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Politik

Ließ Deutschland IS-Kämpfer unbehelligt?

Kay-Alexander Scholz
7. März 2019

Die Justiz habe zur Hoch-Zeit der Flüchtlingskrise tausende Hinweise auf Kriegsverbrecher unter Asylsuchenden nicht verfolgt, melden deutsche Medien. Nun muss sich das Innenministerium einer Menge Fragen stellen.

Deutschland 2014 Landeserstaufnahme für Asylbewerber in Karlsruhe
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Während der Flüchtlingskrise 2015/16 kamen hunderttausende Menschen nach Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel rief "Wir schaffen das!". Doch die Behörden waren damals überfordert. Noch heute, Jahre später, gibt es einen Rückstau bei der Bearbeitung von Asyl-Anträgen.

Nun spiegelt sich diese Überforderung in einem aktuellen Statement des Bundesinnenministeriums wieder, dass die "Bild"-Zeitung zitiert. "Die große Zahl der Hinweise hat es nicht zugelassen, allen zum Beispiel durch polizeiliche Vernehmungen unmittelbar nachzugehen."

Das Heikle daran ist, dass sich diese Hinweise auf "Straftaten nach dem Völkerrecht" bezogen. Damals - 2015/16 - habe es 3800 solcher Hinweise gegeben. Nur in 28 Fällen aber wurde ermittelt.

Von wem stammen die Hinweise?

Quelle dieser Hinweise waren in den allermeisten Fällen die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die für die Bearbeitung von Asylanträgen in Deutschland zuständig sind. Rund 100 Hinweise kamen in beiden Jahren aus anderen Quellen.

Diese wurden, so ist der Dienstweg, an die Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV) weitergeleitet. Das ZBKV nennt sich selbst "War Crimes Unit". Beide Institutionen, also BAMF und ZBKV unterstehen dem Bundesinnenministerium.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Das ZBKV listet unter "Straftaten gegen das Völkerrecht" eine ganze Reihe von Straftaten aus. Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation - wie dem Islamischen Staat (IS) - ist nur eine davon. Es geht auch um "Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression".

Darüber, wie viele Beamte beim ZBKV beschäftigt sind und diese Fälle untersuchen können, verweigerte das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion zur Arbeit des ZBKV vom April 2018 die Aussagen, zumindest öffentlich.

Schon seit einem Jahr bekannt

Schon in dem Antwortschreiben von vor einem Jahr gab das Bundesinnenministerium die Zahlen bekannt. Allerdings machte das in Deutschland damals keine Schlagzeilen. Öffentlich wurde jetzt alles, weil die FDP-Fraktion noch einmal nachfragte.

Aus dem Antwortschreiben an die AfD geht hervor, dass nachdem den Hinweisen nachgegangen wurde, sich nur ganz wenige Hinweise erhärtet hätten. Demnach wurden 2015 eine Person und 2016 zwei Personen tatsächlich wegen Straftaten gegen das Völkerrecht verurteilt. Ob sie danach ausgewiesen wurden, ist unklar.

Empörte Reaktionen von FDP und AFD

Die FDP forderte nun, konsequent nachzuarbeiten. "2015 und 2016 kam auf hundert Hinweise gerade einmal ein Ermittlungsverfahren", sagte die FDP-Politikerin Linda Teuteberg in einem schriftlichen Statement, das der DW vorliegt. "Hier muss Innenminister Seehofer noch einmal genau nachprüfen und die Ermittlungsbehörden nach Kräften unterstützen, damit kein Täter seiner gerechten Strafe entkommt."

Die AfD reagierte empört. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, der AfD-Politiker Stephan Brandner fragte auf Twitter "Ein Schelm, wer Vorsatz vermutet?". Der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel sprach auf Twitter von "Staatsversagen".

Was nun? Bundesinnenminister Horst Seehofer verspricht AufklärungBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Der Bundesinnenminister reagierte anders als sein Sprecher, der erklärt hatte, dass die große Zahl der Hinweise es nicht zugelassen, habe, allen unmittelbar nachzugehen. Seehofer entgegnete laut mehrerer Agenturmeldungen, dass die Hinweise "nicht einfach von den Sicherheitsbehörden abgelegt, sondern natürlich geprüft, nach Prioritäten geordnet und weiterverfolgt wurden". Er werde dennoch "einen sehr genauen Bericht" über mögliche Versäumnisse anfordern.

Vor weiteren Schritten wolle er, so Seehofer, aber den Bericht abwarten. Seehofer war 2015/16 noch nicht Bundesinnenminister.

Nach Informationen der FDP-Fraktion hat sich das Verhältnis Hinweise-Verfahren in den Folgejahren um rund eine Dezimalstelle verbessert. Auf 600 Hinweisen 2017 folgten 46 Verfahren. 550 Hinweise im Jahr 2018 führten zu 49 Verfahren.

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