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Libyscher Regierungschef verkündet Rücktritt

12. August 2015

Gerade haben die Konfliktparteien in Libyen ihre Verhandlungen über die Bildung einer Einheitsregierung wiederaufgenommen. Nun der Paukenschlag: Regierungschef Al-Thani kündigt seinen Rücktritt an.

Libyen Ministerpräsident Abdullah al-Thani
Bild: Reuters/E.O. Al-Fetori

Die überraschende Ankündigung machte Abdullah al-Thani am Dienstagabend bei einer live übertragenen Talkshow. Dort musste er sich eine Reihe kritischer Fragen von wütenden Bürgern anhören: Sie machten seine Regierung für die mangelhafte Grundversorgung und für die schlechte Sicherheitslage in den von ihr kontrollierten Gebieten verantwortlich. Außerdem beschuldigten sie al-Thanis Regierung der Korruption. Der Ministerpräsident reagierte überraschend heftig. "Wenn mein Ausscheiden die Lösung ist, kündige ich es hier an", sagte er. Er werde seinen Rücktritt am Sonntag beim Parlament einreichen.

Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt allerdings, dass Al-Thanis Sprecher später mitteilte, der Regierungschef werde doch nicht seinen Hut nehmen. Weitere Stellungnahmen liegen dazu bislang nicht vor.

Gefährlicher Job

Al-Thani, der seit 2014 im Amt ist, hat einen außerordentlich schwierigen und mitunter auch gefährlichen Posten. Im Mai überlebte er einen Mordanschlag. Bewaffnete Männer beschossen sein Auto, als er von einer Parlamentssitzung in Tobruk wegfuhr.

In Libyen herrschen seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Herbst 2011 Chaos und Gewalt. Die Städte werden von rivalisierenden Milizen kontrolliert. Zwei Parlamente und Regierungen beanspruchen die Macht für sich: Im östlichen Tobruk sind das international anerkannte Parlament und dessen Regierung um Al-Thani ansässig, während sich in Tripolis das nicht anerkannte Gegenparlament und eine islamistische Regierung befinden. In der bedeutenden Stadt Bengasi im Osten Libyens bekämpfen sich täglich Truppen und Milizen der gegnerischen Lager.

Auf dem Weg zur Einheitsregierung?

Am Dienstag nahmen die rivalisierenden politischen Kräfte in Libyen ihre Verhandlungen zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit wieder auf. Alle wichtigen Vertreter seien bei der neuen Verhandlungsrunde in Genf anwesend gewesen, sagte der UN-Sondergesandte für Libyen, Bernadino León. Insbesondere sitzen auch die Vertreter des Gegenparlaments mit am Verhandlungstisch. León legte einen ambitionierten Zeitplan vor, der eine umfassende Einigung mit dem Ziel der Bildung einer Einheitsregierung noch vor der UN-Vollversammlung im September vorsieht. Im Juli war bereits ein Teil-Abkommen geschlossen worden, das jedoch vom Parlament in Tripolis als unzureichend abgelehnt wurde. Nun geht es also um Detailfragen.

Ein zentraler Streitpunkt ist die künftige Rolle von General Chalifa Haftar, den die international anerkannte Regierung im März zu ihrem Armeechef ernannt hatte. Das Parlament in Tripolis will kein Abkommen anerkennen, das für Haftar weiterhin eine führende Rolle in der Armee vorsieht. Der 72-jährige General hatte unter Gaddafi gedient, bevor er in die USA floh. Dort soll er laut US-Medien zeitweise mit der CIA zusammengearbeitet haben.

Kämpfe könnten weitergehen

Und auch wenn die Bildung einer Einheitsregierung gelingt, hören die Kämpfe in Libyen nicht automatisch auf, warnt etwa der Nordafrika-Experte des Forschungsnetzwerks Carnegie Endowment for International Peace, Frederic Wehrey. Der UN-Gesandte León erklärte, parallel zu den politischen Verhandlungen gebe es einen Dialog zwischen der libyschen Armee und Milizenführern. Dieser komme aber weniger gut voran. Dschihadistengruppen wie der "Islamische Staat" (IS) und die Terrororganisation Al-Kaida dürften die Autorität einer libyschen Einheitsregierung ohnehin nicht anerkennen.

chr/sti (afp, rtr)

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