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Politik

Heirat gegen religiöse Vorschriften

Kersten Knipp | Maram Salim
11. September 2019

Eine junge Muslima und ein junger Christ, beide Libanesen, haben geheiratet. Das Video haben sie ins Netz gestellt - als kunstvoll arrangiertes Plädoyer für interreligiöse Heiraten. Doch diese bleiben schwierig.

Interreligiöse Hochzeit im Libanon zwischen Muslima (Serena Mamlouk) und Christ (Anthony Aour)
Bild: privat

Hochzeitsglocken, in die sich muslimische Gesänge mischen, eine Braut, die dem Bräutigam auf einem Laufsteg entgegenkommt: Das Instagram-Modell Serena Mamlouk und der Geschäftsmann Anthony Aour inszenierten ihre Hochzeit wie eine Modenschau. Lichtspiele, Tänzerinnen, Publikum zu beiden Seiten des Stegs: Alles ist in dem Videoclip perfekt arrangiert. Aufgenommen aus mehreren Perspektiven, stellen die beiden ihre Hochzeitszeremonie im Libanon in einem fünf Minuten langen Film ins Internet.

Ein bombastisches, popkulturell aufgemotzte Hochzeitsvideo, das zugleich ein politisch-kulturelles Bekenntnis ist: Denn Serena Mamlouk ist Muslima, Anthony Aour ist Christ. Eine interkulturelle Trauung also, die im Libanon wie in weiten Teilen der islamischen Welt nach wie vor nicht selbstverständlich ist. Aus diesem Grund feierten die beiden zwar im Libanon, zivilrechtlich wurde ihre Ehe jedoch auf Zypern besiegelt. In ihrer Heimat hätte ihre Ehe zivilrechtlich nicht geschlossen werden können, dort fällt dies unter religiöses Recht. 

In den sozialen Medien wurde das Video mit großer Zustimmung aufgenommen.

Auch das auf Youtube gestellte Video erhielt seitens der Nutzer enorme Zustimmung. "Mir gefällt es, dass sie religiöse Grenzen aufbrechen", schrieb eine Nutzerin auf Englisch. "Letztlich sind wir alle menschliche Wesen." Ein anderer Nutzer wünschte dem Paar ein glückliches Leben, wieder ein anderer Gottes Segen.

Weit verbreitete Vorbehalte

"Wir haben gelernt, einander zu lieben und uns als Individuum zu respektieren, und zwar unabhängig von unserer Nationalität, unserer Religion und unserer Umwelt", erklärte die Braut Serena Mamlouk gegenüber der DW. Natürlich sei die Heirat eine Herausforderung für ihre Freunde und Familien gewesen. Beide seien sich bewusst, dass sie durch ihre Heirat mit der libanesischen Realität in Konflikt geraten seien. "Aber wir haben uns von Anfang an vertraut und unsere Liebe hat sich durchgesetzt."

Doch immer noch stießen interkonfessionelle Eheschließungen in weiten Teilen der islamischen Welt auf Vorbehalte, sagt Loura Sfeer, Präsidentin der Libanesischen Kommission zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das gelte auch für den Libanon.

Die Braut Serena MamloukBild: privat

Das Gewicht der Tradition

Vorbehalte dagegen gibt es erfahrungsgemäß sowohl auf christlicher wie muslimischer Seite. Bei letzterer wird sie zusätzlich oft theologisch begründet und dies gehe auf die vormoderne Zeit des Islam zurück, sagt Mouez Khalfaoui, Professor für Islamisches Recht an der Universität Tübingen. Nach islamischen Regeln dürften Muslime demnach zwar weibliche Angehörige anderer monotheistischer Religionen heiraten. Musliminnen hingegen sei das aufgrund der religiösen Tradition meist verboten.

Dafür gebe es zwei Gründe: Grundsätzlich habe der Islam in der muslimischen Tradition als den anderen monotheistischen Religionen überlegen gegolten. Weil zugleich aber die Frauen als den Männern untertan galten, habe sich ein unlösbarer hierarchischer Konflikt aufgetan.

Der andere Grund liege in dem Umstand, dass Frauen im vormodernen Islam als Symbol von Fruchtbarkeit und Wachstum angesehen wurden. "Wenn Frauen in eine andere Konfession einheirateten, werden die Kinder in eine andere Religion und ein anderes soziales Umfeld geboren. Sie gelten dann als verloren. Auch aus diesem Grund dürfen Musliminnen keinen nicht-muslimischen Mann heiraten."

Die politische Dimension

Bild: privat

Die Folgen dieser teils bis in die Gegenwart reichenden Tradition erlebte im Juni dieses Jahres ein anderes Brautpaar aus dem Libanon. Abdallah Salam, ein Muslim, und Marie-Joe Abi-Nassif, eine Christin heirateten zwar, doch unter dem Einfluss der religiösen Institutionen des Landes ist ihre Ehe bis heute offiziell nicht anerkannt.

"Die religiösen Einrichtungen sind gegen solche Eheschließungen, weil diese ihre Machtbasis untergraben", sagte Abdallah Salam damals in einem Pressegespräch. "Für mich persönlich geht es um meine Identität. Aber für sie geht es um Macht. Sie befürchten, Menschen zu verlieren, die eine amtliche Trauung anstreben."

Die religiösen Traditionen haben bis heute auch auf die Familien Einfluss. Vielfach seien die Eltern weiterhin dagegen, dass ihre Töchter einen nicht-muslimischen Mann heirateten, sagt Loura Sfeer. "In einigen streng libanesischen Gemeinden riskieren muslimische Frauen, die einen Christen heiraten wollen, psychischer, physischer und wirtschaftlicher Gewalt ausgesetzt zu sein. In einigen offeneren Gesellschaften ist dies akzeptabel, aber juristisch bleibt das Problem bestehen."

Interkonfessionelle Heiraten stellten für die drei monotheistischen Religionen bis heute eine große Herausforderung dar, sagt der Rechtshistoriker Mouez Khalfaoui. "Denn heutzutage, in Zeiten der Globalisierung, wollen Menschen verschiedener Religionen sich verständigen. Sie verlieben sich und möchten zusammen leben." Für die Eheschließung in säkularen Gesellschaften gelten andere Kriterien als in der Vormoderne. Heute können neue tolerante Ansätze entwickelt werden.

Auf dieses Phänomen müssten sich die Theologen sämtlicher Religionen einstellen. "Inzwischen gibt es sehr viele interkonfessionelle Paare", erklärt Khalfaoui. Könnten Musliminnen in ihrer Heimat einen Nicht-Muslim nicht heiraten, täten sie das oft im Ausland.

Liebe als Religion

Serena Mamlouk und Anthony Aour sind noch einen Schritt weiter gegangen. Sie haben nicht nur interkonfessionell geheiratet, sondern auch das künstlerische Video ihrer Feier bewusst ins Internet gestellt.

Derzeit aber genießen sie ihre Flitterwochen. "Was wir gemeinsam haben, sind wichtige menschliche Werte und gegenseitiger Respekt", so Mamlouk gegenüber der DW. "Unsere Liebe ist unsere beste Religion."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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