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Leverkusens schleichender Abstieg

16. September 2017

Für Bayer 04 Leverkusen ist 2017 ein echtes Krisenjahr. Die Werkself ist knapp dem Abstieg entgangen und steckt schon wieder in großen Problemen. Schuld ist offenbar vor allem die Mentalität der Spieler.

Trainer Heiko Herrlich von Bayer 04 Leverkusen schaut nachdenklich in die Kamera (Foto: picture-alliance/Revierfoto)
Bild: picture-alliance/Revierfoto

Die zweite Trainingseinheit des Tages am Nachmittag ist intensiv. Enges Spielfeld, viele Zweikämpfe und Torabschlüsse. Die Profis müssen immer wieder tief durchpusten und nutzen ihre kurzen Pausen dazu, sich schnell zu regenerieren.

Diese Übungseinheit steht stellvertretend für eine intensive Trainingswoche bei Bayer 04 Leverkusen, in der nicht nur Kondition, Ballfertigkeit und Taktik verbessert werden sollen, sondern auch an der Mentalität entscheidende Veränderungen vorgenommen werden müssen. "Wir müssen wieder dahin kommen, zu ackern, zu beißen und dann auch wieder Tore zu schießen", sagt Angreifer Stefan Kießling der DW.

Defensive kaum wettbewerbsfähig

Ein Punkt aus drei Bundesligaspielen ist ein Negativrekord für Bayer 04. Nie sind die Leverkusener schlechter gestartet seit ihrem Aufstieg 1979. Acht Treffer hat die Werkself schon kassiert, die meisten aller Bundesligateams. Bayer 04 ließ bislang neun Großchancen zu, so viele wie sonst nur der Tabellenletzte, 1. FC Köln.

Auch in der Offensive hapert es: Gemeinsam mit RB Leipzig haben die Rheinländer zwar die meisten Torschüsse abgegeben (je 37), aber die Chancenverwertung von 10,8 Prozent (Leipzig 16,2 Prozent) ist nur unterer Bundesliga-Schnitt.

So verwundert es nicht, dass das Team von Trainer Heiko Herrlich bislang das einzige in der Liga ist, das bereits zwei Führungen in zwei Partien wieder aus der Hand geben hat. "Wir brauchen Spieler auf dem Rasen, die miteinander Gas geben. Dass es geht, hat man in den letzten Wochen der Vorsaison gesehen, als wir uns gerettet haben", sagt Kießling. Derzeit sind die Defizite im Miteinander bei der Berufsausübung allerdings zu groß.

Ungewöhnlich früher Weckruf

Nach dem jüngsten verlorenen Spiel bei Mainz 05, in dem sein Team in der zweiten Hälfte lediglich noch 39 Prozent der Zweikämpfe gewinnen konnte, sah sich Herrlich offenbar gezwungen, bereits einen zu diesem frühen Saisonzeitpunkt ungewöhnlichen Weckruf zu tätigen. "Wir müssen vermeiden, wieder in so eine Situation zu kommen, die die Mannschaft letzte Saison schon hatte. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand", mahnte der Coach.

Schließlich balancierten die Leverkusener bereits in der vergangenen Spielzeit sehr lange ganz nah am Abgrund zur 2. Bundesliga. Auch ein paar Tage nach der Pleite in Mainz will Herrlich deshalb nichts revidieren. Die Mentalitätsfrage ist die derzeit entscheidende bei der Werkself: "Ich habe das im Trainingslager auch schon mal gesagt. Und in der Bundesliga hatten wir in den drei Spielen immer alle Möglichkeiten, und immer hat etwas gefehlt. Ich spreche nicht von fehlender Mentalität, aber wir müssen uns in diesem Bereich deutlich verbessern", sagt der Fußballlehrer der DW.

Psychologisches Problem

Offenbar hat sich die andauernde Erfolgslosigkeit zu einem psychologischen Problem verfestigt. "Wir haben ja Spieler, die es alle können. Aber das Negativerlebnis der letzten Saison sitzt tiefer drin, als ich es mir gedacht habe", sagt Herrlich. "Und da sind wir dran, das wieder in Vergessenheit geraten zu lassen."

Neuzugang Sven Bender ist neuer Abwehrchef - stabiler ist die Werkself-Defensive aber bislang noch nicht gewordenBild: Imago/DeFodi/R. Krivec

Bislang hat der 45-Jährige die Probleme aber noch nicht in den Griff bekommen. Bayer 04 verbuchte unter den drei Trainern Roger Schmidt, Tayfun Korkut und Herrlich seit Jahresbeginn 2017 doppelt so viele Niederlagen wie Siege (10 gegenüber 5) und holte in 21 Bundesliga-Partien nur 21 Punkte. Sogar die zuletzt noch stärker vom Abstieg bedrohten Wolfsburger (25 Zähler) und der HSV (31) waren besser.

Qualitätsverlust

Die Vereinsführung um Sportdirektor Rudi Völler hat versucht, das Team umzukrempeln und sich fehlende Mentalität mit der Verpflichtung von Dominik Kohr (FC Augsburg) und vor allem Sven Bender (Bor. Dortmund) einzukaufen. Bislang aber noch ohne nennenswerten Erfolg. "Das bekommt keiner alleine hin, da braucht man Unterstützung, die im Moment fehlt. Da muss sich jeder an seine Nase fassen", sagt Kießling und nennt damit die wichtigsten Gründe für den Misserfolg.

40 Millionen Euro Ausgaben für neue Spieler stehen Einnahmen von rund 80 Millionen Euro gegenüber - allerdings auch ein Qualitätsverlust, der nur schwer kompensiert werden dürfte. Mit den Offensivspielern Javier "Chicharito" Hernandez und Hakan Calhanoglu sowie Innenverteidiger Ömer Toprak fehlen wichtige Stützen auf dem Fußballfeld.

Kießling als Integrationsfigur?

Nicht mehr erste Wahl: Bayer-Stürmer Stefan KießlingBild: picture-alliance/Fotostand/Wundrig

Eine der dringend benötigten Integrationsfiguren auf dem Rasen könnte Kießling sein, der seine Mitspieler mit seiner Erfahrung und mit seiner kämpferischen Einstellung sicher mitreißen würde. Derzeit ist der 33-Jährige aber nur zweite Wahl bei Herrlich. "Stefan ist immer eine realistische Option, aber er muss gesund sein und fit sein", sagt der Trainer, der den Angreifer zuletzt auch schon auf die Tribüne beordert hatte.

Beim Neu-Aufbau der Werkself wird Kießling deshalb wohl nur noch selten helfen können. "Ich werde jetzt nicht anfangen zu grübeln. Jeder weiß, dass man auf mich zählen kann, wenn ich benötigt werde", sagt Kießling. "So werde ich mein letztes Jahr als Profi auch angehen."

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