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Lettlands Staatsdienst bietet für Nicht-Letten nur wenig Raum

12. September 2002

- Hoffnungen auf Karriere innerhalb der EU

Riga, 3.9.2002, DIENA, lett., S. 12

Mihails Kozlovs, der Direktor der Abteilung Europäische Integration beim lettischen Finanzministerium, wird von seinen Kollegen als guter Fachmann mit perfekten Lettisch-Kenntnissen beschrieben. Kozlovs ist einer der acht Prozent der Nicht-Letten, die in lettischen Ministerien beschäftigt sind, wie einer Studie des Soziologen Artis Pabriks zu entnehmen ist. Die Studie "Ethnische Größenverhältnisse, Beschäftigung und Diskriminierung in Lettland" ist mit finanzieller Unterstützung der Soros-Stiftung durchgeführt worden, um im Zusammenhang mit der EU-Direktive zur Bekämpfung direkter und indirekter Diskriminierung aus ethnischen Gründen die Lage in Lettland zu untersuchen. (...)

Nach Pabriks Angaben gibt es in den Ministerien einen "recht deutlichen" Disproporz. 92 Prozent der Beschäftigten seien Letten, während die Letten 76,3 Prozent aller Bürger ausmachen. "Ich habe keine Beweise für die Behauptung, dass dieses Missverhältnis auf Diskriminierung zurückzuführen ist", betonte er.

Ein Großteil der russischsprachigen Bürger bewirbt sich nicht um diese Posten, sagen Soziologen. Die Gründe - niedrigere Gehälter als im Privatsektor, fehlende Staatsbürgerschaft, fehlender Nachweis von Lettisch-Kenntnissen, Angst vor Diskriminierung und das Gefühl der Staatsferne.

Kozlovs fällt es schwer, der Behauptung zuzustimmen, dass Nicht-Letten in der öffentlichen Verwaltung nicht tätig sein möchten. "Freunde und Bekannte sagen, man gewinne an Ansehen, wenn man im staatlichen Sektor, insbesondere im Finanzministerium, beschäftigt ist."

Nach Angaben von Baltic Barometer (Beobachterorganisation) haben 58 Prozent der Angehörigen ethnischer Minderheiten und 44 Prozent der ethnischen Letten durch private Kontakte, gewöhnlich innerhalb der selben Sprachgruppe, eine Stelle gefunden. Die Gespräche mit Angehörigen ethnischer Minderheiten, die in lettischen staatlichen Institutionen einen wichtigen Posten innehaben, sind widersprüchlich. Einige behaupten, bei der Bearbeitung von etwa 30 Prozent der Bewerbungen handele es sich um reine Formalitäten, während andere sagen, in den meisten Fällen sei man objektiv und die Bewerber seien den Leitern der Institutionen unbekannt, so die Studie.

Im Jahre 2001 waren 82 Prozent der Bewerber für Posten in Ministerien Letten und 18 Prozent Nicht-Letten. Erfolgreich schnitten 90 Prozent der Letten und zehn Prozent der Nicht-Letten ab. Im Vergleich zur Sowjetzeit ist in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der ethnischen Letten in der Administration gestiegen, stellt Pabriks in seiner Studie fest.

Nicht-Letten ebenfalls interessiert

Armands Kalnins, der Leiter der Staatlichen Verwaltung für den öffentlichen Dienst, ist der Ansicht, dass das ethnische Missverhältnis sich mit der Zeit ausgeglichen hat, weil das Interesse von Nicht-Letten an einer Beschäftigung im Staatsdienst zugenommen hat. Viele junge Menschen sehen im Staatsdienst die Möglichkeit, ihr Ziel zu verwirklichen - außerhalb Lettlands in der EU zu arbeiten. "Wenn jemand schon in der Schulzeit an eine Karriere im Staatsdienst denkt, dann wird er alles tun, um sowohl in der lettischen als auch in Fremdsprachen fit zu sein", sagt Kalnins... (...) Er ist der festen Meinung, dass junge Leute mit Erfahrung in der staatlichen Verwaltung eine große Bereitschaft zeigen, Arbeitsangebote von europäischen Institutionen anzunehmen. "Eine gute Ausbildung in Lettland, Fortbildungskurse an irgendeiner europäischen Hochschule und sechs Monate Arbeit in der öffentlichen Verwaltung sind ein guter Start für die Zukunft. Selbstbewusstsein, Engagement und Sprachkenntnisse werden sehr geschätzt", betont er. Erfahrungen im privaten Sektor werden ebenfalls als Vorteil angesehen... (...). (TS)