Konter aus Vaduz
19. Februar 2008
Im Skandal um die Steuerflucht reicher Deutscher nach Liechtenstein ist das Fürstentum am Dienstag (19.2.2008) in die Offensive gegangen: Sein Land lehne das Vorgehen der deutschen Behörden bei der Aufdeckung der Fälle von Steuerhinterziehung entschieden ab, sagte Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein in Vaduz. Es sei ein "völlig überrissener Angriff" auf einen Kleinstaat, die Fälle so kurz vor dem Besuch des liechtensteinischen Regierungschefs Otmar Hasler am Mittwoch in Berlin publik zu machen. "Deutschland löst mit seinem Angriff auf Liechtenstein nicht das Problem mit seinen Steuerzahlern", sagte er.
Das Bundesfinanzministerium verwahrte sich gegen die Vorwürfe: "Es gibt keinen Angriff auf Liechtenstein. Es gibt einen Angriff auf deutsche Kriminelle", sagte ein Sprecher. Liechtensteins Justiz ermittelt jetzt gegen den Informanten, der dem Bundesnachrichtendienst (BND) die Daten über deutsche Steuersünder verkaufte."Hehlerei im großen Stil"
Kritik übte Erbprinz Alois insbesondere an der Zahlung eines Millionenbetrages für die Daten, welche die aktuellen Steuerermittlungen in hunderten Fällen auslösten. Er warf den deutschen Behörden "Hehlerei in großem Stil" vor. Der BND habe Geld an einen "verurteilten Rechtsbrecher" gezahlt, gegen den nun wegen Verletzung des Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslandes ermittelt werde. Dem Staatsoberhaupt zufolge handelt es um einen Mann, der bereits 2002 des Daten-Diebstahls überführt und mit Gefängnis bestraft wurde. Die US-Zeitung "Wall Street Journal" berichtete, der Mann halte sich derzeit in Australien auf.
Anwälte zeigen Bundesregierung an
Zwei Berliner Rechtsanwälte zeigten die Bundesregierung und den BND wegen des Kaufs geheimer Steuerdaten an. Es handle sich dabei "um einen besonders schweren Fall der Untreue und des Ausspähens von Daten", erklärte der Rechtsanwalt Ferdinand von Schirach. Die Anzeige richtet sich gegen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und führende BND-Mitarbeiter.
Kritik von Transparency International
Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International verwies darauf, dass die US-Steuerbehörde eine Kontrollmitteilung aus dem Fürstentum erhalte, wenn dort ein US-Bürger sein Vermögen deponiert. Es sei skandalös, dass die europäischen Finanzminister eine solche Vereinbarung mit Liechtenstein nicht zustande bekämen, sagte ein Vorstandsmitglied im Südwestrundfunk.
Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker kündigte in Berlin an, die Finanzminister der EU würden sich beim nächsten Treffen Anfang März mit der Steuerflucht beschäftigen. Mit Blick auf Liechtenstein sagte Juncker, der auch vorsitzender Euro-Finanzminister ist: "Dass es noch Schlupflöcher gibt, ist unverkennbar." Es gebe allerdings auch Fortschritte in Liechtenstein, dort gehe es seriöser zu als früher.
Nicht mehr Selbstanzeigen trotz Razzien
Die deutschen Steuerfahnder setzten am Dienstag ihre Razzien bei deutschen Bankfilialen fort. Ziel war unter anderen die Münchner Niederlassung der Schweizer UBS-Bank, wie eine Sprecherin der "Financial Times Deutschland" (Mittwochausgabe) sagte. Am Montag
waren die Fahnder bei der Dresdner Bank in München vorstellig geworden. Sie waren auf der Suche nach Kontendaten von Bankkunden, die der Steuerhinterziehung verdächtig sind. Presseberichten zufolge gab es trotz des hohen Fahndungsdrucks zunächst keinen merklichen Anstieg von Selbstanzeigen deutscher Steuersünder. (tos)