Libyen-Einsatz vorerst ohne NATO
21. März 2011Mit massiven Einsätzen der Luftwaffe ist der internationale Militäreinsatz gegen den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi fortgesetzt worden. Arabische TV-Sender meldeten, über dem Stützpunkt Bab al-Asisija in Tripolis sei am Sonntagabend (20.03.2011) nach einer heftigen Explosion Rauch aufgestiegen. Dort lebt Gaddafi mit seiner Familie. Den Angaben zufolge wurde ein Gebäude seiner Residenz zerstört. Wo Gaddafi sich zum Zeitpunkt des Angriffs aufhielt, ist unbekannt.
Ein Vertreter der internationalen Einsatzkräfte sagte der Nachrichtenagentur AFP, in dem zerstörten Komplex sei ein militärisches "Kommando- und Kontrollzentrum" der libyschen Truppen gewesen. Das Gebäude liegt rund 50 Meter von Gaddafis Zelt entfernt, in dem er häufig Besuch empfängt.
US-Verteidigungsminister Robert Gates sprach sich entschieden gegen einen direkten militärischen Angriff auf Gaddafi aus. Den Diktator mit einem gezielten Schlag auszuschalten, sei "unklug", sagte er. Es sei wichtig, sich an das Mandat des UN-Sicherheitsrates zu halten, das den Schutz von Zivilisten vor Angriffen der Regierungstruppen vorsehe. "Wenn wir anfangen, zusätzliche Ziele hinzuzufügen, wird das Probleme geben", sagte Gates.
Einspruch der Türkei
An den Militäreinsätzen gegen das libysche Regime beteiligen sich unter anderem die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Dänemark. Als erstes arabisches Land will sich nach US-Angaben Katar den Alliierten anschließen.
Die NATO konnte sich dagegen am Sonntag auch nach stundenlangen Beratungen in Brüssel nicht auf eine Beteiligung verständigen. Bei mehreren Sondersitzungen konnten sich die Botschafter der Mitgliedsstaaten nicht auf ein Mandat einigen.
Ausschlaggebend war offenbar ein Einspruch der Türkei. Sie lehnt jede Intervention in Libyen und damit auch die Durchsetzung des Flugverbots ab. Ein Beschluss kann im NATO-Rat jedoch nur einstimmig gefasst werden. Verständigen konnte sich das Botschafter-Gremium lediglich darauf, das Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen. Zum Militäreinsatz soll es weitere Beratungen geben.
USA ziehen positive Bilanz
Zuvor hatte Gates betont, die USA wollten ihre derzeitige Führungsrolle bei dem Einsatz in den nächsten Tagen abgeben - entweder an die NATO oder an Frankreich und Großbritannien. Die USA wollten die Koalition weiterhin unterstützen und dabei auch eine militärische Rolle spielen, "aber nicht die Hauptrolle".
In Washington zog der Leiter des US-Generalstabs, Vizeadmiral William Gortney, eine positive Bilanz der ersten beiden Angriffswellen auf die Flugabwehr und auf die Truppen Gaddafis, die auf von Rebellen gehaltene Städte vorrückten. Die Flugabwehr sei massiv geschwächt, die Soldaten des Machthabers unter erheblichen Stress gesetzt worden.
Begonnen hatten den Einsatz französische und britische Kampfflugzeuge. Am Samstag und Sonntag feuerten Tarnkappenbomber, U-Boote und Kriegsschiffe der USA und Großbritanniens mindestens 110 Marschflugkörper und Bomben auf mehrere Dutzend Ziele entlang der Mittelmeerküste.
Libyen verkündet erneut Waffenruhe
Gaddafi hatte dem Angriff militärisch nichts entgegenzusetzen. Dennoch kündigte er zunächst die Bewaffnung von einer Million Libyern und einen "langen, ruhmreichen Krieg" gegen die "Kriminellen" an. Im Kampf gegen die "Kreuzritter" werde "das ganze Mittelmeer zum Schlachtfeld", sagte Gaddafi in einer Fernsehansprache ohne Bild.
Am Abend verkündeten die libyschen Streitkräfte dann überraschend eine Waffenruhe. Man folge damit dem Aufruf der Arabischen Liga, hieß es. Allerdings hatte Libyen bereits am Freitag eine Waffenruhe angekündigt, dann aber selbst nicht befolgt.
Grundlage des Libyen-Einsatzes ist eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, bei der sich Deutschland der Stimme enthalten hat. Sie erlaubt die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen und den Einsatz militärischer Gewalt, um Gaddafi an Attacken auf die gegen ihn protestierende Bevölkerung zu hindern. Besatzungstruppen darf die Allianz nicht entsenden.
Autor: Thomas Grimmer (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Martin Schrader