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Libyscher Exzentriker

Ramón García-Ziemsen 25. März 2004

Der libyische Diktator Gaddafi ist nur schwer einzuordnen: Er propagiert den Sozialismus und macht gleichzeitig das islamische Recht zur Grundlage des Staates. Ein Porträt.

Muamar al GaddafiBild: AP

Auf Staatsbesuchen schlägt er schon mal sein Zelt im Garten des Gastgebers auf und ernährt sich von der Milch einer mitgeführten Kamelstute. Bewacht wird er dann von einer Garde weiblicher Bodygards - was in der arabischen Welt viel Stirnrunzeln hervorruft.

Muamar al Gaddafi gilt als exzentrisch und gefährlich. Und er gilt als Choleriker: Zuletzt nannte der dienstälteste Diktator der Welt die arabischen Führer einen "Haufen Dummköpfe". Und Aids bezeichnete er jüngst als "Gottes-Kraft", die den afrikanischen Kontinent schütze - vor Rekolonialisierung. Für die westliche Welt war der Oberst und Beduinensohn lange der Archetyp des "bösen Schurken" schlechthin. Kaum ein Terrorattentat in den 1970er und 80er Jahren, das in den internationalen Medien nicht mit dem libyschen Geheimdienst in Verbindung gebracht wurde.

Gaddafi (1995)Bild: AP

"Operation Jerusalem"

Mit Gewalt ist der 1942 geborene Gaddafi auch seinerzeit als 27-jähriger an die Macht gekommen: 1969 stürzte er mit einem Staatstreich unter dem Codewort "Operation Jerusalem" die libysche Monarchie. Es war die Zeit, in der die so genannten Freien Offiziere die arabischen Völker in eine bessere Zukunft führen wollten. 1952 hatten "Freie Offiziere" unter Nasser in Ägypten König Farouk gestürzt. 1958 wurde im Irak König Feisal der Zweite ermordet.

Gaddafi errichtete unter dem Deckmantel einer angeblichen Basisdemokratie eine Diktatur - und wandte sich schon bald neuen Zielen zu: Der Vereinigung der arabischen Staaten und der revolutionären Umgestaltung der Welt. Dabei profitierte er vor allem vom rasanten Anstieg des Ölpreises, der es Gaddafi ermöglichte, Befreiungsbewegungen zu unterstützen - rund um den Globus.

Gescheiterter dritter Weg

Innenpolitisch versuchte sich Gaddafi an einem dritten Weg - an einer neuen Form des Sozialismus: Libyen sollte sich auf der Basis gemeinschaftlichen Besitzes und gemeinsamer politischer Entscheidungen zu einem neuen Typ der sozialistischen Gemeinschaft entwickeln. Das Experiment ist misslungen - Gaddafi entscheidet bis heute alleine.

Interessant ist dabei die heute vorherrschende Mischung aus weltlichen und streng islamischen Ideen: Sozialismus auf der einen Seite - auf der anderen Seite wurde der Ausschank von Alkohol verboten und das islamische Recht zur Grundlage des Staates erklärt. Alles, was an die italienische Kolonialherrschaft erinnerte, sollte getilgt werden und wurde getilgt: Wer als nicht arabischer Ausländer nach Tripolis kommt, wird vergeblich nach irgendwelchen Schildern in lateinischer Schrift suchen.

Trotzdem ist Gaddafi kein islamischer Fundamentalist, sondern eher ein gescheiterter islamischer Reformer. Fest steht: Sein islamisch-sozialistisches Gesellschaftsmodell hat nur überleben können, weil es mit Ölgeldern hochgepäppelt wurde. Hinzu kam die schützende Hand der Sowjetunion. Und die europäischen Staaten ließen Gaddafi gewähren - schließlich hingen auch sie von seinem Öl ab und wollten die lukrativen Geschäftsbeziehungen nicht gefährden.

Lieblingsfeind der USA

Zum Lieblingsfeind der Amerikaner wurde Gaddafi hingegen schon kurz nach seiner Revolution: 1970 wurde das US-Militär aus Libyen verbannt. Verdrängt wurden auch die amerikanischen Ölfirmen. Negativer Höhepunkt der libysch-amerikanischen Beziehungen war dann der amerikanische Luftangriff auf Tripolis 1986. Kurz zuvor war bei einem Anschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" ein amerikanischer Soldat getötet worden. Das Attentat auf die Pan-Am-Maschine über Lockerbie 1988, bei dem 270 Menschen ums Leben kamen, schließlich führte zur nahezu vollständigen, internationalen Isolierung des Landes.

Dabei haben die USA und Gaddafi immerhin eines gemeinsam, einen gemeinsamen Gegner nämlich - Osama Bin Laden: Ausrechnet Libyen war das erste Land, das gegen Osama Bin Laden schon vor Jahren bei Interpol einen Haftbefehl beantragt hat. Der Hintergrund ist klar: Neben gelegentlicher Aufmüpfigkeit diverser Offiziere kann Gaddafi im Inland eigentlich nur die Opposition radikaler Islamisten zur Gefahr werden.

Sportförderung mit Ölgeldern

Um aus der internationalen Isolation heraus zu kommen, bemüht sich Gaddafi seit Ende der 1990er, als Wohltäter für andere in Erscheinung zu treten: Er schickte Hubschrauber zur Evakuierung von Blauhelmsoldaten in Sierra Leone, vermittelte zwischen den Kriegsparteien in Somalia und wirkte im April 2000 aktiv - und zwar auch auch finanziell - an der Lösung des Geiseldramas auf der philippinischen Insel Jolo mit.

Werbung in eigener Sache - die macht Gaddafi gerne auch durch den Sport: Im vergangen Jahr kaufte er Anteile des italienischen Fußballclubs Juventus Turin, sein Sohn ist in der italienischen Liga als Spieler aktiv. Und obwohl Gaddafi junior kein schlechter Kicker ist, dürfte der Vater auch hier mit ein paar Petrodollars nachgeholfen haben.

Gaddafi jr. im Trikot von AC PerugiaBild: AP

Auch in Deutschland sorgte Diktator Gaddafi als Sportfreund für Aufsehen - als er einen deutschen Eishockeyclub unterstützen wolle. Als Gegenleistung sollte auf den Trikots für Gaddafis politische Offenbarungsschrift, sein so genanntes "Grünes Buch" geworben werden. Eine Aktion, die dann aber doch scheiterte.

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