Die Liebesbriefe des Physik-Genies Albert Einstein
11. Dezember 2024Zeit seines Lebens war Einstein ein Popstar der Wissenschaft, der bereits mit 26 Jahren - in seinem "Annus mirabilis" ("Wunderjahr") 1905 -, mehrere bahnbrechende Arbeiten vorlegte. Eine davon, die spezielle Relativitätstheorie, machte ihn weltberühmt. Nur zwölf Jahre später erhielt Einstein den Physik-Nobelpreis. Doch woher nahm er die Kraft, die Inspiration, die Muße, all das zu leisten?
"Making Science, Love and Coffee" - nach diesem Motto könnte Einstein (1879-1955) gelebt haben. Davon ist Jürgen Renn, Wissenschaftshistoriker und Professor am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena, überzeugt. "Am Sonntag küss' ich dich mündlich" heißt eine Sammlung von Liebesbriefen zwischen Einstein und seiner ersten Ehefrau Mileva Maric aus den Jahren 1897–1903, die Renn 2005 mit herausgab.
Die Briefesammlung ist Teil der 1987 bei der Princeton University Press in den USA erschienenen "Collected Papers of Albert Einstein". Renn wirkte von 1986 und 1992 als Co-Herausgeber daran mit. "Diese Briefe waren damals erst entdeckt worden", erinnert er sich im DW-Gespräch, "meine Aufgabe war es, sie zu lesen, zu kommentieren und historisch einzuordnen." Noch heute klingt Renn fasziniert von der Lektüre: "Es war sensationelles Material, weil es nicht nur Liebesbezeugungen enthielt, sondern auch wissenschaftliches Material aus Einsteins kreativster Phase, über die er sich mit seiner Freundin und späteren Ehefrau intensiv austauschte."
Wissenschaft und Liebe
So gaben die Briefe nicht nur Einblick in die Gefühlswelt des jungen Einstein, sondern zeugten - ganz nebenbei - auch vom Entstehen seiner wissenschaftlichen Theorien. Einstein und Mileva Maric (1875-1948), eine junge Serbin, hatten sich 1896 am Polytechnicum in Zürich kennengelernt, er 17, sie 20 Jahre alt. Er hatte in der Schweiz das Abitur nachgemacht, nachdem er in München das Gymnasium geschmissen hatte. Sie kam aus der Wojwodina, dem damaligen Österreich-Ungarn, hatte in Zagreb ein Jungengymnasium besucht und studierte in Zürich Physik - als einzige Frau ihres Jahrgangs und als erste Serbin überhaupt.
Vermutlich fand Einstein Gefallen an der Einzigartigkeit seiner Kommilitonin. Er verschlang zu dieser Zeit Schopenhauer (1788-1860), gefiel sich in einer antibourgeoisen Attitüde. Zwischen Mileva und Albert wuchs eine Liebe der besonderen Art: "Mit ihr konnte Einstein sein Liebesleben mit seinem wissenschaftlichen Leben verbinden", sagt Renn, "sie konnten sprichwörtlich über alles reden." Ganz offensichtlich war Mileva ihrem Albert in mathematischen Fragen ebenbürtig - warum sonst spekuliert die Fachwelt bis heute über Milevas Anteil an der Ausarbeitung der Relativitätstheorie?
"Liebes Doxerl", schreibt Einstein etwa 1901 aus Winterthur an seine Mileva, "ich hab Dich gern, meine liebe Maid…..Wie schön war es letztes Mal, als ich Dein liebes Persönchen an mich drücken durfte, wie die Natur es gegeben, sei mir innigst dafür geküsst, Du liebe Seele!" Die sechs Jahre, über die sich die Korrespondenz erstreckt, sind entscheidende Jahre für Albert und Mileva: Jung verliebt, wird Mileva 1901 schwanger und bringt ein uneheliches Kind zur Welt. 1903 folgt die Heirat. Drei Kinder entspringen der Ehe, die formal nur bis 1918 hält. "Du verzichtest auf alle persönlichen Beziehungen zu mir", stellt Einstein 1914 per Brief klar, "Du hast weder Zärtlichkeiten von mir zu erwarten, noch mir irgendwelche Vorwürfe zu machen." In der Scheidungsvereinbarung gesteht er ihr das Preisgeld des Nobelpreises zu - den er da noch gar nicht besaß.
Streit um Elsas Haarbürste
Es war eine ernste Erkrankung, die den Karrierephysiker während seiner Berliner Jahre plagte. Nach Stationen in Zürich und Prag lebte er seit 1914 an der Spree, brach aber 1933 mit Nazi-Deutschland - Einstein war Jude - und emigrierte in die USA. Noch in Berlin hatte sich eine Cousine zweiten Grades, Elsa Löwenthal (geb. Einstein; 1876 -1936), eine Schauspielerin und Rezitatorin, des kränkelnden Einsteins angenommen. Er zog bei ihr ein. Kurz nach seiner Scheidung von Mileva heiratete Albert sie. Zwischen beiden ging es robust zu. So kritisierte sie etwa seine mangelnde Körperhygiene - und schenkte ihm eine Haarbürste. "Wenn ich Dir zu unappetitlich bin", schrieb er ihr darauf, "dann suche Dir einen für weibliche Geschmäcker genießbareren Freund. Ich aber bewahre mir meine Indolenz."
Seine Wirkung auf Frauen schien das nicht zu schmälern, ganz im Gegenteil. Wo er hinkam, wurde er von der Damenwelt umworben. Auf vielen seiner häufigen Vortragsreisen unterhielt Einstein Liebschaften. Selbst in Berlin hatte er eine Geliebte, wie der Einstein-Biograph Armin Hermann schreibt - neben der Ehe mit Elsa. "Die größte Belastung für die Ehe waren Einsteins Affären", notiert Hermann in seinem Vorwort zu Einsteins Liebesbriefen. "Einstein fühlte sich stark angesprochen von allem Weiblichen."
Leidenschaftliche Jugendliebe
Erst spät stellte sich heraus: Die Verbindung Einsteins zu seiner ersten Freundin Marie Winteler war offenbar mehr als nur ein Jugendflirt. "Als ich Deinen Brief las, da war es mir, wie wenn ich zusähe, dass mein Grab gegraben wird", heißt es in einem pathetisch, "das Restchen Glücks, da mir noch geblieben war, ist zerstört, es bleibt nur ein trostloses Pflichtenleben übrig." Diese dramatischen Zeilen richtete Einstein nicht etwa an die erste Ehefrau Mileva oder, an die zweite, seine Cousine Elsa; auch nicht an an eine seiner zahlreichen Geliebten. Adressatin war seine einstige Jugendliebe Marie, Tochter der Gastfamilie, bei der Einstein als Jugendlicher für ein Jahr wohnte, um das Abitur nachzumachen. Ebenso kurz währte das Liebesverhältnis, dann hieß die Angebetete schon bald Mileva.
Diese Briefe, die lange im Bernischen Historischen Museum lagen, bevor sie 2018 veröffentlicht wurden, zeigen das Jahrhundertgenie Albert Einstein als Romantiker mit einem Hang zum Schwülstigen: "Welch unendliches Glück ist das Gefühl: Wir sind eine Seele zusammen", schwärmt er etwa, "die Liebe macht uns groß und reich und kein Gott kann sie uns nehmen."
So zeigen Einsteins Liebesbriefe wohl vor allem das: Der Physiker liebte die Wissenschaft, die Freundschaft und die Frauen. Er war nicht nur das allseits bewunderte Genie. Er war auch ein ganz normaler Mann.
Seine Liebesbriefe an Mileva Maric wurden am 11. Dezember im Londoner Auktionshaus Christie's versteigert - für umgerechnet 500.000 Euro.