Linke: Die kleinste Oppositionspartei im Höhenflug
10. Mai 2025
Beim Blick auf die Zahlen reibt sich die Linke seit Monaten verwundert die Augen: 8,8 Prozent bei der Bundestagswahl im Februar. Fast doppelt so viel wie 2021. Und im taufrischen Deutschlandtrend des Monats Mai kommt sie mit zehn Prozent den Grünen (elf Prozent) immer näher. Kurze Rückblende: Ende 2024 lag die Partei in Umfragen deutlich unter der Fünf-Prozent-Marke, die für den sicheren Einzug in den Bundestag übersprungen werden muss.
Auch bei der Mitgliederzahl geht es nach oben: sie hat sich seit Ende 2024 auf 112.000 fast verdoppelt.
Nun sitzt die Linke mit 64 Abgeordneten im neuen Bundestag und muss sich an den überraschenden Erfolg erst noch gewöhnen. Das gilt vor allem für die 51 Neulinge der Fraktion. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer ist Christian Görke, einer der wenigen alten Hasen. Der 62-Jährige ist nach den ersten Eindrücken begeistert von seinem runderneuerten Team: "Wir haben tolle Menschen in dieser neuen Fraktion. Die bringen alle ein Riesenpfund mit und das wollen wir jetzt ummünzen in parlamentarische Aktivitäten", sagte er im DW-Gespräch.
Jan van Aken und Ines Schwerdtner verspüren Aufbruchstimmung
Die Aufbruchstimmung war auch auf dem Bundesparteitag am 09./10. Mai in Chemnitz (Sachsen) zu spüren. Gut gelaunt und zuversichtlich präsentierte sich die Linke in der Europäischen Kulturhauptstadt 2025. "Ich möchte in einem Land leben, in dem die Hoffnung wächst und nicht die Angst. Ein Land, in dem Gerechtigkeit nicht nur ein Wort ist, sondern Wirklichkeit für alle von uns", sagte Partei-Chef Jan van Aken, der sich den Führungsposten mit Ines Schwerdtner teilt.
Mit ihrem Parteitagsmotto "Die Hoffnung organisieren" versuchte die Linke, den Schwung aus dem Bundestagswahlkampf in den politischen Alltag mitzunehmen. Im mit großer Mehrheit angenommenen Leitantrag für den Parteitag dominieren soziale Themen: "Eine der drängendsten Fragen unserer Zeit ist die Wohnungsfrage. Wir beantworten sie mit einem bundesweiten Mietendeckel, der sofort den Druck für Millionen Mieterinnen und Mietern nehmen würde."
Die Jugend wählte links
Dieses Thema hatte die Linke schon im Bundestagswahlkampf in den Mittelpunkt gestellt und war damit anscheinend vor allem bei jungen Menschen erfolgreich. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen avancierte die Partei mit 25 Prozent zur Nummer eins.
Im Bundestag will die Linke beim Thema Mieten den Druck auf die anderen Fraktionen weiter erhöhen. Parlamentsgeschäftsführer Christian Görke spricht von "Mitwucher" und kündigte gegenüber der DW eine Initiative zur Bekämpfung dieser "ausufernden Entwicklung" an. Außerdem wolle man die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer auf die Tagesordnung setzen.
"Die Linke ist und bleibt eine Friedenspartei"
Beim Bundesparteitag in Chemnitz ging es aber auch um internationale Themen. "Die Linke ist und bleibt eine Friedenspartei, insbesondere in Zeiten zunehmender Militarisierung", hieß es im Leitantrag. "Als Partei treten wir bedingungslos für das Völkerrecht und den Schutz derjenigen ein, die unter den Kriegen dieser Welt leiden." Künftig wolle man aber besser mit eigenen Vorschlägen für diplomatische Lösungen durchdringen. Das gilt vor allem mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Bislang war die Linke damit erfolglos – zumindest auf politischer Ebene. Parteichef van Aken legt auf Nachfrage der DW allerdings Wert darauf, zwischen Regierungen und der Bevölkerung zu unterscheiden: "Ich denke, dass wir mit unserer Kritik zu den Leuten durchdringen. Das zeigen ja auch die Umfragen: Zwei von drei Befragten wollen Verhandlungen und einen Waffenstillstand". Zu den politischen Entscheidungsträgern dringe man nicht durch, weil die lieber über weitere Waffenlieferungen sprächen, als über Verhandlungen mit Russland, bedauert van Aken.
"Wir müssen China ins Boot holen"
Der Linken-Vorsitzende erneuerte die Forderung nach aus seiner Sicht ernsthaften diplomatischen Initiativen: "Wir müssen China ins Boot holen und jene Länder, zu denen sowohl wir als auch das russische Regime gute Beziehungen haben, also Brasilien und Südafrika." Den westlichen Ländern wirft van Aken einen "militärischen Tunnelblick" vor.
Es werde immer deutlicher, dass dieser Krieg militärisch nicht zu gewinnen sei. "Die milliardenschweren Waffenlieferungen haben uns dem Frieden keinen Schritt nähergebracht", meint der ehemalige Biowaffen-Inspekteur der Vereinten Nationen (UN). Zugleich fordert van Aken stärkere Sanktionen gegenüber Russland, insbesondere im Energiebereich. So lange Präsident Wladimir Putin Flüssiggas und Erdöl exportieren könne, werde die Kriegskasse ständig gefüllt. "Das muss endlich aufhören!"
Plädoyer für ein "demokratisches Europa"
Autoritäre Akteure wie Putin, US-Präsident Donald Trump und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu eine die Missachtung des Völkerrechts und die Verachtung der Demokratie, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Parteivorstands der Linken und der Fraktionsspitze im Bundestag. Gefordert wird ein europäischer Gegenpol:
"Die richtige Antwort auf die globale autoritäre Wende wäre ein soziales, demokratisches Europa, das als verlässlicher Partner für den Globalen Süden agiert und sich weltweit für Kooperation, Klimaschutz und Abrüstung einsetzt."
Dieser Artikel wurde am 09.05.2025 veröffentlicht und während des Parteitags der Linken in Chemnitz am 10.05.2025 aktualisiert.