Leuchtende Mäuse
10. Mai 2013"Als meine Tochter 10 Jahre alt war, wurde sie gefragt was denn ihr Vater so mache. Sie sagte, er fängt Mäuse und alle lachten", erinnert sich Radislav Sedlacek, Wissenschaftler am Prager Institut für Molekulargenetik. Solchen Missverständnissen begegnet der Forscher immer wieder im Laufe seiner eigentlich äußerst spannenden und komplexen Arbeit.
Manchmal habe er tatsächlich auch mit Mäusen zu tun, meint Sedlacek im Gespräch mit der DW. "Aber darum geht es nicht wirklich bei meiner Arbeit." Der Wissenschaftler sitzt in dem organisierten Chaos seines Labors im dritten Stock des Instituts, einem Hochglanz-Hightech Gebäudekomplex nahe der Autobahn vom tschechischen Prag nach Brünn. Das Institut gehört zur Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Vereinfacht gesagt, kreierten er und sein Team Modelle, um die Funktion des menschlichen Köpers besser erklären zu können, so Sedlacek. Ihr Arbeitsplatz befindet sich in einem sterilen Bereich, hinter dicken Türen. Besucher haben hierzu keinen Zutritt. Hier leben Labormäuse- und ratten, denen man Stammzellen und anderes genetisches Material injiziert, um winzige genetische Veränderungen herbeizuführen.
Um diesen Verlauf zu kontrollieren, können Sedlacek und sein Team die Mäuse dann tatsächlich aufleuchten lassen - mithilfe von farbigen Proteinen der Koralle. Unter einer Spezialkamera können die Wissenschaftler beobachten, wie sich eine Zelle entwickelt, wenn ein bestimmtes Gen abgeschaltet ist - ohne, dass man das Tier vorher töten muss.
Bestimmte Gene deaktivieren
In seinem derzeitigen Projekt gehe es um eine neue Methode, ein Gen abzuschalten", erklärt Petr Kasparek, einer der Doktoranden im Team. "Wenn es uns gelingt, Gene zu deaktivieren, können wir beobachten welche Funktion genau dieses Gen für die Maus hatte."
Den Gen-Knockout, also das vollständige Abschalten eines Gens, gebe es zwar schon seit einigen Jahren, das Prager Team habe aber nun eine neue, viel schnellere und wahrscheinlich auch effektivere Methode entwickelt, erklärt Kasparek und beugt sich über ein Reihe von Reagenzgläsern, die er vorsichtig - Glas für Glas - mit einer Pipette injiziert. "Es scheint, als seien wir eins von nur drei Laboren weltweit, die dazu in der Lage sind."
Spezialkameras sind nötig
Die lebende Maus kann nach dem Gen-Knockout täglich unter der Spezialkamera beobachtet werden. Diese Untersuchungen geben den Prager Wissenschaftlern objektive Messwerte. So lassen sich zum Beispiel Prozesse besser beobachten und verstehen, die im Darm Krebs auslösen.
"Zuerst gilt es zu bestimmen, welche Gene für welches Gewebe, für welchen Zelltypus und natürlich für die Entstehung der Krankheit spezifisch sind", beschreibt Sedlacek den Vorgang. Wenn man die Gene einmal identifiziert habe, könne man sie manipulieren und aus dem Organismus entfernen. "Dann können wir ein bestimmtes Modell benutzen - mit dem Mäusemodell lässt sich beispielsweise die Entwicklung bestimmter Tumore beobachten."
Wenn die Krankheit sich verschlimmere, sei klar, dass dieses Gen eine Schutzfunktion hat, erklärt Sedlacek. "Das heißt, es hat keinen Sinn, ein Medikament dagegen zu entwickeln." Schreite die Krankheit dagegen nicht fort, könne es sein, dass es die Krankheit auslöse oder zumindest damit zu tu habe.
"Dann kann man einen Kollegen der Arzneimittelentwicklung bitten, einen Hemmstoff zu entwickeln", so Sedlacek.
Radislav Sedlacek vom Prager Institut für Molekulargenetik ist ein bescheidener Mann. Selbst, wenn man die unglaublichen Fortschritte in der Genforschung der letzten Jahre betrachte, meint er, so tappe man doch noch im Dunkeln: Welche Rolle spielen Gene bei Erkrankungen? Leuchtende Mäusezellen sind ein kleiner Schritt zur Lösung des Rätsels.