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Liebe@Internet

Oliver Samson27. Juni 2007

Mit Chats, Börsen und Foren ist das Netz der Balzplatz des 21. Jahrhunderts. Wer sucht, dem kann Amor auf einer professionellen Dating-Plattform auf die Sprünge helfen. Deutschland hinkt dabei ein wenig hinterher.

Frau mit Notebook in einem Hotelzimmer
Einsames Vergnügen. Noch?Bild: Bilderbox

Helen Morrison war eine Vorkämpferin der modernen Liebe: Sie gab im Jahr 1727 in einer Zeitung in Manchester die erste dokumentierte Kontaktanzeige auf - und wurde dafür prompt ins Irrenhaus gesteckt. Wer wann die erste Kontaktanzeige im Internet veröffentlicht hat, ist nicht bekannt - und auch nicht, ob jener User in der Irrenanstalt endete.

Für Vegetarier und Landwirte

Seit diesen Pionieren hat sich eine Revolution ereignet: Millionen einsamer Herzen vertrauen nicht mehr dem Zufall - und suchen den passenden Partner online. Alleine im deutschsprachigen Raum gibt es hunderte von Singlebörsen. Viele sind auf die Bedürfnisse ihrer User spezialisiert: Es gibt Kontaktseiten für Gehörlose und Fernfahrer, Hippies und Weinkenner, Hundeliebhaber, Vegetarier, Heavy-Metal-Fans, Katholiken, Landwirte und so weiter.

Digitales Dating ist längst ein globales Phänomen. Die einsame Partnersuche am Rechner mag für viele nicht die Krone der Romantik sein, doch die Zahl der Paare, die ihr Glück online gefunden haben, geht in die Millionen. In Indien etwa mit seinen 50 Millionen Internetusern gehört die Kontaktbörse shaadi.com zu den zehn populärsten Seiten überhaupt. Hunderttausende Ehen wurden auf diese Art schon angebahnt, tausende von Paaren danken auf der Seite enthusiastisch für die gefundene Liebe.

Match.com bewirbt sich selbst als die weltweit größte Kontaktbörse - und als eine der ältesten. Seit 1995 ist die Seite am Netz. "Nach Internetzeitrechnung seit der Vorsteinzeit", sagt Birgitta Schall von match.com. Seit 2003 gibt es die Seite auch auf deutsch. Über 15 Millionen User sind allein hier auf der Suche - aus jeder Altersgruppe, aus allen Teilen der Welt. Etwa jeder zehnte kommt aus dem deutschsprachigen Raum. Das findet Schall noch zu wenig - und hält es für ein Mentalitätsproblem: "Online-Dating hat noch nicht die Akzeptanz wie etwa in den USA oder in England", meint Schall. Die Deutschen hätten einfach Probleme, zuzugeben, dass sie ihren Partner Online suchen.

"Kann eh nichts werden"

Doreen und Hans gehören nicht zu dieser Gruppe - oder zumindest nicht mehr. Nach einer gescheiterten Beziehung meldeten sich die beiden Berliner Anfang des Jahres auf einer Single-Seite an - ohne ernsthaft die große Liebe suchen zu wollen. "Das war eher zum Spaß", sagt Doreen. Für mehr Erwartungen war die Skepsis auch viel zu groß - sozusagen aus Erfahrung. "Meine Mutter hat früher einen Partner über Kontaktanzeigen in Zeitungen gesucht", erinnert sich Doreen. "Ich habe sie beschmunzelt und immer gedacht: Das kann ja nichts werden." Zu Mutterns Zeiten gab es ja aber auch das Netz noch nicht.

Das digitale Glück: Hans und Doreen

Damit es mit der digitalen Kontaktanzeige etwas wird, brauchte Doreen wie jeder Suchende erstmal ein Online-Profil. Das funktioniert überall nach dem ähnlichen Prinzip: Mittels Fragenkatalog gilt es anzugeben, wer man ist - das lädt zum Schummeln ein, rächt sich aber natürlich, wenn es dann zum Treffen in der realen Welt kommt. Dann wählt man per Mausklick seinen Wunschpartner. Ob Mann ob Frau, ob blond ob braun: Erlaubt ist, was gefällt. Schließlich muss man sich ein Synonym ausdenken, ein paar Zeilen Selbstdarstellung dichten, vielleicht noch ein Bild hoch laden - und fertig. Danach flattert Liebesgott Amor mit einem Köcher voller Partner-Vorschläge heran, die ein Computer-Programm als passend ausgewählt hat.

Die digitale Balz

Nun kann der Balztanz des Online-Zeitalters beginnen - der meist nicht lange digital bleibt. Nach einer Studie der Universität Bath über englische Paare, die sich auf Singlebörsen gefunden haben, folgte innerhalb eines Monates nach dem digitalen Kennenlernen bei 80 Prozent auch das reale Treffen. Hans und Doreen haben den Schritt aus der Anonymität schon nach wenigen E-Mails gemacht. Eine Cocktailbar sollte der Ort für das erste Date sein. Die berühmte Rose im Knopfloch war nicht dabei - sie kannten ja ihr Aussehen aus dem Netz. "Das ist ja einer der ganz großen Vorteile", sagt Hans. Man kenne eben vom anderen schon Vieles vor dem ersten Date. "Wenn der Andere einigermaßen ehrlich ist, kann man sich böse Überraschungen sparen."

Die Online-Ehrlichkeit hat sich bei den Beiden ausgezahlt. Schnell treffen sie sich ein zweites Mal, schon wenige Wochen später ziehen sie zusammen. Über beide Ohren verliebt schwärmen sie von den Vorzügen des Online-Datings. Doreen vermag ihr Glück kaum zu fassen: "Jetzt habe ich genau das gefunden, wovon ich wirklich nicht mehr zu träumen gewagt habe. Der Hammer." Nur eines ist ihr über die neue Liebe gründlich vergangen: Das Schmunzeln über Kontaktanzeigen.