1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Libysche Doppelstrategie

30. September 2009

Seit 40 Jahren hält er sich an der Macht: Muammar Gaddafi ist der dienstälteste Herrscher in der arabischen Welt. Mittlerweile bereitet er einen Sohn als Nachfolger vor - vielleicht auch zwei.

Muammar Gaddafi (Foto: AP)
Will, dass seine Familie an der Macht bleibt: der libysche Staatschef Muammar GaddafiBild: AP

Mit gerade einmal 27 Jahren hat sich der Sohn einer Beduinenfamilie an die Macht geputscht. Seither bestimmt Muammar Gaddafi die Politik Libyens: erst als Staatsoberhaupt, seit 1979 als selbst ernannter Revolutionsführer ohne offizielles Mandat. Neben der Politik kontrolliert Gaddafi die Polizei, die Geheimdienste und die Armee, die Erdölindustrie und damit auch die Wirtschaft. Offene Opposition wird von Gaddafi unterdrückt.

Bevor der in Großbritannien ausgebildete Oberst die Macht übernahm, hatte König Idris über Libyen geherrscht. Das Land war 1951 aus der kolonialen Unabhängigkeit entlassen worden und seither eine konstitutionelle Monarchie. Die Entdeckung reicher Erdölvorkommen 1959 machte Libyen zu einem der bedeutendsten Erdöl exportierenden Länder der Welt. Mit dem Sturz des Königshauses durch das Militär 1969 wurde die Arabische Republik Libyen ausgerufen.

Einzige Konkurrenz: die Familie

Obwohl sich Libyen eine Republik nennt, gibt es weder freie Wahlen noch eine offizielle Nachfolgeregelung. Gaddafi herrscht seit 40 Jahren über die mehr als sechs Millionen Libyer. Angesichts seines Alters ist die Frage nach seiner Nachfolge in den vergangenen Jahren lauter geworden. Das liegt auch daran, dass die Söhne des Revolutionsführers immer wieder Aufgaben wahrnehmen, die vermuten lassen, dass Gaddafi eine dynastische Nachfolge nicht ausschließt – im Gegenteil.

Bereitet sich auf die Nachfolge als Staatschef vor: Saif Al-Islam GaddafiBild: picture-alliance/ dpa

Von Gaddafis acht Kindern gilt Saif Al-Islam, der älteste Sohn aus Gaddafis zweiter Ehe, als aussichtsreichster Nachfolger des Revolutionsführers. Er wurde 1972 geboren, studierte in Tripolis und in Wien und ist Präsident der Gaddafi-Wohltätigkeitsstiftung. Die Gaddafi-Stiftung wird von libyscher Seite als eine Nicht-Regierungsorganisation dargestellt, die "Hilfe für Muslime in der ganzen Welt“ leiste. Auch in der Wirtschaft ist Saif Al-Islam engagiert. Anders als sein Vater gilt er als aufgeschlossener Reformer, spricht gut Englisch und wird außenpolitisch mit wichtigeren Aufgaben betraut als die amtierenden Premier- und Außenminister. Saif Al-Islams größter Konkurrent dürfte zurzeit sein jüngerer Bruder sein: Mutassim spielt eine wichtige Rolle im Sicherheitsapparat des Landes.

Sohn, Kandidat, Nachfolger?

Besondere Aufmerksamkeit hat Saif Al-Islam nach der Freilassung der sechs zum Tode verurteilten bulgarischen Krankenhaus-Angestellten 2007 erregt. Er gab öffentlich zu, dass die Freigelassenen tatsächlich gefoltert worden seien, um ihnen ein Geständnis abzuringen. Jahrelang waren sie in Libyen inhaftiert wegen des fälschlichen Vorwurfs, absichtlich Hunderte von Patienten mit AIDS infiziert zu haben. In westlichen Medien wurde Saif Al-Islam wegen seiner Offenheit gelobt. Im August 2009 machte Saif Al-Islam erneut auf sich aufmerksam, als er den freigelassenen Lockerbie-Attentäter Abdel Basset Al-Magrahi in Tripolis empfing. Sein Auftritt in traditionellem Gewand richtete sich allerdings eher an die eigene Bevölkerung als an die Beobachter im Westen.

Angesichts des befürchteten Machtvakuums, das Gaddafi hinterlassen könnte, sieht der Westen dem Sohn Gaddafis als künftigem Herrscher Libyens relativ gelassen entgegen. Denn wenn Saif Al-Islam seinem Vater nachfolgt, dürfte die Machtübergabe reibungslos vonstatten gehen. Seit Muammar Gaddafi zu Beginn des 21. Jahrhunderts seinem anti-westlichen Kurs abgeschworen hat und auf sein Atomwaffenprogramm verzichtete, gilt die Familie Gaddafi im Westen nicht länger als Gefahr.

Von Demokratie weit entfernt

Sorgte international für Aufsehen: der Fall der sechs bulgarischen KrankenhausangestelltenBild: picture alliance/dpa

Sollte Gaddafi seine Nachfolge nicht rechtzeitig regeln, sind Auseinandersetzungen innerhalb der Macht-Eliten in Politik, Verwaltung, Armee und Sicherheitsdiensten nicht auszuschließen. Insofern hat auch die libysche Bevölkerung ein Interesse daran, den Übergang von einem Herrscher zum nächsten möglichst reibungslos zu gestalten – zumal es in Libyen keine demokratische Tradition gibt. Die Clan-Strukturen in dem arabischen Land würden zu einer Festigung von Saif al-Islams Herrschaft beitragen.

Dass Saif Al-Islam als künftiger Machthaber sein Land reformieren wird, ist indes eher unwahrscheinlich. Zwar befürwortet er eine politische und wirtschaftliche Öffnung Libyens. Insgesamt dürfte sich Libyen aber eher anderen arabischen Republiken wie Syrien annähern, das nach der Machtübergabe von Hafiz Al-Assad an seinen Sohn Bashar moderner, nicht aber demokratischer geworden ist. Auch 40 Jahre nach Ausrufung der Republik ist Libyen von einer Demokratie noch weit entfernt.

Autorin: Anne Allmeling
Redaktion: Stephanie Gebert

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema