1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Libanesen verlangen Rücktritt der Regierung

18. Oktober 2019

Den zweiten Tag infolge haben Bürger im Libanon gegen geplante neue Steuern protestiert. Landesweit wurden Straßen und Autobahnen blockiert. Der Regierung werfen sie Korruption und Missmanagement vor.

Proteste im Libanon
Aufbegehren gegen die Regierung: Viele junge Libanesen sehen keine Zukunft in ihrem LandBild: picture-alliance/AP/H. Ammar

In Beirut waren Tausende Menschen in der Nacht  vor das Regierungsgebäude gezogen und hatten lautstark ihren Protest kundgetan gegen die Absicht der Regierung, pro Tag eine Gebühr auf WhatsApp-Sprachanrufe zu erheben. Kurze Zeit später verkündete Telekommunikationsminister Mohammed Schukair, dass die Änderung nicht in Kraft treten werde. Die Proteste gingen dennoch weiter.

DW-Korrespondentin Diana Hodali berichtet von einer aufgeheizten Stimmung im Land und Rufen nach dem Rücktritt der Regierung. 

In den frühen Morgenstunden kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Diese ging mit Tränengas gegen die Menge vor. Zwei Arbeiter kamen am Donnerstag ums Leben, als sie in einem Geschäft gefangen waren, das von Randalierern in Brand gesteckt wurde. Dutzende von Menschen wurden verletzt.

Wegen der Unruhen sagte Ministerpräsident Saad al-Hariri eine für diesen Freitag geplante Kabinettssitzung ab, bei der über den Haushaltsentwurf 2020 gesprochen werden sollte.

Der Libanon hat 6,8 Millionen Einwohner. Es herrscht eine Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Staatsverschuldung liegt bei 86 Milliarden US-Dollar, was einer Quote von etwa 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Es ist eine der höchsten Schuldenquoten weltweit. 

Gegen Steuererhöhung und Korruption: Proteste in den Straßen BeirutsBild: DW/D. Hodali

Viele Arbeitgeber können keine Gehälter mehr zahlen. "Mein Mann bekommt seit vier Monaten nur das halbe Gehalt. Wie sollen wir davon leben“, sagt die 50-jährige Kholoud Hussein. Sie lebt im Palästinensischen Flüchtlingslager im Süden von Beirut. Auch Lehrer bekommen teilweise seit Monaten kein oder nur ein gekürztes Gehalt.

Die Proteste richten sich auch gegen die Eliten des Landes und Korruption. "Wir dulden diese Zustände nicht mehr länger. Unser Volk hat besseres verdient. So viele wollen einfach nur hier weg. Wir haben in dieser Situation keine Perspektive", sagt ein Libanese mittleren Alters, der seinen Namen nicht nennen will.

Genau so sieht es auch ein jüngerer Mann, der als Angestellter in einer Firma arbeitet. "Die Regierung vergleicht uns immer mit Kanada. Aber Kanada ist ein funktionierender Staat im Gegensatz zu uns. Hier funktioniert nichts. Wir haben weder genug Strom, noch genügend Jobs. Sie wollen 15 Prozent Steuern von meinem ohnehin schon niedrigen Gehalt. Sollen sie doch die Steuern der Reichen in diesem Land erhöhen“, sagt er. 

Brennende Reifen und umgestürzte Müllcontainer am Freitagmorgen in BeirutBild: DW/D. Hodali

Innenministerin Raya Al Hassan erklärte in einem Radio-Interview, sie trete für das Recht der Menschen auf Protest ein. "Aber nur solange es keine Gewalt gibt. Zwei Menschen sind bereits gestorben.“  Ministerpräsident Hariri plane für diesen Freitag eine Rede , sagte sie. "Ich weiß nicht, was der Ministerpräsident vorhat, aber ein Rücktritt der Regierung ist keine Option“, meinte die Ministerin. 

Auf der Straße im Zentrum von Beirut brannten auch am Freitagmorgen noch Feuer. Demonstranten blockierten unter anderem Straßen im Norden und Süden des Landes sowie im Bekaa-Tal, wie die National News Agency berichtet. Auf Anweisung der Regierung fiel in den Schulen der Unterricht aus. Auch viele Geschäfte blieben geschlossen.

uh/hod/as (dpa, rtr, afp)