Die Suezkanal-Sperrung im März und die coronabedingte Schließung eines Hafens in China haben die internationalen Lieferketten empfindlich gestört. Die Auswirkungen treiben auch die Inflation an.
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Lieferengpässe, die durch die Corona-Pandemie verursacht werden, trüben fast weltweit die Konjunkturaussichten. Zusätzlich beeinträchtigen Flutkatastrophen in Deutschland und China den Warenaustausch. Diese Umstände werden die deutsche Wirtschaft noch für eine geraume Zeit vor erhebliche Probleme stellen, warnt der DIHK, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) werden Lieferschwierigkeiten die Industrieproduktion noch bis in den Herbst hinein belasten. "Für das gesamte Jahr 2021 dürften sich die Verluste für die deutsche Volkswirtschaft auf rund 25 Milliarden Euro belaufen", so das norddeutsche Institut.
Havarien und Infektionen
Im Frühjahr hatte sich bereits gezeigt, wie verwundbar die internationalen Lieferketten sind, als der Suezkanal unpassierbar war. Wohl wegen eines Steuerfehlers hatte sich das Containerschiff Ever Given im Kanal quer gestellt und war manövrierunfähig liegengeblieben. Der Kanal musste gesperrt werden, hunderte von Schiffen lagen fest.
Am 21. Mai wurde der Betrieb im zur Stadt Shenzen gehörende Hafen Yantian im Südosten Chinas von den lokalen Behörden teilweise eingestellt. Der Grund: Zu viele Arbeiter waren mit COVID-19 infiziert. Seitdem hatte ein Teil der Anlegeplätze und Kräne für rund einen Monat nicht zur Verfügung gestanden, vor dem Hafen lagen zeitweise mehr als 130 Container-Schiffe vor Anker.
Wichtiger Knotenpunkt
Zwar hat der Hafen, der die Industriemetropole Shenzhen in der Provinz Guangdong mit dem Ausland verbindet, Anfang Juli seine Arbeit wieder vollständig aufgenommen. Doch "die zu erwartenden mehrwöchigen Beeinträchtigungen dürften so lange anhalten, bis die Logistik wieder weitgehend reibungslos funktioniert" sagte der China-Beauftragte des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), Riccardo Kurto der Nachrichtenagentur Reuters.
Normalerweise, so der Verband, würden rund 90 Prozent aller Elektronikexporte Chinas über diesen Hafen verschifft. Das seien rund zehn Prozent aller Exporte des Landes. Mit Ausfuhren im Wert von mehr als 700 Milliarden US-Dollar sei die Provinz Guangdong die mit Abstand exportstärkste Region des Landes. Nur in Shanghai, Ningbo und Singapur würden weltweit mehr Container jährlich abgefertigt. Daher hätten die Verzögerungen in Yantian die globalen Lieferketten empfindlich getroffen.
Leichte Entspannung
Vincent Stamer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) beobachtet die Lage im Süden Chinas genau und sieht, dass sich die Wirtschaft dort wieder normalisiert. Das IfW, so Stamer in einem Interview der DW, sehe dort "tatsächlich Entspannung. Seit Beginn des Monats Juli sehen wir, dass der Stau in Yantian und im Perlflussdelta zurückgegangen ist."
Diese Tendenz sei im Übrigen nicht auf Yantian beschränkt, sondern sei in der gesamten Region zu beobachten, die Exportwirtschaft in der Provinz sei auf dem Weg der Erholung: "Wir sehen auch, dass die chinesischen Exporte wieder zugenommen haben."
Die Teilsperrung des wichtigen Hafens in China kann man, so Stamer im Interview, durchaus mit den Folgen der Havarie der Ever Given im Suezkanal vergleichen: "Die Ereignisse spielen in der gleichen Größenordnung. Die Suezkanalkrise hat für den Handel in Europa vielleicht eine etwas größere Rolle gespielt - doch dieser Stau konnte schneller abgebaut werden als der in China."
Die Chinesen hatten einige Exporte über andere Häfen abwickeln können. Eine Alternative, die es für die im und vor dem Suezkanal festgelegenen Containerschiffe nicht gegeben hatte.
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Ständige Beobachtung
Das IfW wertet mit einem Analyse-Tool, dem Kiel Trade Indicator, weltweit Schiffsbewegungen aus und kann so Rückschlüsse auf globale Handelsströme ziehen. Dabei werden an- und ablegende Schiffe in 500 Häfen erfasst. Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert. Außerdem wird anhand des Tiefgangs der beobachteten Schiffe deren aktuelle Auslastung errechnet.
Der globale Containerschiffsverkehr ist laut dem IfW weiterhin aus dem Takt. Während sich die Staus vor den großen Häfen Chinas abbauten, entstünden neue Engpässen vor US-Häfen, so das Institut. Auffällig sei, so Vincent Stamer "dass das Frachtvolumen im Roten Meer, ein Indikator für den europäisch-asiatischen Handel, nun schon seit mehreren Wochen mehr als zehn Prozent unter den eigentlich erwartbaren Mengen liegt". Seit der ersten Coronawelle habe es eine so lange und deutliche Abweichung nach unten nicht mehr gegeben.
Die Inflation und die Geschenke
Das IfW beobachtet weiterhin "eine auffällige Unwucht in den internationalen Schiffsbewegungen". Das beeinflusse aber nicht nur die Lieferketten, die gegenwärtig zum Zerreißen gespannt sind, sondern auch Konjunktur und Preisstabilität in Europa.
"Inflation in Europa ist vielleicht der gravierendste Effekt der Containerschiffstaus", so Stamer im DW-Interview. "Die Kapazität eines Schiffes ist im Stau quasi gebunden, der verfügbare Schiffsraum nimmt ab, die noch freien Plätze sind dann besonders teuer. Dadurch sind die Preise für die Containerschifffahrt sehr stark gestiegen. Allein 2021 sind die Preise im Containerverkehr von China nach Europa schon um etwa das Doppelte gestiegen. Und diese Preiserhöhungen im Transport werden auch irgendwann an Konsumenten weitergegeben."
Dennoch hatte Vincent Stamer im DW-Interview zum Schluss eine tröstende Nachricht: Obwohl es noch dauern dürfte, bis die Lieferketten wieder "rund laufen", und trotz der sich ankündigenden Preiserhöhungen sieht das IfW das Weihnachtsfest in Deutschland nicht in Gefahr: "Ich glaube, dass wir uns um die Weihnachtsgeschenke keine Sorgen machen müssen."
Container: Die Transportbox wird 65 Jahre alt
Am 26. April 1956 wurde erstmals ein Frachtcontainer auf die Reise geschickt. Die Erfindung von Malcom P. McLean, ein US-Amerikaner mit schottischen Wurzeln, hat den Welthandel revolutioniert.
Bild: picture-alliance/dpa
Ein Mann und seine Kisten
Malcolm McLean, Spediteur und Reeder aus den USA, hatte 1956 die zündende Idee: Wenn man Waren gesammelt in einer Kiste verschickte, statt sie einzeln versandfertig zu machen, ließe sich doch viel Zeit und Mühe sparen. Und da Zeit auch vor 65 Jahren schon Geld kostete und Mühe, auch in Form von Lohnkosten, könnte man so viel Geld sparen, sehr viel Geld - immer schon ein unschlagbares Argument.
Bild: Maersk Sealand
Millionen krummer Rücken
Vielleicht wollte McLean ja auch den vielen Männern, die sich in den Häfen der Welt (nicht nur an der US-Ostküste, wo die ersten Container verschifft wurden) bei ihrer schweren Arbeit den Rücken krumm schufteten, das Leben erleichtern. Allerdings wurden nicht nur die Rücken der Arbeiter erleichtert, sondern auch die Arbeiter um ihre Jobs - aber das ist eine andere Geschichte.
Und so sieht ein Container aus. Er ist standardisiert und grundsätzlich in zwei Ausführungen lieferbar: Als knapp sieben Meter lange "Twenty-Foot Equivalent Unit" (TEU) oder, wie dieser hier, als doppelt so lange FEU ("Forty-Foot Equivalent Unnit"). Daneben gibt es noch zahlreiche Varianten: Kühlboxen etwa, oder Spezialcontainer zum Transport von Tieren oder Waren mit außergewöhnlichen Maßen.
Bild: Robert Schmiegelt/Geisler/picture alliance
In Bremen begann es
Mai 1966, Bremer Überseehafen: Die "Fairland", ein Schiff der McLean-Reederei, bringt die ersten 110 Container nach Deutschland. Hier hier sieht man auch den eigentlichen Mehrwert der McLeanschen Erfindung: Es ist die Vernetzung der einzelnen Speditionswege, die das neue System so erfolgreich machen. Ohne Umladen kann die Ware direkt vom Kai aus per Lkw oder Bahn weiter transportiert werden.
1956 hatte McLean den Tanker "Ideal X" gekauft und so umgebaut dass er Auflieger von Sattelschleppern ohne deren Zugmaschinen aufnehmen konnte. Heute transportieren Riesen wie die "HMM Algeciras" der koreanischen Reederei Hyundai Merchant Marine fast 24.000 TEU auf einmal. Das 399,9 Meter lange Schiff hat einen Tiefgang von mehr als 16 Metern - und kann schon längst nicht mehr alle Häfen anlaufen.
Bild: Joe Giddens/PA Wire/picture alliance
Groß ist schon gut, aber ...
... nicht entscheidend. Wichtiger ist die Anbindung im Hafen, wie hier im chinesischen Qingdao. Container sind genauer betrachtet sowohl Export-, wie auch Importkisten. Sie sind in einem ununterbrochenen Kreislauf unterwegs: Um ihre angelieferte Ladung erleichtert, werden sie gleich wieder beladen und gehen schnellstmöglich auf die nächste Reise.
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/Y. Fangping
Immer wichtiger
Es sind weltweit so viele Waren unterwegs - und im globalen Handel werden mehr als 90 Prozent davon auf Schiffen transportiert - dass die Arbeit hier keine Pause kennt, es wird Tag und Nacht gefahren, geladen und gelöscht - wie hier am Burchard-Kai im Hamburger Hafen. Laut dem Branchendienst Alphaline gibt es derzeit 6220 Containerschiffe, die 24,35 Millionen TEU transportieren.
Bild: Volker Schlichting/Zoonar/picture alliance
Hafen mit Bahnanschluss
Der Hamburger Hafen, seine Kräne sind hier im Hintergrund zu erkennen, hat natürlich einen Gleisanschluss. Oder besser: einen eigenen großen Bahnhof. Der Hafenbahnhof Alte Süderelbe wird von der HPA, der Hamburg Port Authority, betrieben.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt
Alles im Griff
Die schiere Menge an Waren (und deswegen auch an Containern) erfordert eine ausgeklügelte Planung, Leitung und Kontrolle. Hier, im Leitstand des Container Terminals Altenwerder des Hamburger Hafens, geht es daher zu wie im Tower eines internationalen Großflughafens.
Bild: HHLA
Und binnen geht es weiter
Nicht nur "buten" (also: draußen, auf hoher See) sondern auch binnen (im Hinterland) werden Container verschifft. Die Binnenschifffahrt ist der dritte wichtige Transportweg innerhalb Deutschlands: Nach der Straße und der Schiene sind es die Flüsse und Kanäle. Und in Duisburg, an Europas größten Binnenhafen, endet und beginnt auch der Schienenweg nach Ostasien - über Pekings neue "Seidenstraße".
Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen
Einladung an Schmuggler
Bei den vielen Millionen Containern, die täglich irgendwo auf dieser Welt angelandet werden, ist es natürlich nicht möglich, immer zu wissen, was da nun wirklich drin ist - Kriminelle nutzen das weidlich aus. Hier freut sich der pakistanische Brigadegeneral Ashfaqur Rashid Khan, dass es seiner Anti-Drogen-Einheit gelungen ist, wenigstens diese Drogenladung zu entdecken.
Bild: AP
Auch ästhetisch ein Gewinn
Viele Menschen finden die Frachtkisten schlicht und einfach hässlich: eintönig, oft verbeult, meist schmutzig - echt langweilig. Doch wenn sie "aus dem Kontext genommen und mit kreativer Energie aufgeladen der hässlichen Fratze des Kapitalismus den Spiegel vorhalten" - ja dann ... Aber wir sind hier ja nicht in der Kulturredaktion.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler
Und doch ...
... ja, auch den Kapitalismus kann man ästhetisieren: Etwa, wenn man die Arbeit mal weglässt - und zwar sowohl die geleistete von Kranführern, Lastwagenfahrern oder Seeleuten als auch die nicht mehr benötigte der Hafenarbeiter von früher - dann entwickeln die Container durchaus einen atmosphärischen Reiz. Wie an diesem Abend im Container Terminal Altenwerder des Hamburger Hafens.