Lettas Charmeoffensive
30. April 2013Auf den ersten Blick ist es ein dynamischer und zupackender Mensch, der an der Seite von Angela Merkel vor die versammelte Hauptstadtpresse tritt. Das muss Enrico Letta auch sein, angesichts der enormen Probleme, die der neue italienische Regierungschef bewältigen muss. Sein Land befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise, eine tiefe Rezession hat Italien fest im Griff. Allein die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 36 Prozent.
Der Sozialdemokrat weiß, dass er keine Zeit zu verlieren hat und er hat recht genaue Vorstellungen, welchen Weg Italien unter seiner Regierung einschlagen soll. "Sparprogramme allein werden uns umbringen", hatte Letta am Montag in seiner Regierungserklärung gesagt und sich nicht nur für eine stärkere Wachstumspolitik ausgesprochen, sondern auch deutlich gemacht, dass Italien mehr Zeit für die Konsolidierung seiner Staatsfinanzen brauchen wird.
Kein Wort gegen die Sparpolitik in Berlin
Diese Botschaft wiederholt er in Gegenwart von Angela Merkel in Berlin allerdings erst einmal nicht. Stattdessen spricht er von "der festen Verpflichtung und dem festen Engagement Italiens, weiterhin auf dem Weg der Haushaltssanierung und der Sanierung der öffentlichen Finanzen voranzuschreiten". Besonders wichtig sei ihm aber auch, sich für mehr Gemeinsamkeit in der EU einsetzen, und das gemeinsam mit der Bundesregierung. Europa habe immer Erfolg gehabt, "wenn Deutschland und Italien gemeinsam voranschritten", so Letta.
Die Krise, die sich seit fünf Jahren hinziehe, habe noch keine Lösung gefunden, weil es noch nicht genug Europa gegeben habe, analysiert der Italiener. "Das ist die stärkste Verpflichtung meiner Regierung überhaupt, dass Europa insbesondere während der italienischen Ratspräsidentschaft 2014 seine Ziele erreicht, also die Banken-, die Wirtschafts-, die Fiskalunion und die politische Union." Nur wenn diese vier Grundsäulen der EU erreicht würden, "können wir Antworten auf unsere hausgemachten Probleme finden, ansonsten wird alles noch viel schwieriger werden".
Auf Anhieb ein gutes Verhältnis
Die Bundeskanzlerin wird das gerne hören, hofft sie doch auf eine, wie sie sagt, "freundschaftliche, gute und intensive Zusammenarbeit" mit dem neuen italienischen Premier. Die zwei Monate, die seit den Wahlen in Italien vergangenen sind, seien nicht einfach gewesen, so Merkel. Sie wünsche Letta "eine glückliche Hand" zum Wohle Italiens, aber auch zum Wohle der deutsch-italienischen Beziehung und zum Wohle Europas. "Sie haben sich ja nicht Monate darauf vorbereitet", so Merkel direkt an Letta gewandt. Es sei "eine neue Situation" auch für den Italiener.
In der augenblicklichen Lage sei es besonders wichtig, Vertrauen wiederherstellen. Das müssten die Staaten gemeinsam in Europa machen, aber auch "jeder für sich zuhause", so die Bundeskanzlerin, die dann doch noch ihr eigentliches Anliegen thematisiert. "Für uns in Deutschland sind Haushaltskonsolidierung und Wachstum zwei Elemente, die nicht gegeneinanderstehen, sondern die sich miteinander entwickeln müssen", sagt Merkel und antwortet damit auf die Regierungserklärung, die Letta in Rom gehalten hat. Nur gemeinsam würden die beiden Elemente zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und damit auch zu mehr Arbeitsplätzen führen. "Wir müssen dazu kommen, dass in unseren Ländern viel investiert wird, dass Unternehmen frei atmen können, dass die Bereitschaft, Menschen Arbeit zu verschaffen wieder zunimmt. Dafür muss Bürokratie abgebaut werden, private Investitionen müssen zunehmen und der Staat muss den jeweiligen Rahmen setzen."
Gegen diese Analyse wird der neue italienische Regierungschef nichts einzuwenden haben. Auf weitergehende Ermahnungen aus Deutschland legt er allerdings keinen Wert. "Wir haben nicht die Absicht, den Deutschen zu sagen, was sie zu tun haben, so, wie die Deutschen auch nicht die umgekehrte Absicht haben, uns zu sagen, was wir zu tun haben", so Letta in Berlin. Deutlicher hätte er nicht sagen können, dass Italien unter seiner Führung den strengen Sparkurs sicherlich nicht ganz so konsequent einhalten wird, wie die Deutschen das gerne hätten.