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Name des royalen Babys sorgt für Kontroverse

Matthias Beckonert
7. Juni 2021

Prinz Harry und Meghan Markle haben die Geburt ihres zweiten Kindes bekanntgegeben. Schon jetzt ist das Leben des Neugeborenen symbolisch aufgeladen.

Die schwangere Meghan Markle hat ihren Kopf auf dem Bein von Prinz Harry liegen, der barfüßig auf einer Wiese sitzt. Beide lächeln sich an.
Harry und Meghan, damals noch in romantischer Erwartung ihres zweiten KindesBild: Misan Harriman/The Duke And Duch/PA Media/dpa/picture alliance

Bedeutet das ein neues Kapitel der Geschichte zwischen Prinz Harry, seiner Frau Meghan Markle und dem britischen Königshaus? Wie die 'royalen Aussteiger' am Sonntagabend mitteilten, sind sie erneut Eltern geworden: Tochter Lilibet Diana Mountbatten-Windsor kam am 4. Juni im kalifornischen Santa Barbara auf die Welt, wie das Paar auf der Website ihrer "Archewell"-Stiftung mitteilte. Mutter und Kind seien wohlauf und wieder zu Hause.

Stand auch schon im medialen Fokus: Meghan Markles und Prinz Harrys Sohn ArchieBild: Dominic Lipinski/empics/picture alliance

"Lili", wie das Kind genannt werden soll, ist nach Bruder Archie Harrison das zweite Kind von Harry und Meghan, die die Schwangerschaft am Rande des aufsehenerregenden Interviews mit Oprah Winfrey verkündeten, in dem sie Teilen des britischen Königshauses Rassismus vorwarfen. Das britische Königshaus gab, dessen ungeachtet, über einen Sprecher ebenso wie Bruder William und seine Frau Kate bekannt, über die Geburt der Mächens hocherfreut zu sein. Der britische Premierminister Boris Johnson gratulierte ebenfalls umgehend, und auch in den sozialen Netzwerken sorgte die Nachricht für Aufsehen.

Streit um den Namen

Kaum drei Tage alt, wird Lili - genauer: ihr Name - schon zum Politikum. "Lili wurde nach ihrer Urgroßmutter, Ihrer Majestät der Königin, benannt, deren Kosename in der Familie Lilibet ist", heißt es in der Presseerklärung von Harry und Meghan. Wie Fans des britischen Königshauses wissen, entstand dieser Name in der Kindheit der späteren Königin Elisabeth II., weil sie ihren eigenen Namen als Kleinkind nicht aussprechen konnte. Nicht nur ihr Großvater, König Georg V., soll die Queen liebevoll Lilibet genannt haben - auch ihr kürzlich verstorbener Ehemann Prinz Philip nannte seine Ehefrau so. Der zweite Vorname Diana ist eine Hommage an Harrys verstorbene Mutter "Lady Di" Diana.

Die beiden Namensgeberinnen 1984 zusammen auf einem Sofa: Elisabeth II. (2.v.l.) und Prinzessin Diana (5.v.l.), auf den Schößen Prinz William (3.v.l.) und Prinz Harry (4.v.l.)Bild: picture-alliance/dpa

Für einige britische Boulevardzeitschriften und viele Nutzer online - glühende Verfechter der Royals und damit in kategorischer Feindschaft vor allem zu Meghan Markle mit ihren Vorwürfen des Rassismus gegen das Königshaus - stellt besonders der erste Name einen Affront dar. Sie sehen in dem Rückzug von Harry und Meghan sowie ihren Rassismus-Vorwürfen eine unverzeihliche Nestbeschmutzung der königlichen Familie. Der Name sei "herabsetzend" gegenüber der verwitweten Königin, sagte Harry-Biographin Angela Levin in der TV-Show "Good Morning Britain". Andere lesen den Namen nicht als Beleidigung, sondern als ein Versöhnungsangebot des "abtrünnigen" Ehepaars an das Königshaus.

Das Zeichensystem der Royals

Kein normaler Theaterbesuch: Harrys Bruder Prinz William mit Frau Kate und den drei Kindern auf dem roten Teppich einer Benefizveranstaltung für systemrelevante Arbeiter während der PandemieBild: Avalon/Photoshot/picture alliance

Kaum jemand scheint der Frage Aufmerksamkeit zu schenken, was die beiden Vornamen ursprünglich bedeuteten: "Lili" kann mit Lilie übersetzt werden und steht somit für Reinheit, Liebe und Fruchtbarkeit. Diana war in der römischen Mythologie die Göttin der Jagd, des Mondes und der Geburt. Vielmehr wird der Name "Lilibet Diana" als ein politisch-dynastischer Akt verstanden, als ein Zeichen an die Königsfamilie, aber auch die sie unterstützenden Bevölkerungsteile, das gedeutet werden muss. Woher kommt diese Überlegung? Schließlich interessiert sich im Vereinigten Königreich ebenso wie in Deutschland kaum jemand für die Namen von Kindern, deren Eltern wirklich politische Macht ausüben.

Zunächst ist da natürlich die Erbfolge in Monarchien. Lilibet Diana nimmt hier den achten Platz ein, könnte theoretisch eines Tages selbst auf dem Thron sitzen. Sie wird wohl, ähnlich wie ihr Bruder Archie, zunächst keinen Titel tragen. Sollte Königin Elisabeth aber sterben und ihr Sohn Prinz Charles König werden, würde Lili als Enkelin des Königs offiziell zur Prinzessin werden.

Viel wichtiger noch als die Thronreihenfolge ist aber noch das Zeichensystem, in das Lili hineingeboren wird. Die Familienmitglieder müssen je nach Stellung am Hof einer strengen Verhaltensetikette folgen und werden dabei von einer Schar an royalen Fans und Journalisten der Klatschpresse auf der ganzen Welt permanent beobachtet. Alles hat hier eine Bedeutung: Jedes Outfit, jedes Familienfoto und jeder öffentliche getane Schritt wird als Zeichen gelesen, mit Bedeutung aufgeladen und in den royalen Mythos eingespeist.

Zeichen der Macht: Königin Elisabeth II. sitzt für eine Rede im Haus of Lords mit der Krone auf dem Kopf auf ihrem ThronBild: picture-alliance/dpa/PA

Wer darf das Königshaus repräsentieren?

Gerade in Monarchien ist dieser Mythos entscheidend für die Herrschaft. Insignien der Macht und die Zurschaustellung von Herrschaft waren spätestens seit dem Mittelalter wichtig, um die natürliche, sterbliche Person des Königs in seiner überzeitlich und überindividuell gedachten Position des Königs aus Gottesgnaden zu inszenieren. Der König hatte also, wie eine berühmte These des Historikers Ernst Kantorowicz lautet, gewissermaßen zwei Körper: einen natürlichen und einen politischen.

Liest man in britischen Boulevardblättern, wird deutlich: Dieses "Lesen" der royalen Körper und Gesten findet bis heute statt - nur, dass das britische Königshaus heute keine relevante politische Macht mehr ausübt. Die Vorstellung von dem öffentlich-politischen Körper hat sich dagegen gehalten, wie der Streit um die Namensgebung zeigt: Indem ausgerechnet die Tochter der "abtrünnigen" Royals den Kosenamen der herrschenden Königin - wenn auch abgewandelt - annimmt, besetzt sie in den Augen der Hardcore-Royalisten eine Position im Innersten der Familie, die ihr nicht zustehe.

Das Fernsehinterview mit Oprah Winfrey (rechts), in dem die beiden 'royalen Aussteiger' Rassismusvorwürfe öffentlich machtenBild: Photoshot/picture alliance

Der von außen an die Familie herangetragene Streit um den Namen ist also eine Frage von Macht: Wer darf sich als Teil der königlichen Familie (und damit in politischen Machtpositionen) inszenieren, und wer nicht? Gerade vor diesem Hintergrund werden die Rassismusvorwürfe von Meghan und Harry wieder relevant, in denen es genau um die Frage nach politischer Repräsentation ging: Teile der Königsfamilie hätten, wie Meghan im Interview berichtete, Bedenken über die Geburt ihres Sohnes gehabt. Genauer: wie dunkel seine Haut sein könnte.

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