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Literatur

Literaturnobelpreis für Abdulrazak Gurnah

Philipp Jedicke mit dpa und KNA
7. Oktober 2021

Die Schwedische Akademie hat den Gewinner des Literaturnobelpreises bekanntgegeben: Es handelt sich um Abdulrazak Gurnah aus Tansania.

Abdulrazak Gurnah, ein weißhaariger Mann mit Bart, in Sakko und Hemd
Gewinner des Literaturnobelpreises 2021: Abdulrazak GurnahBild: Ger Harley/StockPix/picture alliance

Jedes Jahr ist es dasselbe Prozedere: Um 13.00 Uhr öffnet sich eine schwere Tür im Börsenhaus in der Stockholmer Altstadt Gamla Stan und der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie, Mats Malm, verliest den Namen der Preisträgerin oder des Preisträgers der weltweit renommiertesten Auszeichnung für Literatur. Dieses Jahr ist es der tansanische Schriftsteller Abdulrazak Gurnah. Er erhält den Preis "für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals des Flüchtlings in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten", wie Mats Malm erläuterte.

Gurnah habe erst gedacht, ihm spiele jemand einen Streich, als bei ihm das Telefon klingelte. Als Malm weiter mit ruhiger Stimme mit ihm gesprochen habe, sei die Nachricht langsam bei ihm angekommen. Gegenüber der BBC sagte Gurnah, es sei "brillant und wundervoll", mit dem Preis geehrt zu werden. "Ich musste wirklich warten, bis ich die Bekanntgabe gehört habe, bevor ich es glauben konnte."

Kolonialismus und Exil

Der 1948 geborene Autor ist auf der Insel Sansibar aufgewachsen und floh Ende der 1960er-Jahre nach Großbritannien, wo er bis heute lebt. Bis vor kurzem lehrte er an der Universität von Kent englische und postkoloniale Literaturen. Geflohen war Gurnah nach der Unabhängigkeit und der gewalttätigen Revolution auf Sansibar. Mit 20 Jahren begann er zu schreiben.

Gurnah hat zehn Romane und eine Reihe von Kurzgeschichten veröffentlicht. Er nimmt auch immer wieder Bezug auf seine ehemalige Heimat und thematisiert die Kolonialherrschaft der Deutschen und Engländer. Seine Muttersprache ist Swahili, er schreibt jedoch auf Englisch.

Buchtitel von Abdulrazak GurnahBild: Jonathan Nackstrand/AFP/Getty Images

In England ist Gurnah einer der bekanntesten Autoren aus dem ehemaligen britischen Empire, seine Romane erscheinen in großen Auflagen bei renommierten Verlagen. Für den deutschen Buchmarkt bedeutet der neue Literaturnobelpreisträger allerdings eher eine Enttäuschung. Auf Deutsch sei derzeit kein Titel von Gurnah lieferbar, berichtete das Fachmagazin "Börsenblatt" in Frankfurt. 

Strenge Geheimhaltung, viel Spekulation

Zwar werden die Namen der tatsächlich Nominierten traditionell geheim gehalten (die Liste kann man sogar erst 50 Jahre nach der jeweiligen Verleihung einsehen), doch in den Wochen vor der Bekanntgabe der Literaturnobelpreise verdichten sich die Spekulationen der Experten und Wettbüros auf einen kleinen Kreis einflussreicher Autorinnen und Autoren. In den letzten Jahren wurde immer wieder die Kanadierin Margaret Atwood (u.a. "Alias Grace"/"Der Report der Magd") als potenzielle Preisträgerin gehandelt, neben ihrer Landsfrau Anne Carson.

Auch der Japaner Haruki Murakami, der Kenianer Ngugi wa Thiong'o sowie die Russin Ljudmila Ulitzkaja und Maryse Condé aus dem französischen Überseegebiet Guadeloupe erscheinen immer wieder in der engen Auswahl. Zuletzt kamen der Rumäne Mircea Cartarescu und die Französin Annie Ernaux dazu. Gurnah ist eine überraschende Wahl, ähnlich wie 2020 die US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück

Keine deutschen Autoren unter den Favoriten

Als bislang letzter deutschsprachiger Autor bekam der Österreicher Peter Handke 2019 die Auszeichnung verliehen, zuvor ging sie an Herta Müller (2009), Elfriede Jelinek (2004), Günter Grass (1999), Heinrich Böll (1972), Hermann Hesse (1946) und Thomas Mann (1929). Während der Literaturnobelpreis nur eine herausragende literarische Persönlichkeit auszeichnet, werden die wissenschaftlichen Nobelpreise häufig an zwei oder drei Preisträgerinnen und Preisträger auf einmal vergeben, zum Beispiel wenn sie gemeinsam zum selben Themenfeld geforscht haben.

In der ersten Wochenhälfte waren in Stockholm die diesjährigen Preisträger in Medizin, Physik und Chemie verkündet worden. Mit dem Meteorologen Klaus Hasselmann und dem Chemiker Benjamin List waren darunter auch zwei Deutsche. Insgesamt wurden in den drei bisherigen Kategorien sieben Preisträger benannt - Frauen waren dieses Jahr nicht dabei.

Hoch dotiert in allen Kategorien

Alle Nobelpreise sind wie im Vorjahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) je Kategorie dotiert. Die Auszeichnungen werden traditionell am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, verliehen. Am Freitag, dem 8.Oktober 2021, folgt die Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers, der als einziger in der norwegischen Hauptstadt Oslo gekürt wird.

Zurück in Stockholm werden dann zum Abschluss die Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften verkündet. Diese Kategorie ist die einzige, die nicht auf das Testament von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht.

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