Die Frauenquote hilft - zumindest etwas
14. Januar 2022Was haben Unternehmen wie Dermapharm, Sixt oder Shop Apotheke Europe gemeinsam? Die anachronistisch anmutende Antwort lautet: Sie haben auch im Jahr 2021 keine einzige Frau im Aufsichtsrat, dem Kontrollgremium ihres Unternehmens. Die "Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte ( FidAR) e.V." beobachtet seit einigen Jahren in ihrem Women-on-Board-Index (WoB) den weiblichen Anteil in Aufsichtsräten und stellt eine Top-und-Flop-Liste auf, bei der die genannten auch aufgelistet wurden - neben 16 anderen Unternehmen, in denen ebenfalls keine einzige Frau im Aufsichtsrat mitwirkt.
Immerhin: Seitdem Deutschland 2015 eine Frauen-Quote von 30 Prozent für börsennotierte und voll mitbestimmte Unternehmen einführte, steigt die Zahl der Aufsichtsrätinnen - und zwar sowohl bei denen, die von der Regelung betroffen sind als auch bei denen, die noch keinem Gesetz unterliegen.
Das mag auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen angespornt haben, einen Gesetzesvorschlag wieder zu beleben, der vor zehn Jahren schon mal gescheitert war: Die EU-weite Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen. Damals hatte Deutschland den Vorschlag blockiert. Nun hofft sie auf die Zustimmung der neuen Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch Frankreich, das seit dem 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, könnte zum Unterstützer werden. Denn es ist in Sachen Quote schon deutlich weiter als viele andere europäische Länder.
Vorreiter Norwegen: Wie sieht es europaweit mit der Frauenquote aus?
In Europa ist vor allem Norwegen Vorreiter bei der Einführung der Frauenquote für Aufsichtsrätinnen. Bereits 2006 wurde eine Quote von 40 Prozent beschlossen, bei Nichterfüllung gibt es zum Teil harte Sanktionen. 2007 folgte Spanien. Auch in Frankreich gilt seit 2011 ein entsprechendes Gesetz. Andere Länder haben keine feste Quote, aber dafür Empfehlungen für Gender Diversity, wie zum Beispiel Schweden und Dänemark, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW. Einige Länder, wie etwa Malta und Zypern und einige osteuropäische Länder, haben gar keine Regelung getroffen, hieß es.
In Deutschland gibt es seit 2015 für die Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite haben also gleich viele Sitze im Aufsichtsrat) eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent. Diese Regelung betrifft rund hundert Unternehmen. Immer wenn ein Posten nachbesetzt wird, muss das Gesetz entsprechend umgesetzt werden - solange bis die 30 Prozent-Marke erreicht ist.
Thomas wählt Thomas: Wie die Frauenquote wirkt
Die Frauenquote soll vor allem den sogenannten "Thomas-Kreislauf" beenden: Thomas gehört nicht nur in den deutschen Aufsichtsräten, sondern auch in den Vorständen zu den häufigsten Namen. Kritiker mögen einwenden, dass er generell in den entsprechenden Altersgruppen zu den beliebtesten Namen gehört. Dennoch zeigt es auch, dass Menschen sich gerne mit Menschen umgeben, die ihnen von Alter, Geschlecht und Herkunft ähnlich sind. Frauen haben deshalb das Nachsehen, auch wenn sie mindestens genauso gut qualifiziert sind wie ihre männliche Konkurrenz - mit möglichen Auswirkungen auch auf die oberen Managerebenen.
Dabei gibt es nicht nur aus gesellschaftlicher, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht gute Gründe, vermehrt auf Frauen zu setzen. Denn Unternehmen mit hohem Frauenanteil haben mehr Chancen, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein, wie die Unternehmensberatung McKinsey 2020 erklärte.
Doch wie gut funktioniert da eine Quote? "Ich sehe Quoten als notwendiges Durchgangsstadium an, bis wir eine Gesellschaft erreicht haben, in der tatsächliche Gleichstellung eine Selbstverständlichkeit ist", sagt Marie-Alix Ebner von Eschenbach, Präsidentin der Initiative FidAR e.V., der DW. "Davon sind wir noch ein Stück entfernt. Die Quote ist wie ein Eisbrecher, den wir jetzt erstmal brauchen."
Tatsächlich haben sich in Deutschland die Zahlen mit Einführung der Quote 2015 verbessert - zumindest etwas. Lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Unternehmen, die von der Quote betroffen sind, 2015 laut WoB Index von FidAR noch bei 21,3 Prozent, so ist er 2021 auf 35,9 Prozent gestiegen. Auch bei den Konzernen, die keine Frauenquote einhalten müssen, stieg der Anteil der Frauen - von 13,7 Prozent im Jahr 2015 auf 24,5 Prozent im Jahr 2021.
Fortschritt oder Rumtrickserei?
Auch in anderen Ländern scheint sich ein solcher Effekt abzuzeichnen. Laut einer bislang unveröffentlichten Erhebung des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, ist in den Ländern, die gesetzliche Maßnahmen eingeführt haben, der Anteil der Frauen deutlich schneller gestiegen als in den Ländern, die auf eine freiwillige Einsicht der Unternehmen gesetzt haben. So liegt er in den Ländern mit Frauenquote im Schnitt bei etwa 36,4 Prozent, in den anderen Ländern bei lediglich 16,6 Prozent.
Kritiker befürchten jedoch, dass es sich um eine "pflichtschuldige Erfüllung" eines Gesetzes handele, keinen echten Kulturwandel", so Marion Weckes, Expertin der Hans-Böckler-Stiftung für Frauen in Führungspositionen in einem Interview im Magazin Mitbestimmung. Teilweise seien die Aufsichtsräte extra vergrößert worden, um auf der einen Seite die Frauenquote zu erfüllen und auf der anderen Seite auf keinen Mann verzichten zu müssen. Auch bestimmte Posten und Ausschüsse seien männlich dominiert, eine Ausweitung sei deshalb wichtig.
Auch Ebner von Eschenbach glaubt, dass Quoten alleine nicht helfen. "Wenn wir Gleichstellung bis 2030 erreichen wollen, brauchen wir aktive Vorbilder in der Gesellschaft, ein Umdenken bei den Führungskräften und die Ausweitung der Quote. Alleine durch Quoten werden wir sie nicht erreichen." Bis dahin sei es jedoch wichtig, auch die Quoten auch auf weitere Unternehmen auszuweiten.