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Politik

Libanons Protestbewegung braucht langen Atem

17. Oktober 2020

Ein Jahr nach Beginn der Proteste sind im Libanon erneut Tausende Menschen gegen Korruption und Vetternwirtschaft auf die Straße gegangen. Sie sind enttäuscht, den erhofften politischen Neuanfang gab es nicht.

Libanon Jahrestag der anti-Regierungsproteste in Beirut
Die Jugend des Landes will nicht aufgebenBild: Aziz Taher/Reuters

Frauen und Männer aller Altersgruppen versammelten sich mit Bannern, zum Teil mit Corona-Schutzmasken und in Begleitung von Musik im Zentrum der libanesischen Hauptstadt und skandierten unter anderem "Revolution, Revolution". Der Protestmarsch führte die Menschen zum Hafen von Beirut. Dort wurde am Abend der Opfer der verheerenden Explosion vom 4. August mit einer Mahnwache gedacht. Auch in anderen Teilen des Landes gab es anlässlich des Jahrestages der Anti-Regierungsproteste und der andauernden Krise im Libanon Demonstrationen.

Die Menschen haben die sozialen Missstände satt

Als am 17. Oktober 2019 das libanesische Kabinett eine Reihe von Steuererhöhungen ankündigte, unter anderem auf Benzin, um die hohe Staatsverschuldung des Landes zu bekämpfen, war es den Menschen in dem kleinen Staat am östlichen Mittelmeer endgültig zu viel. Die durch die geplanten Mehrbelastungen für die Bürger ausgelöste Protestwelle richtete sich zunehmend gegen die politische Elite des Landes.

Metallskulptur am Hafen von Beirut mit dem eingestanzten Datum 17. Oktober und dem Wort RevolutionBild: Mohamed Azakir/Reuters

Bis heute gab es immer wieder Demonstrationen - vor allem junger Leute: Die marode Wirtschaft, wenig Jobs, explodierende Preise für Lebensmittel, schlechte Infrastruktur, tägliche Strom- und Wasserausfälle, Müllberge auf den Straßen, all das wollten sie nicht länger hinnehmen.

Dazu mangelnde Transparenz der Regierung, grassierende Korruption bei der herrschenden Klasse, Verschwendung öffentlicher Gelder und Bereicherung innerhalb der Elite, trieben die Menschen auf die Straße. Von "Dieben in der Regierung" sprachen Kritiker, die ein neues politisches System und eine komplett neue Führung forderten. Ministerpräsident Saad Hariri trat zurück - aber bei der Suche nach einem Neuanfang blieb das Land im Teufelskreis seiner eigenen Geschichte stecken. Wichtige Ämter werden unter den Konfessionen nach einem seit Jahrzehnten geltenden Proporzsystem aufgeteilt. Zugleich haben wenige alteingesessene reiche Familien die eigentliche Macht fest in der Hand.

Tausende am Jahrestag auf dem Weg Richtung Beiruter HafenBild: Emma Freiha/Reuters

Der Libanon steckt in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Die Corona-Pandemie und die verheerende Explosion im Hafen von Beirut, bei der mehr als 190 Menschen starben, mehr als 6000 verletzt und rund 300.000 obdachlos wurden, haben die Lage akut verschlimmert.

qu/uh (dpa, afp, ap)

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