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Politik

Duldung in Deutschland

23. April 2019

Die Bundesregierung will das Asylgesetz ändern. Besonders betroffen: Menschen in Deutschland ohne Aussicht auf Asyl. Wer gilt als "geduldet" und welche Rechte und Pflichten gehen mit der Duldung einher?

Deutschland Ausweis für Asylbewerber
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Was ist Duldung?

Menschen die sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten, sind rechtlich zur Ausreise verpflichtet. Manche Ausreisepflichtige treten den Heimweg freiwillig an. Andere kommen dieser Pflicht nicht nach, insbesondere weil sie nicht in ihr Heimatland zurück wollen. Teilweise wird ihre Ausreise behördlich erzwungen, dann spricht man von Abschiebung. Immer ist das jedoch nicht möglich. Dann erhalten Ausreisepflichtige den Status der Duldung.

Wie viele ausreisepflichtige Menschen leben in Deutschland?

Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke antwortete die Bundesregierung Ende Februar: "Im Ausländerzentralregister (AZR) waren zum Stichtag 31. Dezember 2018 insgesamt 235.957 Personen ausreisepflichtig, davon 180.124 Personen mit einer Duldung und 55.833 Personen ohne Duldung erfasst."

Die größte Gruppe unter den Ausreisepflichtigen in Deutschland stellen abgelehnte Asylbewerber. Es sind aber auch Menschen darunter, die einen temporären Aufenthaltstitel hatten, die aber nach dessen Ablauf nicht ausgereist sind, zum Beispiel Studenten, Arbeitnehmer oder Touristen. Allein im Jahr 2018 registrierte die Bundespolizei 15.000 Menschen, deren Visum abgelaufen war. Am häufigsten kamen sie aus China, der Türkei, Indien und Russland.

Aus dieser Gruppe stammen vermutlich auch viele der "unmittelbar Ausreisepflichtigen", also Menschen, die keinen Duldungs-Titel besitzen. Diese Gruppe sei allerdings schwer zu fassen, heißt es beim Mediendienst Integration: "Im AZR bleiben oftmals Menschen als 'ausreisepflichtig' eingetragen, obwohl sie schon ausgereist sind, beziehungsweise einen neuen Aufenthaltsstatus haben." Allerdings ist davon auszugehen, dass auch Menschen sich ihrer Abschiebung durch Untertauchen entziehen.

In welchen Fällen werden Ausreisepflichtige geduldet und nicht abgeschoben?

Der häufigste Grund für eine Duldung, gut 41 Prozent aller Fälle, ist das Fehlen gültiger Reisedokumente. Die Neubeschaffung verzögert sich häufig, weil die Behörden des Herkunftslandes die Fälle nur schleppend bearbeiten. Bei 6500 dieser Fälle ist die Herkunft ungeklärt.

Eine weitere große Gruppe bilden Menschen, die aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen nicht abgeschoben werden. Hierunter können Schulbesuch oder eine Berufsausbildung fallen. Auch die Betreuung kranker Familienangehöriger in Deutschland kann zu einer solchen "Ermessensduldung" führen. Die Familienangehörigkeit zu anderen Geduldeten ist ein gesonderter Duldungsgrund. Knapp 4000 Menschen werden nicht abgeschoben, weil ihr Gesundheitszustand dies nicht zulässt.

Für manche Staaten beziehungsweise Regionen sowie bestimmte Personengruppen gilt ein Abschiebestopp. In den Irak etwa werden derzeit nur ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder abgeschoben: arabische Iraker ausschließlich in den Zentralirak, kurdische Iraker ausschließlich in den Nordirak.

Die Duldungsgründe nach Fallzahlen per 31.12.2018:

  • Fehlende Reisedokumente: 74.281
  • "Ermessensduldung" aus humanitären oder persönlichen Gründen: 11.486
  • Familiäre Bindungen zu anderen Geduldeten: 11.124
  • Abschiebestopp für bestimmte Gruppen oder Regionen: 4402
  • Medizinische Gründe: 3803
  • Eltern von minderjährigen Kindern: 476
  • Vorübergehende Anwesenheit für ein Strafverfahren: 426
  • Sonstige Gründe: 72.569
  • Duldung ohne nähere Angaben: 1157

Wie lange werden Ausreisepflichtige geduldet?

Jede Duldung ist von vorneherein zeitlich begrenzt, über die Dauer entscheidet die zuständige Ausländerbehörde im Einzelfall. 37 Prozent der Geduldeten lebt seit mehr als drei Jahren in Deutschland, 18 Prozent länger als fünf Jahre.

Theoretisch kann eine Duldung jederzeit und ohne besonderen Grund aufgehoben werden. Dies geschieht insbesondere, wenn der Duldungsgrund entfällt, also etwa sobald die Reisedokumente vorliegen oder die Ausbildung abgeschlossen ist. 

Welche Rechte und Pflichten haben Geduldete?

Geduldete müssen sich regelmäßig bei der zuständigen Behörde melden. Sie erhalten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die bestehen in erster Linie aus Sachleistungen und einem Taschengeld von gut 40 Euro im Monat, Kinder unter 14 Jahren erhalten gut 20 Euro. Der Anspruch endet am Tag der Ausreise. Verhindern Geduldete ihre Abschiebung droht ihnen die Kürzung der Leistung.

Ausreisepflichtige dürfen ab dem ersten Tag ihrer Duldung ohne Genehmigung verschiedene Stellen annehmen. Darunter fallen zum Beispiel Ausbildungsplätze, Praktika, ein freiwilliges soziales Jahr oder auch gut bezahlte Akademikerstellen. Eine Arbeitserlaubnis für viele andere Beschäftigungen können sie zum Beginn des 4. Monats beantragen. Einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben sie automatisch nach 49 Monaten.

Berufsbezogene Deutschkurse: Künftig sollen sie auch Geduldeten einfacher zugänglich seinBild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Nach acht Jahren Duldung können Ausreisepflichtige eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, wenn sie ihren Lebensunterhalt maßgeblich selbst bestreiten. Familien mit minderjährigen Kindern steht diese Möglichkeit bereits nach sechs Jahren offen. Geduldete zwischen 14 und 21 Jahren und ihre Angehörigen können bereits nach vier Jahren eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, wenn sie einen Schul- oder Berufsabschluss in Deutschland erworben haben.

Was soll sich nun für Geduldete ändern?

Der Gesetzesvorschlag sieht eine ganze Reihe kleinerer Änderungen vor. Besonders umstritten ist, dass es einfacher werden soll, Ausreisepflichtige in Abschiebehaft zu nehmen. Bisher war das nur bei akuter Fluchtgefahr möglich. 

Neu eingeführt werden soll der Status "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität": Ausreisepflichtige, die ihre Identifizierung verhindern, etwa weil sie sich weigern Reisedokumente in ihrer Heimat zu beantragen, sollen darunter fallen. Ihnen drohen eine Wohnsitzauflage und ein Beschäftigungsverbot.

Auf der anderen Seite sollen Geduldete künftig bessere Chancen zur Integration erhalten: Berufsbezogene Sprachkurse des Bundes sollen ihnen nach sechs Monaten Duldung offenstehen. Dies war bisher nur in Ausnahmen möglich.

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.