gelesen werden."

Leonardo Padura in seinem Haus in HavannaBild: AP

Nur scheinbar eine tadellose Vergangenheit

Im Auftaktband des "Quartetts" wird der Mustergenosse und Ex-Mitschüler des Conde, Rafaél Morin, vermisst und später tot aufgefunden. Der Mann mit dem "perfekten Leben" - so der Titel des Buches - scheint zwar eine tadellose Vergangenheit zu haben, doch sein Wohlstand als Funktionär machte ihn fast unersättlich. Während er im Auftrag des kubanischen Handelsministeriums und am US-Embargo vorbei Geschäfte im kapitalistischen Ausland machte, hat er sich zu sehr in die eigene Tasche gewirtschaftet. Der zweite Band "Handel der Gefühle" führt ebenfalls in die angeblich vorbildliche Welt der Funktionäre und Akademiker. Eine junge Chemielehrerin wird erwürgt in ihrer Wohnung mit Hifi-Anlage und Farbfernseher aufgefunden. Das Thema Gelegenheitsprostitution in Kuba rückt in den Mittelpunkt der Ermittlungen.

In "Labyrinth der Masken" hingegen geht es um den Mord an einem Transvestiten und Sohn eines hohen Diplomaten der Insel. Der Teniente kann bei den Ermittlungen seinen Vorurteilen gegen Schwule freien Lauf lassen, vertritt er damit doch die deutliche Mehrheitsmeinung in Kuba zu der Zeit. Der Schluss-Band "Das Meer der Illusionen" beginnt bereits dramatisch, bedroht doch ein Hurrikan die Karibik-Insel: Alle sind damit beschäftigt, Hab und Gut und sich selbst zu schützen. Mario Conde will sich eigentlich nur auf die selbst beantragte Entlassung aus dem Polizeidienst vorbereiten, doch für einen besonders heiklen Fall will sein neuer, karriereorientierter Vorgesetzter nicht auf ihn verzichten.

Wehmütiger Abschied

Neben der Gesellschaftskritik und dem exotischen Flair Kubas profitieren die vier Romane von der Person des Mario Conde. Er ist Mitte 30, ein Verlierer und Melancholiker, der sich Zuhause den schweigsamen Kampffisch Rufino als Gesellen hält. Er ist aber auch ein sensibler und treuer Freund des "Dünnen", der seit dem Angola-Krieg, in den Kuba verwickelt war, querschnittsgelähmt und einsam ist. Von den Frauen im Leben des Conde ganz zu schweigen. Die meist arrogante Macht der Polizei in einem undemokratischen Staat will Conde nicht verkörpern und fühlt sich in seiner Haut eigentlich nicht wohl. Polizist ist er nur aus Versehen geworden, weil er nicht den Willen hatte, den Lauf der Dinge aufzuhalten.

Am Ende des "Havanna-Quartetts" aber wendet sich der Teniente seinem jahrelangen Traum zu, als Schriftsteller zu arbeiten. Er setzt sich an seinen Schreibtisch und beginnt ein Buch zu schreiben mit dem Titel "Ein perfektes Leben". Für den Leser ein wehmütiger Abschied vom Teniente.

Leonardo Padura
Das Meer der Illusionen
Unionsverlag 2006
ISBN 3-293-20374-4
EUR 9,90

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