Die Weiße Rose rief 1942 in München zum Widerstand gegen das NS-Regime auf. Traute Lafrenz gehörte zum engsten Kreis, war zeitweise die Freundin von Mitgründer Hans Scholl. Nun ist sie im Alter von 103 Jahren gestorben.
Anzeige
Sie war die letzte Überlebende der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Traute Lafrenz starb bereits am 6. März im US-Bundesstaat South Carolina, wie die Weiße Rose Stiftung am Donnerstag mitteilte. "Sie war eine Mitwirkende, aber hat kein Heldentum gesucht, sie hat gehandelt, weil sie es für wichtig und notwendig hielt", sagte die Vorsitzende der Stiftung, Hildegard Kronawitter, der Deutschen Presse-Agentur.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach bei Twitter von einer traurigen Nachricht und schreib weiter: "Es war ein großes Glück für uns, dass sie überlebte und so anschaulich vom Widerstand berichten konnte."
Die Weiße Rose hatte ab dem Sommer 1942 an der Universität München mit Flugblättern zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus und zur Beendigung des Krieges aufgerufen. Sieben Mitglieder wurden von der NS-Justiz ab Februar 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Rund 60 Mitstreiter wurden laut Stiftung in mehreren Prozessen angeklagt und zum Teil zu langen Haftstrafen verurteilt.
Ein Sommer lang Freundin von Hans Scholl
Lafrenz kam 1919 in Hamburg auf die Welt. 1939 begegnet sie in der Hansestadt mit Alexander Schmorell einem Mitbegründer der Widerstandsgruppe. Zwei Jahre später wechselt die Medizinstudentin an die Münchner Universität. In München lernt sie über Schmorell auf einem Konzert Hans Scholl kennen. "Die beiden waren den Sommer lang ein Paar", sagte Kronawitter. "Sie blieben im Anschluss befreundet. Später wuchs Traute Lafrenz in den aktiven Widerstand hinein."
Die Weiße Rose: Kampf gegen Hitler
Sie lernten sich als Studenten in München kennen und hatten ein gemeinsames Ziel: das Nazi-Regime stürzen. Die Mitglieder der Weißen Rose um die Geschwister Scholl bezahlten für ihre Überzeugungen mit dem Leben.
Bild: picture-alliance/U. Baumgarten
Geschwister im Widerstand
Zum Zeitpunkt der Machtergreifung Hitlers 1933 sind Hans und Sophie Scholl noch Schüler. Beide begeistern sich zunächst für den Nationalsozialismus und engagieren sich in der Hitlerjugend beziehungsweise im Bund Deutscher Mädel. Doch mit den Jahren reift die Überzeugung, etwas gegen das Regime unternehmen zu müssen. 1942 gründet Hans Scholl die Widerstandsgruppe Weiße Rose.
Bild: picture-alliance/dpa/Ullstein
"Nieder mit Hitler"
Alexander Schmorell, Sohn einer russischen Mutter und Medizinstudent, ist Mitbegründer der Weißen Rose. Zusammen mit seinem Kommilitonen Hans Scholl verfasst er den Großteil der Flugblätter der Gruppe und schreibt Parolen wie "Nieder mit Hitler" an Münchner Hauswände. Für seinen Mut wird er 2012 von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochen.
Bild: picture alliance/dpa/Fam. Schmorell
Schrecken des Krieges
Medizinstudent Christoph Probst (rechts) und Sophie Scholl stoßen später zur Weißen Rose. Hans Scholl (links) verschickt die ersten Flugblätter im Juni 1942. Kurz danach wird er an die Ostfront einberufen. Seine Erlebnisse als Sanitätssoldat lassen seine Ansichten radikaler werden. Der Ton in den Flugblättern verschärft sich.
Bild: ullstein bild/AKG/George J. Wittenstein
Mit Flugblättern gegen die Diktatur
Auf dieser Schreibmaschine entstehen die Matrizen für die Flugblätter der Weißen Rose. Insgesamt verfasst die Gruppe sechs Schreiben, die sie an ausgewählte Akademiker verschickt und vor allem in München verteilt. "Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen" ist darin unter anderem zu lesen. Anfangs stellt sie wenige Hundert, zum Schluss bis zu 9.000 Exemplare her.
Bild: picture-alliance/dpa
"Der Tag der Abrechnung ist gekommen"
An der Ludwig-Maximilians-Universität München erinnern in das Pflaster eingelassene Flugblätter an die Weiße Rose. Das sechste Flugblatt mit dem Titel "Kommilitoninnen! Kommilitonen!", verfasst von Philosophieprofessor Kurt Huber, ruft die Jugend zum Widerstand gegen die Hitler-Diktatur auf. Das Verteilen der Zettel an der Universität wird der Gruppe 1943 zum Verhängnis.
Bild: Imago
Der verhängnisvolle Tag
Am 18. Februar 1943 legen Hans und Sophie Scholl in der Universität München das sechste Flugblatt der Weißen Rose aus. Als Sophie Scholl den letzten Stapel Papier von der Brüstung in den Lichthof regnen lässt, erwischt sie der Hausmeister und liefert die Geschwister der Geheimen Staatspolizei aus.
Bild: Imago
Mutig bis zum Schluss
Die Szene aus Michael Verhoevens Film "Die weiße Rose" (1982) zeigt den Moment, als Hans und Sophie Scholl (gespielt von Wulf Kessler und Lena Stolze) von der Gestapo verhaftet werden. Im Verhör leugnen beide zunächst ihre Taten, wegen der erdrückenden Beweise legen sie aber schließlich Geständnisse ab. Sie versuchen, sich als Hauptschuldige darzustellen, um ihre Freunde zu schützen.
Bild: picture-alliance/dpa/Filmverlag der Autoren
Das Todesurteil
Die Prozesse gegen die Weiße Rose finden vor dem Volksgerichtshof statt, unter Vorsitz von Roland Freisler. Am 22. Februar 1943 verurteilt er Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst zum Tode. Die Urteile werden nur vier Stunden später vollstreckt. Am 19. April 1943 sitzen u.a. Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Kurt Huber auf der Anklagebank. Auch sie erhalten die Todesstrafe.
Bild: Bundesarchiv
Vorbilder bis heute
Im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität München erinnert eine Büste von Sophie Scholl an die Weiße Rose. Sie gilt bis heute als bekannteste Widerstandsgruppe im Dritten Reich. Ihre Mitglieder sind Vorbilder für beispielhafte Zivilcourage. Zahlreiche Schulen, Straßen und ein bedeutender deutscher Literaturpreis sind nach den Geschwistern Scholl benannt.
Bild: picture-alliance/U. Baumgarten
9 Bilder1 | 9
Lafrenz übergab Flugblätter der Weißen Rose an Freunde in Hamburg. Auch nach Wien - zu Tante und Onkel - brachte die Studentin ein Flugblatt. Dort versuchte sie, einen Vervielfältigungsapparat zu organisieren, was aber nicht gelang.
Vom NS-Justiz zu Haftstrafe verurteilt
Nach der Verhaftung von Hans Scholl und dessen Schwester Sophie im Februar 1943 fuhr Lafrenz nach Ulm und informierte die Eltern. Für Christoph Probst bereitete sie noch ein Gnadengesuch vor und ließ es von seiner Frau unterschreiben - doch als sie damit nach München zurückkehrte, waren die drei bereits hingerichtet. Im Anschluss nahm sie - als einziges Nichtfamilienmitglied - an der Beerdigung von Hans und Sophie Scholl teil - für Kronawitter ein Zeichen großen Mutes und Empathie.
Einen Monat später wurde Lafrenz selbst verhaftet, angeklagt und wegen "Mitwisserschaft" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach ihrer Entlassung aus einem Münchner Gefängnis kehrte sie nach Hamburg zurück, kam dort nach Ermittlungen gegen den "Hamburger Zweig der Weißen Rose" erneut in Untersuchungshaft und war anschließend in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert bis sie im April 1945 von US-Truppen befreit wurde.
Anzeige
"Eine Heldin der Freiheit und der Menschlichkeit"
1947 emigrierte Traute Lafrenz in die USA und arbeitete zunächst als Assistenzärztin in San Francisco. Nach der Heirat mit ihrem Kollegen Vernon Page 1948 eröffnete sie gemeinsam mit diesem eine Arztpraxis, wie die Zeitung "The Post and Courier" in einem Nachruf schreibt. Später wurde sie Leiterin einer Schule für Kinder mit Lernschwierigkeiten.
An ihrem 100. Geburtstag wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte damals: "Traute Lafrenz Page gehörte zu den Wenigen, die angesichts der Verbrechen der Nationalsozialisten den Mut hatten, auf die Stimme ihres Gewissens zu hören und sich gegen die Diktatur und den Völkermord an den Juden aufzulehnen. Sie ist eine Heldin der Freiheit und der Menschlichkeit."