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Politik

Lindner will Vertrauensfrage im FDP-Vorstand stellen

6. Februar 2020

Das Debakel um die Ministerpäsidentenwahl in Thüringen erschüttert jetzt auch die FDP auf Bundesebene. FDP-Chef Lindner will im Parteivorstand die Vertrauensfrage stellen: "Die Bundesführung muss neu legitimiert werden".

Deutschland PK Christian Lindner Ministerpräsidentenwahl Thüringen
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Die Vorgänge um die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich zu Thüringens Ministerpräsidenten mit Hilfe von Stimmen aus der rechtspopulistischen AfD setzen die FDP auf Bundesebene massiv unter Druck. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner will im Vorstand seiner Partei die Vertrauensfrage stellen. "Die Bundesführung muss neu legitimiert werden, ein Weiterso kann es da nicht geben", sagte Lindner in Erfurt vor der Presse. Deswegen habe er für Freitag eine Sondersitzung des Parteivorstands einberufen, um sich dort "des Rückhalts zu versichern".

Thomas Kemmerich habe die einzig richtige, einzig mögliche Entscheidung getroffen, sagte Lindner zu dessen Ankündigung eines Antrags auf Auflösung des Parlaments und des Rücktritts vom Amt des Regierungschefs in Thüringen. Binnen eines Tages habe er sich so aus der Abhängigkeit der AfD befreit, sagte Lindner.

Kemmerich will Amt aufgeben und Weg für Neuwahl in Thüringen ebnen

Zuvor hatte sich der neue FDP-Ministerpräsident in Thüringen der massiven öffentlichen Kritik an seiner Wahl gebeugt und angekündigt, er werde sein Amt aufgeben. Die FDP-Fraktion will dafür einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen, um eine Neuwahl herbeizuführen. Das teilte die Landtagsfraktion in Erfurt mit. "Thomas L. Kemmerich will damit den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen", hieß es in der Mitteilung der Fraktion.

Thomas Kemmerich - Ministerpräsident für einen TagBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

"Der Rücktritt ist unumgänglich", sagte Kemmerich in Erfurt. "Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen." Weiter sagte er: "Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen."

CDU-Präsidium will Freitag beraten

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zeigte sich erleichtert über die jüngsten Entwicklungen in Thüringen. Die Entscheidung für die Auflösung des Landtags sei überfällig. Er begrüße die Entscheidung der FDP in Thüringen, um weiteren "Schaden abzuwenden". "Neuwahlen sind der beste und klarste Weg", sagte Ziemiak. Alles weitere wolle die CDU am Freitag auf einer Sondersitzung des Präsidiums beraten.

Der nach der Ministerpräsidentenwahl in die Kritik geratene CDU-Landeschef Mike Mohring erhielt derweil die Rückendeckung seiner Partei. Bei einer Sitzung des Landesvorstands stellte er die Vertrauensfrage und wurde mit zwölf Ja-Stimmen bestätigt, wie Generalsekretär Raymond Walk auf Twitter mitteilte. Zwei Mitglieder des Landesvorstands stimmten gegen ihn.

Kemmerich, dessen Partei im Herbst nur knapp den Sprung in den Thüringer Landtag geschafft hatte, war am Mittwoch mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Er hatte sich nur knapp gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durchgesetzt. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half. Ramelow stehe weiter als Kandidat zur Verfügung, sagte der Vize-Chef der Thüringer Linken, Steffen Dittes.

Zwei-Drittel-Mehrheit für Auflösung des Landtags nötig

Die Hürden für eine Auflösung des Landtags sind relativ hoch. Laut Artikel 50 Absatz 2 der Thüringer Landesverfassung muss dessen vorzeitige Auflösung von einem Drittel der Abgeordneten beantragt werden - das wären 30 der insgesamt 90 Parlamentarier. Diesem Antrag müssen dann zwei Drittel - also 60 Abgeordnete - zustimmen. Linke, SPD und Grüne haben 42 und die FDP noch einmal fünf Sitze. Das würde nicht reichen. Es wären damit weitere Stimmen von CDU oder AfD notwendig, um die Auflösung des Landtags zu beschließen. Über den Antrag zur Auflösung darf demnach frühestens am elften und muss spätestens am 30. Tag nach Antragstellung abgestimmt werden.

Kritik von höchster Stelle

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Morgen auf ihrer Südafrikareise die Wahl Kemmerichs mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD als "unverzeihlich" kritisiert. Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, sagte Merkel. Sie warf dem Landesverband Thüringen einen Bruch "mit der Grundüberzeugung" der Partei vor, "dass keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen". Sie stellte sich damit indirekt hinter Neuwahl-Forderungen.

Gemeinsam kritisierten SPD, Linkspartei und Grüne es als historischen Tabubruch, dass erstmals ein Ministerpräsident mithilfe der Stimmen einer Rechtspartei ins Amt gekommen sei. Auch Spitzen der CDU und FDP äußerten sich ähnlich.

Die Wahl von Kemmerich löste nicht nur ein politisches Erdbeben aus. Am Mittwoch hatten in verschiedenen Städten in ganz Deutschland Menschen gegen die Wahl demonstriert. Am Tag nach Kemmerichs Wahl gingen in Erfurt erneut mehrere Hundert Menschen aus Protest auf die Straße. Zehntausende haben sich auch in Petitionen gegen das Wahlergebnis gewandt.

qu/uh (dpa, afp)

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