Letzte Chance
10. Oktober 2006Seit Oktober 2002 wird Nordirland nun von London aus verwaltet, denn die Protestanten-Partei DUP hatte sich damals weiterhin geweigert, mit der katholischen, irisch-nationalistischen Sinn-Fein-Partei zusammenarbeiten. Diese gilt als politischer Arm der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Von Mittwoch (11.10.2006) an haben die Beteiligten im schottischen St. Andrew's drei Tage lang Zeit, um eine Lösung zu finden. Spätestens am 24. November müssen sie sich auf eine unabhängige Regierung für Nordirland einigen, sonst wird es in Belfast keine geben.
"Die nordirischen Politiker müssen sich entscheiden"
Bereits im September hatte der irische Ministerpräsident Bertie Ahern betont, die irische und britische Regierung seien bereit, das Parlament für die nordirische Provinz zu schließen, falls die Frist bis zum 24. November nicht eingehalten werde. Er teile die britische Einschätzung, dass es in diesem Fall bis 2009 keine neuen Verhandlungen geben werde. "Die nordirischen Politiker müssen sich entscheiden, ob sie regieren wollen oder nicht", erklärte Ahern. Andernfalls werde die Provinz Nordirland unter eine gemeinsame Direktverwaltung von London und Dublin gestellt.
Zwar gab es nach der Auflösung der mit Katholiken und Protestanten besetzten Selbstverwaltung in Belfast 2002 nochmals im November 2003 Regionalwahlen, aus denen die protestantische Democratic Unionist Party (DUP) und die katholische Sinn Fein als stärkste Parteien hervorgingen. Doch der Konflikt um die gegenseitige Anerkennung ging weiter.
Streitpunkt IRA
Erst Mitte Mai 2006 war das Parlament dann zu seiner ersten Sitzung seit vier Jahren zusammengekommen. Doch die Regierungsbildung scheiterte, weil der protestantische Hardliner Ian Paisley sich weigerte, den Posten des Regierungschefs anzunehmen. Der Grund: Als Stellvertreter hätte er einen Vertreter von Sinn Fein akzeptieren müssen. Diese Zusammenarbeit verweigerte er jedoch. Ständiger Streitpunkt der Regierungsbildung in den vergangenen Jahren war und ist die Entwaffnung und letztlich die Auflösung der Untergrundorganisation IRA.
Kernpunkt der jetzigen Verhandlungen ist wie schon bei der versuchten Regierungsbildung 2002 die Umsetzung des Karfreitagsabkommens von 1998. Das Friedensabkommen sieht für Nordirland eine Vier-Parteien-Koalition unter gleicher Beteilung der pro-britischen Protestanten und der irisch-nationalistischen Katholiken vor. Die DUP und Sinn Fein sind dabei die Parteien mit dem größten Einfluss.
Gute Kritiken für die IRA
Wenige Tage vor den Gesprächen zur Regierungsbildung in St. Andrew's hat eine Expertenkommission der IRA ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die unabhängige Beobachterkommission für paramilitärische Aktivitäten in Nordirland (Independent Monitoring Commission - IMC) bestätigte am Mittwoch (4.10.) den anhaltenden Gewaltverzicht und die fortschreitende Entwaffnung der katholisch-nationalistischen Untergrundorganisation. Paramilitärische Strukturen wie das Hauptquartier seien aufgelöst und Anwerbungen gestoppt worden. Die IRA-Führung scheine auch keine Rückkehr zur Gewalt mehr anzustreben, sondern versuche, ihre Mitglieder gezielt davon abzuhalten, hieß es weiter.
Damit bekräftigte die Kommission ihre schon sechs Monate zuvor gemachte Einschätzung, dass die IRA-Führung eine radikale Abkehr von terroristischer Gewalt vollzogen habe und den Weg seitdem fortgesetzt hat. Allerdings seien einzelne IRA-Mitglieder in Verbrechen verwickelt, um davon finanziell zu profitieren.
Premierminister Tony Blair erklärte daraufhin, nun sei die Tür offen für eine friedliche Beilegung des Nordirland-Konflikts. Ahern sagte, der Bericht der Beobachter-Kommission zeige, dass sich die Sicherheitslage in Nordirland radikal verändert habe.
Alles hängt von Ian Paisley ab
Nun kommt es nach Expertenmeinung darauf an, wie sich der DUP-Chef und radikale protestantische Pfarrer Paisley verhalten wird. Er hatte sich in dem Konflikt oft als unnachgiebiger Scharfmacher erwiesen. Die linksliberale britische Tageszeitung "The Independent" schrieb nach der Veröffentlichung des IMC-Berichts: "Die Entscheidung, ob es zu einer gemeinsamen Regierungsbildung kommt oder nicht, wird nun von dem gealterten aber noch immer respektablen Ian Paisley getroffen." Bisher habe er eine Einigung abgelehnt, doch gab es zwischenzeitlich sowohl von ihm als auch anderen DUP-Stimmen Hinweise, dass er doch zustimme. "Weil London und Dublin sich nicht sicher sein können, wie er sich entscheidet, haben sie in den vergangenen Monaten so viel Druck wie möglich auf ihn ausgeübt", heißt es im "Independent" weiter. "Allerdings ist Paisley ein harter Mann mit der bemerkenswerten Eigenschaft völlig zu ignorieren, was der Rest der Welt über ihn denkt."