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Lieber ein Riese als viele Zwerge

Dirk Kaufmann22. April 2013

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bestreikt die Lufthansa, die darauf ihren Betrieb weitgehend einstellen muss. Die Airline streitet mit vielen Gewerkschaften - ein einziger Gegner wäre ihr lieber.

Flugzeuge der Lufthansa stehen auf dem Flughafen Frankfurt/Main (Foto: dpa)
Am Montag (22.04.2013) mussten fast alle Flugzeuge der Lufthansa am Boden bleibenBild: picture-alliance/dpa

Am Montag (22.04.2013) mussten fast alle Flugzeuge der Lufthansa am Boden bleiben: Gerade mal 20 Kurz- und Mittelstreckenflüge sowie sechs Langstreckenflüge konnte die Lufthansa auf die Reise schicken, rund 1800 Flüge wurden abgesagt. Die Dienstleitungsgewerkschaft Verdi fordert für rund 33.000 Beschäftigte Lohnerhöhungen und Jobgarantien - die Fluglinie bietet dagegen deutlich weniger.

Lufthansa-Chefs empört über Verdi

01:05

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Die Lufthansa hat aus Sicht der Gewerkschaft "kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt". Diesen Vorwurf weist Deutschlands größte Airline allerdings von sich. Natürlich habe man ein vernünftiges Angebot gemacht. Aber, so der Personalvorstand Stefan Lauer in einem Interview der ARD: "Dies ist ein Streik, der nur ein Ziel hat: Verdi will sich als Gewerkschaft im Lufthansa-Konzern gegenüber anderen Gewerkschaften positionieren."

"Ein Streik alle drei Monate"

Stefan Lauer sieht im Gewerkschaftspluralismus den Hauptgrund für die Probleme seiner Gesellschaft im aktuellen Tarifstreit und in den Auseinandersetzungen der vergangenen Monate. Dass sich sein Betrieb mit vielen verschiedenen Einzelgewerkschaften auseinandersetzen muss statt mit einer, die für alle Arbeitnehmer spricht, führe dazu, dass es immer mehr Streiks gibt: "Da streikt mal die Flugsicherung, da streikt mal das Bodenpersonal, da streikt wie jüngst in Hamburg das Sicherheitspersonal. Jedes Mal ist Lufthansa, als die große Fluggesellschaft dieses Landes, Hauptbetroffene."

Tatsächlich mussten in den vergangenen 15 Monaten zahlreiche Flüge ausfallen. Die Airline mit dem Kranich leidet immer wieder unter Streiks: Im Februar 2012 sorgten die Angestellten der Flugaufsicht für rund 1700 Flugausfälle. Im darauf folgenden Monat legten Mitarbeiter von Feuerwehr, Gepäckabfertigung und Bodenverkehr die Arbeit nieder. Im September mussten an nur einem Tag mehr als 100.000 Passagiere am Boden bleiben, weil die Flugbegleitergewerkschaft Ufo zum Streik aufgerufen hatte.

In diesem Jahr gab es bereits Arbeitsniederlegungen im Januar und Februar durch das Sicherheitspersonal und im März durch die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste. Ebenfalls im März hatte Verdi durch zahlreiche Warnstreiks an mehreren Flughäfen für rund 700 Flugausfälle gesorgt. Stefan Lauer hat das hochgerechnet und kommt zu dem Schluss, sein Unternehmen habe "alle drei Monate einen Streik" zu verkraften.

Egal wer die Arbeit niederlegt, Piloten oder Sicherheitspersonal: Bei einem Streik steht gleich alles still.Bild: picture-alliance/dpa

"So kann es nicht weitergehen!"

Die Lufthansa, so Lauer, sei ein Unternehmen, das global tätig ist und das überall genau beobachtet wird. Die Häufung von Streiks in den vergangenen beiden Jahren habe nicht nur dem Ansehen der Fluglinie, sondern auch dem Ruf Deutschlands geschadet. Daher müssten die Arbeitskämpfe in Deutschland besser organisiert werden und die Zahl der Gewerkschaften begrenzt werden nach dem Motto: Ein Betrieb, eine Gewerkschaft.

Der Arbeitsrechtler Jacob Joussen von der Ruhr-Universität in Bochum kann das Argument verstehen: "So eine Forderung ist immer legitim." Aber die Rechtslage in Deutschland sei eine andere, hier sei Gewerkschaftspluralität gesetzlich verankert: "Seit zwei, drei Jahren haben wir eine neue Rechtslage, die eben dazu führt, dass in einem Betrieb auch mehrere Gewerkschaften kämpfen können."

Und dabei, so Joussen im Gespräch mit der DW, habe sich der Gesetzgeber auch etwas gedacht. Denn mit der Gewerkschaftspluralität komme es auch zu einem Konkurrenzkampf der Gewerkschaften untereinander. Und das sei "von der Verfassung her, und das kann ich gut nach vollziehen, auch so beabsichtigt."

Die Lufthansa jedenfalls will das nicht mehr hinnehmen. Personalvorstand Lauer findet dabei deutliche Worte: "So kann es nicht weitergehen! Die Politik ist hier gefordert und das haben wir allen Parteien auch so gesagt."

Ändern wird sich erstmal - nichts

Doch mit einem schnellen Erfolg rechnet Stefan Lauer nicht. Vor der Bundestagswahl im September werde die Politik sich dieses Themas bestimmt nicht mehr annehmen. Wenn es zu einer Gesetzesänderung käme, dann mit Sicherheit nicht mehr "in dieser Wahlperiode."

Der Bochumer Jurist Joussen ist sogar wesentlich pessimistischer. Er kann sich gut vorstellen, dass sich die Politik auch in der nächsten Wahlperiode aus diesem Streit heraushalten wird: "Das Gebiet ist so sensibel. Wir haben in den 60 Jahren der Bundesrepublik gesehen, dass der Gesetzgeber nie tätig werden wollte, weil die Interessengegensätze zu groß sind. Ich erwarte da keinen Durchbruch."

Für Menschen, die viel fliegen müssen, sind das alles andere als gute Aussichten.

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