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Die Zeit nach der Pleite

Nicolas Martin17. Juni 2015

Die Welt kann auf einige Staatspleiten zurückschauen - für die EU wäre die Insolvenz und der Ausstieg eines Landes aus dem Euro aber ein Novum. Sechs mögliche Grexit-Folgen.

Frau mit griechischen Farben bei Fußball-EM 2012 Warschau Polen (Foto: EPA/VASSIL DONEV)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Grexit - kaum ein Begriff geistert so durch die Medien wie die englische Wortkombination aus Griechenland und Ausstieg. Damit es aber tatsächlich so weit kommt, müssen die Griechen ihr Schicksal selbst besiegeln. Denn einen Automatismus im Falle einer Pleite gibt es nicht. Das Land muss den Euro freiwillig aufgeben - sozusagen mit einem separaten Grexit-Vertrag. Für Griechenland, Deutschland und Europa sind die Konsequenzen ungewiss...

1. Ab zur Bank

Aus Angst vor der Pleite haben die Griechen im Vorfeld der Bankenschließung täglich Millionen Euro abgehoben, um das Geld zuhause zu bunkern. Auch haben viele das Geld ins Ausland transferiert . So sind die Einlagen von privaten Unternehmen und Haushalten im Mai bereits auf den niedrigsten Stand seit September 2004 gesunken.


Doch noch liegen knapp 130 Milliarden Euro auf griechischen Konten. Bei einem Grexit könnten die Kunden in die Banken stürmen, um ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen. Dadurch würde das Bargeld schnell knapp - das könnte die nationalen Banken ruinieren und in der Folge sogar den gesamten griechischen Geldkreislauf zusammenbrechen lassen. Ein Szenario, dass schon vor der angekündigten Volksabstimmung über Reformpakete möglich wäre. Die griechische Regierung ordnete wegen des befürchteten Ansturms beunruhigter Sparer die Schließung der Banken bis mindestens kommenden Montag an. An den Geldautomaten gibt es nur noch 60 Euro pro Tag und Person. Auch die Athener Börse soll bis dahin geschlossen bleiben. Nach einem möglichen Grexit werden sie dann wahrscheinlich vorerst geschlossen bleiben. Nach der Wiederöffnung der Geldhäuser könnte die Regierung dann Bargeldverkehr und elektronische Zahlungen einschränken, um den Geldfluss zu kontrollieren.

2. Die neue Währung

Der Ausstieg aus dem Euro innerhalb einer Nacht mit einer neuen Währung wäre die radikalste Variante eines Grexit. Die griechische Notenbank könnte dann beispielsweise Drachmen anstatt Euro drucken. Experten gehen aber davon aus, dass der Grexit nicht mit einem lauten Knall vonstatten geht, sondern wohl eher ein gleitender Übergang in eine Parallelwährung wäre.

Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, beschrieb die Situation in der Zeitung "Handelsblatt" bereits Ende Mai so: "In dem Moment, wo den Griechen das Geld ausgeht, würde die griechische Regierung beginnen, Gehälter im öffentlichen Dienst und Renten teilweise in Schuldscheinen zu bezahlen." Nach und nach würden die Schuldscheine dann die Funktion einer Währung übernehmen, so Fuest.

Abschied vom Euro - hin zur Drachme?Bild: picture-alliance/dpa

Doch egal ob Drachme oder Parallelwährung, in beiden Fällen würde das Zahlungsmittel deutlich an Wert gegenüber dem Euro verlieren. Experten rechnen mit einem Wertverlust zwischen 30 und 50 Prozent. Für Reisende würde Griechenland dann deutlich günstiger und damit der für das Land so wichtige Tourismus gestärkt. Und auch billige heimische Produkte könnten den Export ankurbeln. Die Kehrseite der Medaille: Waren und Dienstleistungen, die Griechenland aus dem Ausland importiert, würden deutlich teurer. Private Kredite in Euro, beispielsweise für Immobilien oder Autos, würden im Vergleich zur Parallelwährung auch schwerer zu bedienen. Auch die Schulden des Landes bei den Gläubigern könnten damit ins Unermessliche wachsen.

3. Harte Zeiten für die Griechen

Mit der Pleite gäbe es auch keine neuen Kredite mehr. Das Land kann dann seine laufenden Kosten wohl nicht mehr decken. Die Leidtragenden sind die Menschen. Denn die griechische Regierung müsste Einschnitte in der öffentlichen Infrastruktur, in Krankenhäusern, Nahverkehr und ggf. auch beim Bildungssystem durchsetzen, um die Gehälter ihrer Angestellten zu bezahlen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz schien dem indirekt schon einmal vorzugreifen und stellt Griechenland bereits humanitäre Hilfe in Aussicht. "Die Menschen in Griechenland haben ein Recht darauf, in Würde zu leben", so Schulz.

4. Was kostet Deutschland der Grexit?

Von den insgesamt geliehenen 321 Milliarden Euro muss der deutsche Staat für ungefähr 80 Milliarden geradestehen. Der deutsche Privatsektor ist dabei relativ wenig beteiligt. Im September 2014 entfielen nur 4,6 Milliarden auf Privatbanken und 3,6 Milliarden auf Unternehmen und Privatpersonen. Trotzdem variieren die Zahlen.

So bezifferte das Münchner Ifo-Institut Ende März das maximale Verlustrisiko bei einer Staatspleite und einem Austritt aus der Eurozone auf 87 Milliarden Euro. Neuere Daten liegen nicht vor. Auch bei einem Grexit ist dieses Geld nicht unbedingt komplett verloren. Die Gläubiger werden versuchen, die Rückzahlung der Schulden weiter auf die Zukunft zu schieben.

Der Wirtschaftsdienst Bloomberg hat die Kredite auf die jeweilige Wirtschaftsleistung in den Euroländern heruntergebrochen. Dabei gehört Deutschland trotz der in absoluten Zahlen hohen Haftungsrisiken nicht zu den größten Verlierern. Nach der Rechnung verlieren Slowenien, Malta, Spanien, Italien und Estland rund 2,8 bis drei Prozent ihres BIPs, Deutschland liegt in diesem Ranking mit 2,37 Prozent auf Rang sieben.

5. Kommt ein Börsenkrach?

Die Wasserstandsmeldungen zu den Griechenland-Verhandlungen sind aktuell so etwas wie der Herzschrittmacher der europäischen Börsen. Positive Nachrichten lassen die Kurse steigen, negative rapide fallen. Ein Austritt eines Mitgliedsstaates aus der Währungsunion wäre für die Börsen ein Präzedenzfall - die Frage ist, wie groß die Panik danach wäre und wie schnell sich die Wogen wieder glätten würden. Das hängt stark mit dem politischen Krisenmanagement zusammen. Trotzdem liegen die Nerven bei den Händlern blank. Beim Dax sind Tagesschwankungen von knapp zwei Prozent kein Einzelfall. Beim Athener Leitindex ging es teilweise sogar bis zu acht Prozent nach unten.

6. Geht Europa mit unter?

Mehr als fünf Jahre haben die Staats- und Regierungschefs Europas an einer Rettung Griechenlands gearbeitet. Ein Grexit klingt da nach einer politischen Niederlage. Der häufig zitierte Zusammenhalt Europas wäre damit erstmal dahin. Manch ein Politiker sieht in einem Ausstieg aber auch einen Akt der Stärke der solventen Mitgliedsstaaten, frei nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen.

Für Europa wird entscheidend sein, wie sich die Lage in Krisenländern wie Portugal, Spanien und Italien entwickelt. Aktuell sind die Wirtschaftsdaten der Länder positiv, und die Investoren kaufen trotz der Sorgen um Griechenland deren Staatsanleihen. Das heißt, die Länder bekommen Geld und brauchen keine Hilfe von der EU. Geht Griechenland pleite und scheidet aus dem Euro aus, könnten die Investoren verunsichert sein und ihr Geld nicht mehr den Krisenländern leihen. Die Eurokrise könnte dann von vorne beginnen. Gerade um dieses politische Signal und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden, werden die europäischen Politiker wohl auch noch einiges bewegen, um den Grexit in letzter Minute abzuwenden.

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